zurück

Das Ende fiktiver Mängelbeseitigungskosten!

12.04.2018

von RA Michael Seitz

Der Besteller, der das Werk behält und den Mangel nicht beseitigen lässt, kann im Rahmen eines Schadensersatzanspruches statt der Leistung (kleiner Schadensersatz) gegen den Unternehmer gemäß § 634 Nr. 4, §§ 281, 280 BGB seinen Schaden nicht nach den fiktiven Mängelbeseitigungskosten bemessen.

Dies hat der BGH unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung mit Urteil vom 22.02.2018 (Az.: VII ZR 46/17) entschieden.

Der Fall: AG beauftragt AN mit der Ausführung von Naturstein- und Fliesenarbeiten im Außenbereich eines Neubaus eines Einfamilienhauses. Die Natursteinarbeiten weisen Mängel auf. AG klagt auf Vorschuss für die Durchführung der Mängelbeseitigung. Während des Berufungsverfahrens veräußert AG das Objekt und stellt seine Vorschussklage auf Schadensersatz in Höhe der fiktiven Mängelbeseitigungskosten um. Das OLG verurteilt AN zur Zahlung auf Basis der von ihm geltend gemachten, fiktiven Mängelbeseitigungskosten ohne Umsatzsteuer und folgt dabei der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.

Die Entscheidung: Und diese Rechtsprechung ändert der BGH jetzt! Auch ein Besteller, der sich dafür entscheidet, dass mangelhafte Werk zu behalten und Schadensersatz statt der Leistung geltend macht, kann dem Grunde nach selbstverständlich Schadensersatz verlangen, soweit er durch den Mangel einen Vermögensschaden erleidet. Dieser sei in Geld zu bemessen und gemäß § 287 ZPO zu schätzen. Der Besteller habe die Möglichkeit, den Schaden dadurch zu beziffern, dass er den tatsächlichen Wert der Sache mit bzw. ohne Mangel ermittelt. Veräußert er das Objekt, kann er außerdem den konkreten Mindererlös wegen des Mangels geltend machen. Die weitere, bisher in der Rechtsprechung anerkannte Alternative, Schadensersatz in Höhe der fiktiven Mängelbeseitigungskosten zu verlangen, auch wenn diese den Minderwert im Vermögen des Bestellers übersteigen, gibt der BGH nunmehr auf. Das Vermögen des Bestellers sei im Vergleich zu einer mangelfreien Leistung nicht um den Betrag in Höhe solcher fiktiver Mängelbeseitigungsaufwendungen vermindert. Der Aufwand einer Mängelbeseitigung hänge von verschiedenen Umständen ab und könne die Vergütung, mit der die Parteien das mangelfreie Werk bewertet haben, deutlich übersteigen. Dieser Gesichtspunkt einer „Überkompensation“ hat bereits in der früheren Rechtsprechung des BGH dazu geführt, dass eine Ersatzpflicht für die Umsatzsteuer der fiktiven Mängelbeseitigungskosten nicht zuerkannt wurde (weil AG die Mängelbeseitigung ja gar nicht durchführen lässt). Nach diesem Gedanken sei der dem Besteller zustehende Ausgleich für das mangelhafte Werk auch im übrigen daran zu orientieren, ob er die Mängel beseitigen lässt oder nicht. Sieht er davon ab, kann er gemäß § 634 Nr. 3, § 638 BGB mindern. Diese Wertung sei auch für den kleinen Schadensersatzanspruch zu berücksichtigen, denn der Besteller soll durch seine Wahl nicht schlechter gestellt werden als bei der Minderung. An seiner früheren Rechtsprechung, das die Berechnung der Minderung regelmäßig auch durch Abzug der fiktiven Mängelbeseitigungskosten erfolgen könne, hält der Senat ausdrücklich ebenfalls nicht fest. Außerdem stellt der BGH fest, dass dies alles auch für den VOB/B-Vertrag gelten soll.

Hauptgeschaeftsfuehrung_Seitz.JPG

Fazit: Die Berechnung des so genannten „kleinen“ Schadensersatzanspruches nach den fiktiven Kosten der Mängelbeseitigung war für Bauunternehmer seit jeher ein Ärgernis, sein Ende kann man daher nur begrüßen. Einer der ehernen Grundsätze des deutschen Schadensersatzrechts ist es, dass der Geschädigte nach dem Ersatz des Schadens nicht schlechter, aber auch nicht besser stehen soll als vor dem schädigenden Ereignis. Vor diesem Hintergrund erkennt der BGH jetzt an, dass die Zuerkennung der fiktiven Mängelbeseitigungskosten dann, wenn der Geschädigte den Mangel gar nicht beseitigen lässt, zu einer „Überkompensation“ führen kann, der Geschädigte steht also nach dem schädigenden Ereignis besser als zuvor. Insgesamt dürfte es durch diese Rechtsprechung für den Auftraggeber deutlich schwieriger werden, sich an vom Unternehmer produzierten Mängeln dadurch zu bereichern, dass er über den Schadensersatz die (fiktiven) Mängelbeseitigungskosten ersetzt verlangt, obwohl er den Schaden tatsächlich gar nicht beseitigen lässt. Ganz nebenbei „kippt“ der BGH auch die bisher gängige Praxis, den Betrag der Minderung nach der Höhe der (fiktiven) Mängelbeseitigungskosten zu bemessen. Das Urteil kann daher für die zukünftige Schadensberechnung bei Mängeln kaum überschätzt werden, es hat Grundsatzcharakter.

  Quelle:


Gratis Gastzugang

Submissions-Anzeiger | Tageszeitung-Ad

Aktuelles
Seminarangebot

Baurecht- und Vergabeseminare