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Bieterfragen im Vergabeverfahren

04.10.2012

Rechtsgrundlagen:

Die Vergabeordnungen regeln den Umgang mit Fragen auf unterschiedliche Weise. So gab es in der VOL/A 2006 noch eine ausdrückliche Vorgabe zum Umgang mit Fragen von Bewerbern. Damit kam dem Aspekt von Transparenz und der Gleichbehandlung von Bewerbern eine hohe Bedeutung zu. Die aktuelle VOL/A 2009 dagegen führt die Regelungen für den nationalen Bereich zwar nicht mehr fort, aus den genannten Grundprinzipien sind diese jedoch noch immer abzuleiten. Am Recht des Bewerbers auf Auskünfte hat sich nichts geändert. Bei europaweiten Vergabeverfahren sieht § 12 Abs. 8 VOL/A-EG vor, dass Auskünfte über die Vergabeunterlagen und das Anschreiben bis spätestens sechs Tage, beim Nichtoffenen Verfahren oder beschleunigten Verhandlungsverfahren bis spätestens vier Kalendertage vor Ablauf der Angebotsfrist erteilt werden müssen. Dies ist in § 7 Abs. 3 VOF und § 19 Abs. 2 SektVO ähnlich geregelt. In der VOB/A ist die Thematik der Bewerberfragen wie folgt geregelt: der § 12 Abs. 7 VOB/A sieht für den nationalen Bereich vor, dass zusätzliche sachdienliche Auskünfte über die Vergabeunterlagen allen Bewerbern unverzüglich in gleicher Weise zu erteilen sind. Im Oberschwellenbereich regelt § 12 EG Abs. 5 VOB/A, dass rechtzeitig beantragte Auskünfte über die Vergabeunterlagen spätestens sechs Kalendertage vor Ablauf der Angebotsfrist zu erteilen sind. Bei Nichtoffenen Verfahren und beschleunigten Verhandlungsverfahren beträgt die Frist vier Kalendertage.

Definition:

Bewerber haben das Recht, im Rahmen einer Ausschreibung nach dem Erhalt der Vergabeunterlagen von der Beschaffungsstelle ergänzende Informationen zu erbitten. Einmal kann es ein individueller Informationsbedarf sein, der auf Missverständnisse, Fehleinschätzungen oder einfaches Überlesen der Hinweise in den Vergabeunterlagen zurückzuführen ist. Es kann aber auch sein, dass Formulierungen in den Vergabeunterlagen objektiv aufklärungsbedürftig sind. Es obliegt den Vergabestellen, die Relevanz einer Auskunft zu bewerten. Eine wichtige Auskunft liegt in jedem Fall dann vor, wenn ein Bewerber dadurch einen Informationsvorsprung hat. Die Beschaffungsstelle muß deshalb wichtige Auskünfte bezüglich der geforderten Leistung oder der Preisermittlung allen Bewerbern mitteilen. Häufig ist in der Praxis zu beobachten, dass Vergabestellen spät antworten und die Bewerber die Auskunft bei der Angebotsbearbeitung nicht mehr ausreichend berücksichtigen können. Bei ihrer Meinung nach nicht relevanten Fragen wird nur dem Anfragenden, nicht aber allen anderen Bewerbern geantwortet. Es kommt auch vor, dass Antworten in öffentlich zugänglichen Ausschreibungsdatenbanken bekannt gegeben werden - vor allem mit Blick auf das Gebot des Geheimwettbewerbs ist das kein empfehlenswertes Instrument. Fragen der Bewerber sollten von beiden Seiten als Chance begriffen werden, etwaige Unklarheiten in den Vergabeunterlagen beseitigen zu können. Auf Bewerberfragen sollte daher stets geantwortet werden.

 

Praxistipps für Vergabestellen:

Die Vergabeordnungen geben keine Form für die Beantwortung von Bewerberfragen vor. In der Praxis haben sich folgende Vorgehensweisen bewährt:

• Eindeutigen Hinweis in die Vergabebekanntmachung und die Vergabeunterlagen aufnehmen (z.B., dass Fragen ausschließlich in Textform gestellt und beantwortet werden). Auch die Frist, bis wann Bewerberfragen gestellt werden können, sollte angegeben werden. Dabei sind die zwingenden Vorgaben bei EU-weiten Ausschreibungen zu beachten. Bei nationalen Ausschreibungen empfiehlt es sich, dieselben Fristen zugrunde zu legen.

• Fortlaufende Erfassung und gegebenenfalls Aktualisierung der Kontaktdaten aller Bewerber, die Vergabeunterlagen angefordert haben. Dies gilt insbesondere, wenn erste Auskünfte an Bewerber bereits erteilt wurden, andere Bewerber hingegen erst zu einem späteren Zeitpunkt die Vergabeunterlagen angefordert haben. Auch diesen Bewerbern sind die zuvor erteilten Auskünfte bekannt zu geben.

• Beachtung der drei „Gs“: Zusätzliche Auskünfte sind allen Bewerbern gleichzeitig, in gleichem Umfang und unter Beachtung des Geheimwettbewerbs (Bewerberfragen anonymisiert beantworten) zu geben.

• Die Antworten sind unverzüglich zu erteilen. Aus Dokumentationsgründen und zur Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes sollten Auskünfte grundsätzlich nur in Textform, am besten per E-Mail, erteilt werden. Dabei empfiehlt sich das Anlegen eines E-Mail-Blindverteilers.

• Umgang mit Abwesenheitsnachricht bei Auskunftserteilung mittels E-Mail-Blindverteiler: Dies kommt in der Praxis häufiger vor. Ist ein Vertreter angegeben, so sollte das E-Mail an diesen weitergeleitet werden. Ist kein Vertreter angegeben, oder dieser ebenfalls abwesend, dürfte es genügen, die Antwort auf die Bewerberfrage an das allgemeine E-Mail-Postfach des Unternehmens zu senden.

• Es ist auch möglich, Antworten auf einer geschützten Internetseite zur Verfügung zu stellen.

• Unerlässlich ist die Dokumentation in der Vergabeakte. Diese sollte insbesondere bei europaweiten Ausschreibungen sorgfältig, zeitnah und vollständig erfolgen: Wer hat wann welche Auskünfte erbeten und wann wurden diese an wen erteilt?

 

Praxistipps für Unternehmen:

Bewerberfragen sind immer möglich, eine Beantwortung kann erwartet werden. Die Fragen sollten möglichst strategisch formuliert werden - eventuell kann eine Frage eine bestimmte Antwort auch hervorrufen.

• Grundsatz: es gibt keine Frage, die nicht gestellt werden kann.

• Vergabeunterlagen nach Erhalt / Download möglichst zeitnah und vollständig durchlesen. Sollten sich in diesem Zusammenhang sachdienliche Fragen ergeben (etwa aufgrund von Unklarheiten, Widersprüchen zwischen Vergabebekanntmachung und Vergabeunterlagen, unzureichenden Hinweisen auf frühere Verbrauchswerte bei Rahmenvereinbarungen, Aufklärungsbedarf / Zusatzinformationen über die geforderte Leistung oder die Grundlagen der Preisermittlung) sollten Bewerberfragen möglichst frühzeitig gestellt werden.

• Fragen sollten in Textform unter Berücksichtigung der Vorgaben der Vergabestelle gestellt werden. Falls eine Online-Plattform für die Antworten eingerichtet wurde, müssen die Bewerber diese bis zum Ablauf der Angebotsabgabefrist regelmäßig konsultieren.

• Bewerberfragen sollten nicht dazu genutzt werden, auf einen eventuellen Vergaberechtsverstoß hinzuweisen. Dies geht nur mittels einer Rüge! Es sollte vielmehr gefragt werden, wie die Vergabeunterlagen an einer bestimmten Stelle zu interpretieren sind.

• Obwohl der Hinweis selbstverständlich erscheinen mag: Bewerberfragen sollten rechtzeitig vor Ablauf der Angebotsfrist gestellt werden, damit die Antwort noch Eingang in das eigene Angebot finden kann.

• Aus taktischen Gründen kann eine späte Abgabe des eigenen Angebots sinnvoll sein. Dies bietet die Möglichkeit, Auskünfte auf Bieterfragen von Wettbewerbern noch in das eigene Angebot einfließen zulassen. Dessen ungeachtet hat eine rechtzeitige Angebotsabgabe vor Ablauf der Angebotsfrist selbstverständlich oberste Priorität!

  Quelle: Infobrief Auftragswesen Aktuell der IHK


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