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Bewerbernachweis „seiner“ Leistungsfähigkeit – Eignungsleihe ausgeschlossen?

24.08.2021

von RA Michael Werner

Die Vergabekammer (VK) Bund hat mit Beschluss vom 29.04.2021 – VK 2-5/21 – u. a. folgendes entschieden:

• Ein Bieter kann sich zum Nachweis seiner Leistungsfähigkeit auf die Kapazitäten anderer Unternehmen berufen, wenn er nachweist, dass ihm die erforderlichen Mittel tatsächlich zur Verfügung stehen.

• Der Umstand, dass der Auftraggeber in mehreren Bewerberrundschreiben formuliert, der Bewerber habe „seine“ Leistungsfähigkeit nachzuweisen, ist kein Hinweis auf einen Ausschluss der Eignungsleihe.

• Aus dem Umstand, dass der Auftraggeber üblicherweise Angaben zur Eignungsleihe in seinen Ausschreibungen trifft, kann nicht geschlossen werden, dass eine Eignungsleihe ausgeschlossen ist, wenn derartige Angaben fehlen. Jede Ausschreibung ist isoliert zu betrachten.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte nach europaweiter Ausschreibung ein Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb zur Vergabe von telemedizinischer Versorgung nach SGB V gemäß VgV durchgeführt. In der Bekanntmachung hieß es u. a. zum Nachweis der Eignung: Der Bewerber weist detailliert seine Eignung und Leistungsfähigkeit bezüglich der Organisation, Administration und Durchführung nach Art und Größe vergleichbarer Referenzprojekte für gesetzlich Krankenversicherte in den letzten 5 Jahren nach. Der AG betrachtet nur solche Bewerber als geeignet, welche wenigstens ein entsprechendes Referenzprojekt nachweisen können. Bieter A reichte nach erfolgreichem Teilnahmeantrag fristgerecht ein Angebot ein. Laut Mitteilung des AG sollte der Zuschlag an den Mitbewerber B erteilt werden. Darauf rügte A das Verfahren und stellte nach Nichtabhilfe Antrag auf Nachprüfung – mit der Begründung, B könnte die geforderte Referenz nicht selbst nachweisen und eine Eignungsleihe sei in der Ausschreibung nicht vorgesehen und damit unzulässig.

Die VK gibt hier dem AG Recht. Die Angriffe des A auf die Eignung des Bieters B seien unbegründet. Die Einschaltung von Subunternehmern einschließlich solcher Subunternehmer, auf die ein Bieter für die Herstellung der geforderten Eignungsvoraussetzungen angewiesen sei („Eignungsleiher“), sei im Vergaberecht explizit vorgesehen, §§ 36, 47 VgV bzw. § 6d EU VOB/A. Nach § 47 VgV (§ 6d EU VOB/A) könne sich ein Bieter danach zum Nachweis seiner Leistungsfähigkeit grundsätzlich auf die Kapazitäten anderer Unternehmen berufen, wenn er nachweise, dass ihm die erforderlichen Mittel tatsächlich zur Verfügung stünden. Ob ein Ausschluss der Eignungsleihe – wie ihn der AG hier wohl ursprünglich erwogen habe – in vergaberechtskonformer Weise in Anwendung von § 69 Abs. 4 S. 3 SGB V möglich wäre, bedürfe indes keiner Entscheidung. Denn der AG habe die Eignungsleihe nicht ausgeschlossen. So habe er ein ausdrückliches Verbot der Eignungsleihe nicht ausgesprochen. Eine stillschweigende, aber für objektive Dritte aus dem Adressatenkreis der Ausschreibung erkennbare Abweichung komme vorliegend nicht in Betracht. Selbst bei einer über die reine Auftragsbekanntmachung hinausgehenden Gesamtschau der Vergabeunterlagen ergebe sich an keiner Stelle, dass der AG die Eignungsleihe ausgeschlossen habe. Der Umstand, dass der AG in mehreren Bewerberrundschreiben formuliert habe, der Bewerber habe „seine“ Leistungsfähigkeit nachzuweisen, sei kein Hinweis auf einen Ausschluss der Eignungsleihe. Jede Ausschreibung sei insoweit, aufgrund eines möglicherweise unterschiedlichen Teilnehmerfeldes mit unterschiedlichen Erfahrungen und Erwartungen, isoliert zu betrachten.

Die Vergabeunterlagen enthielten im Gegenteil Hinweise darauf, dass die Eignungsleihe zugelassen sei. So sei in den Teilnahmebedingungen vorgesehen, dass auch die vollständige Leistungserbringung durch Nachunternehmer zulässig sei. Die Vergabeunterlagen verwendeten den Begriff der Verpflichtungserklärung und forderten, dass der Auftragnehmer eine solche Verpflichtungserklärung seines Nachunternehmers vorlege. Die Verpflichtungserklärung sei jedoch in den vergaberechtlichen Vorschriften nur dann vorgesehen, wenn der Nachunternehmer zugleich ein eignungsleihendes Unternehmen sei, der Bieter mithin auf den Subunternehmer angewiesen sei, um seine Eignung nachzuweisen. Der von A konstruierte Gegensatz zwischen Nachunternehmer und Eignungsleiher bestehe indes nicht, denn der Begriff „Nachunternehmer“ sei der Oberbegriff und besage, dass der Auftraggeber keinen eigenständigen Vertrag mit dem Subunternehmer habe, sondern vertragliche Beziehungen nur zwischen Auftragnehmer und Subunternehmer bestünden. Der „Eignungsleiher“ sei kein danebenstehendes, andersartiges Konstrukt, sondern ein Unterfall, in welchem der Auftragnehmer zwecks Eignungsherstellung auf den Subunternehmer angewiesen sei. Dies belege die Formulierung in § 36 Abs. 1 S. 3 VgV, wonach § 47 VgV im Fall der Eignungsleihe „auch“, also zusätzlich zu § 36 VgV anzuwenden sei. Mit der Verwendung der Begrifflichkeit „Verpflichtungserklärung“ in den Vergabeunterlagen sei damit indiziert, dass der AG auch die Eignungsleihe im Blick gehabt habe. B habe hier, unter Verwendung des Instituts der Eignungsleihe, seine Eignung gemäß den Anforderungen des AG nachgewiesen. Er habe rechtzeitig eine taugliche Verpflichtungserklärung des Eignungsverleihers vorgelegt und könne so die geforderte Referenz nachweisen. Der Eignungsleihgeber verfüge auch über die in der Ausschreibung geforderte Referenz. Er habe zudem mit seiner Verpflichtungserklärung die verbindliche Zusage gegeben, B die für die Auftragsausführung erforderlichen Mittel uneingeschränkt zur Verfügung zu stellen. Dabei sei es unerheblich, dass im Rahmen dieses Referenzauftrags andere Personen tätig gewesen seien.

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Anmerkung:
Wie die Entscheidung zeigt, ist bei Vergaben oberhalb der Schwellenwerte die Eignungsleihe grundsätzlich zulässig (siehe § 47 VgV bzw. § 6a EU VOB/A). Allerdings kann – auch nach der Rechtsprechung des EuGH (07.04.2016 – Rs. C-324/14) – ein Auftraggeber eine solche Eignungsleihe durchaus ausschließen, allerdings nur, wenn besondere Umstände vorliegen und diese sich aus Gegenstand oder den Zielen des Auftrags ergeben. In diesem Fall muss der Auftraggeber den Ausschluss in den Vergabeunterlagen aber eindeutig und ausdrücklich klarstellen. Lediglich der Hinweis, der Bewerber müsse „seine“ Leistungsfähigkeit nachweisen, ist dafür nicht ausreichend.

Anders ist dies im Bereich unterhalb der Schwelle: Bei der Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen kann der AG die Selbstausführung durch den Bieter (gem. § 26 Abs. 6 UVgO) ebenso vorschreiben wie bei der Vergabe von Bauleistungen (siehe §§ 6 Abs. 3, 8 Abs. 1 VOB/A in Verbindung mit § 4 Abs. 8 VOB/B).

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