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Chinas Investitionsstrategie: stärkere Reaktion der EU erforderlich, so die EU-Prüfer

18.09.2020

In einer heute veröffentlichten Analyse legt der Europäische Rechnungshof (EuRH) seine Auswertung der vielfältigen – hauptsächlich wirtschaftlichen und politischen – Risiken sowie der Chancen dar, die Chinas staatlich gelenkte Investitionsstrategie für die EU mit sich bringt. Die Prüfer weisen warnend auf mehrere Herausforderungen hin, mit denen die EU bei der Steuerung ihrer Reaktion konfrontiert ist – darunter die Herausforderung, ihre eigene China-Strategie besser festzulegen, umzusetzen und nachzuverfolgen und das Handeln der EU-Organe und der einzelnen Mitgliedstaaten bezüglich der bilateralen Beziehungen zu China zu koordinieren. Sie betonen außerdem, dass die Daten zu chinesischen Investitionen in der EU unvollständig sind und dass Bedarf an einer soliden Bestandsaufnahme der Risiken und Chancen besteht.

Seit den 1980er Jahren betreibt China eine Investitionsstrategie, in deren Rahmen staatseigene und private Unternehmen Anreize erhalten, um in strategische Sektoren im Ausland zu investieren. Die beiden wichtigsten Säulen dieser Strategie sind die "Belt and Road"-Initiative (BRI) im Bereich der Konnektivität und die industriepolitische Strategie "Made in China 2025". Beide zielen darauf ab, das Wirtschaftswachstum und den Einfluss des Landes sicherzustellen. Die EU-Organe haben mehrere Initiativen ergriffen; in der jüngsten aus dem Jahr 2019 ("EU-China – Strategische Perspektiven") wurde ein neuer Ton in Bezug auf die Beziehungen zwischen der EU und China angeschlagen, indem China gleichzeitig als Partner und als systemischer Rivale bezeichnet wird. Außerdem arbeiten die Mitgliedstaaten bilateral mit China zusammen, häufig ihren eigenen nationalen Interessen entsprechend und ohne die Kommission zu informieren, selbst wenn dies vorgeschrieben ist. Bei einem derart fragmentierten Ansatz kann die wirtschaftliche Stärke einer gemeinsam handelnden EU nicht zum Tragen kommen. Vor diesem Hintergrund greifen die Prüfer besondere Herausforderungen für die EU heraus, die ein rechtzeitiges und koordiniertes Handeln in Bereichen betreffen, in denen ein konzertiertes Vorgehen von Vorteil sein könnte – beispielsweise im Bereich der 5G-Sicherheit.

"China ist international zu einem bedeutenden Wirtschaftsakteur aufgestiegen, und die Beziehungen zwischen der EU und China werden sich in den kommenden Jahren sowohl im Alltag als auch wirtschaftlich auf die Bürgerinnen und Bürger der EU auswirken," so Annemie Turtelboom, das für die Analyse verantwortliche Mitglied des Hofes. "Der geopolitischen Verschiebung in wirkungsvoller Wiese zu begegnen, würde eine stärkere China-Strategie der EU und ein gemeinsames Handeln der Mitgliedstaaten mit den EU-Organen als Union voraussetzen."

Chinesische Investitionen in der EU haben in den vergangenen zwei Jahrzehnten zugenommen und können positive Auswirkungen auf die europäische Wirtschaft haben, z. B. die Förderung von Wachstum und Beschäftigung. Diese Investitionen umfassen jedoch strategisch wichtige Sektoren, darunter Energie, Telekommunikation, Häfen und Eisenbahnen. Zudem standen hinter mehr als der Hälfte dieser Investitionen in der EU chinesische staatseigene Unternehmen. Nach den EU-Vorschriften würden solche Zuschüsse, wenn sie von den Mitgliedstaaten gewährt würden, als staatliche Beihilfen behandelt. Diese unterschiedliche Behandlung kann zu Wettbewerbsverzerrungen auf dem EU-Binnenmarkt führen und erschwert der EU die Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen für ihre Unternehmen und Investitionen.

Die Prüfer haben mehrere Elemente ermittelt, die einer Politikgestaltung der Union zu China auf fundierter Grundlage im Wege stehen. Sie weisen darauf hin, dass es schwierig war, sich einen Überblick über die Investitionen zu verschaffen, die Teil der staatlich gelenkten Investitionsstrategie Chinas in der EU sind; dies lag u. a. an fragmentierten und unvollständigen Daten. Bisher haben die EU-Organe außerdem noch keine formalisierte umfassende Analyse der Risiken und Chancen, die sich aus Chinas Investitionsstrategie ergeben, durchgeführt.

Die von den Prüfern zusammengestellten Risiken und Chancen – die erste Zusammenstellung dieser Art – umfassen 18 politische, wirtschaftliche, soziale, rechtliche und ökologische Risiken, darunter eine übermäßige Verschuldung der Mitgliedstaaten gegenüber China oder Unternehmen, die zum Technologietransfer gezwungen sind. Diese Risiken würden sich bei Eintritt negativ auf die Gegenseitigkeit und das Vorhandensein gleicher Wettbewerbsbedingungen auswirken. Darüber hinaus werden drei dieser Risiken (Lücken oder Überschneidungen in der Konnektivitätsinfrastruktur, Schocks für die EU-Lieferketten und Übertragung von Krankheiten) bisher noch nicht durch die laufenden Maßnahmen der Kommission oder des Europäischen Auswärtigen Dienstes abgedeckt. Im Rahmen ihrer Zusammenstellung zeigen die Prüfer auch 13 politische und wirtschaftliche Chancen für die EU auf.

Die Prüfer warnen davor, dass die EU sich zukünftig mit sechs Herausforderungen im Bereich der staatlich gelenkten Investitionsstrategie Chinas konfrontiert sehen wird:
• Bereitstellung vollständigerer und aktuellerer Daten über die Investitionen Chinas in der EU;
• Durchführung einer umfassenden Analyse der Risiken und Chancen;
• bessere Umsetzung ihrer eigenen Strategie – insbesondere der Maßnahmen zur Förderung der Gegenseitigkeit und Vermeidung von wettbewerbsverzerrenden Auswirkungen auf den EU-Binnenmarkt – und Bewältigung der verbleibenden Risiken;
• Bewertung des Finanzierungsbedarfs und Nachverfolgung der Ausgaben;
• -verstärkte Überwachung, Bewertung und Berichterstattung; bessere Koordinierung der Reaktion der EU-Organe und der Mitgliedstaaten.

  Quelle: ECA Press


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