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Bieterinsolvenz rechtfertigt allein noch keinen Ausschluss

28.09.2012

Das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig hat mit Beschluss vom 30. Mai 2012 - 1 Verg 2/12 - folgendes entschieden:

- Eine insolvenzbedingte Leistungsunfähigkeit des Nachunternehmers ist dem Hauptunternehmer wie eine eigene Leistungsunfähigkeit – und damit Ungeeignetheit – zuzurechnen. Dies kann dazu führen, dass das Angebot des Hauptunternehmers für eine Zuschlagserteilung nicht in Betracht kommt.
- Die Insolvenz des Bieters an sich ist für einen Ausschluss nicht ausreichend. Erforderlich ist auch eine – einzelfallbezogene – Prognose zur entfallenen bzw. fortbestehenden Leistungsfähigkeit des betroffenen Unternehmens.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) schrieb im Offenen Verfahren europaweit die Lieferung eines Löschgruppenfahrzeugs aus. Bieter A, der Feuerwehrfahrzeuge vertreibt, die von der Firma AZ als Nachunternehmer des A hergestellt werden, gab hierzu ein Angebot ab. Nach erfolgter Angebotsabgabe wurde über das Vermögen der AZ das Insolvenzverfahren eröffnet. Darauf teilte der AG dem A mit, dass der Zuschlag anderweitig vergeben werde und das Angebot des A wegen des Insolvenzverfahrens der AZ ausgeschlossen werde. Nach Scheitern vor der Vergabekammer legte der A sofortige Beschwerde zum OLG ein.

Das OLG, das im Rahmen einer Fristverlängerung gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB zu entscheiden hatte, gibt hier dem A Recht. Zwar stimme es dem AG insoweit zu, als für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit des A allein auf seinen Nachunternehmer AZ abzustellen sei, da dieser der einzig die Leistung Erbringende sei (sog. „Eignungsleihe“). Fraglich sei nun, ob die AZ gemäß § 19 Abs. 4 VOL/A-EG i.V.m. § 6 Abs. 6a VOL/A-EG zu Recht ausgeschlossen worden sei. Es sei zu betonen, dass die allgemeine, mit jeder Auftragsvergabe verbundene Gefahr, dass ein Bieter nach Zuschlagserteilung insolvent werde, jeder Auftraggeber hinnehmen müsse (vgl. § 8 Nr. 2 Abs. 1 VOB/B 2006). Demgegenüber eröffne allerdings der Fall der Insolvenz bzw. des Insolvenzantrages vor Zuschlagserteilung einen Entscheidungsspielraum des Auftraggebers zum Bieterausschluss, wenn dem Bieter infolge dieser Umstände „die für die Erfüllung der vertraglichen Pflicht erforderliche Eignung“ (Leistungsfähigkeit) abhanden gekommen sei (vgl. § 19 Abs. 5 VOL/A-EG). Zur Tatbestandsseite der in § 19 Abs. 4 VOL/A-EG i.V.m. § 6 Abs. 6a VOL/A-EG bestimmten Ausschlussnormen gehörten damit nicht nur das „Faktum“ der Insolvenz bzw. des Insolvenzantrages und die dadurch entstandene „abstrakte Gefahrenlage“ für den Auftraggeber. Erforderlich sei vielmehr eine – einzelfallbezogene – Prognose zur entfallenen bzw. zur fortbestehenden Leistungsfähigkeit des betroffenen Unternehmens. Es bedürfe einer konkreten Begründung, die über die Schilderung der abstrakten Gefahren einer Insolvenz (unzulängliche Masse, fraglicher Insolvenzplan etc.) hinausgehe und darauf eingehe, worin gerade im Einzelfall die konkrete Gefahr bestehe. Bei längerfristig abzuwägenden Aufträgen müsse dies anders beurteilt werden als bei Verträgen über einmalige Lieferungen – wie hier.

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Anmerkung:
Die Entscheidung, einen Bieter wegen Insolvenz auszuschließen, ist für den öffentlichen Auftraggeber nach wie vor äußerst schwierig. Insbesondere, da das aktuelle Insolvenzrecht die Fortführung und Erhaltung des insolventen Unternehmens gerade fördern soll. Letztlich fordert das OLG, dass es nicht mit formelhaften Erwägungen und pauschalen Verweisen auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens getan ist. Vielmehr muss sich der Auftraggeber im Rahmen seiner Ermessensentscheidung konkret mit dem Einzelfall auseinandersetzen, bevor er als „letztes Mittel“ den Bieter wegen Insolvenz (seines Nachunternehmers) ausschließt.

  Quelle: RA Michael Werner


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