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Das Zuschlagskriterium „kürzeste Bauzeit“ ist ohne Konkretisierung unzulässig!

14.04.2015

Die Vergabekammer (VK) Sachsen-Anhalt hat mit Beschluss vom 09.07.2014 – 3 VK LSA 67/14 – u. a. Folgendes entschieden:

• Die Vorgabe des Auftraggebers, dass das Angebot mit der kürzesten Bauzeit die höchste Punktzahl erreicht, hat weder einen fassbaren Inhalt noch einen konkreten Sachverhaltsbezug und ist daher als Zuschlagskriterium „Bauzeit“ für die Wertung nicht anwendbar.

• Untaugliche Zuschlagskriterien dürfen nachträglich nicht konkretisiert und erst recht nicht geändert werden.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte für den Neubau einer Sporthalle das Los „Heizung / Lüftung / Sanitär“ national öffentlich ausgeschrieben. Als Ausführungszeitraum war der 28.07.2014 bis 14.11.2014 vorgesehen. Den Bietern war eine Bewertungsmatrix für die Zuschlagskriterien übergeben worden, wonach dem Zuschlagskriterium „Preis“ eine Gewichtung von 70 % und dem Zuschlagskriterium „Bauzeit“ eine Gewichtung von 30 % zukam. Innerhalb der Bewertung des Kriteriums „Preis“ erhielt das Angebot mit dem niedrigsten Preis, innerhalb der Bewertung des Kriteriums „Bauzeit“ das Angebot mit der kürzesten Bauzeit jeweils die maximal erreichbare Punktzahl. In den Vergabeunterlagen erfolgte keinerlei Erklärung, wie die Verkürzung der Bauzeit durch die Bieter nachzuweisen und wie die kürzeste Bauzeit zu definieren sei. Bieter A, der den niedrigsten Preis anbot, belegte unter Berücksichtigung der Zuschlagskriterien „Preis“, „Bauzeit“ und „soziale Belange“ Rang 4. Er rügte daraufhin das nicht nachvollziehbare Wertungsergebnis und erhielt vom AG ein das Bewertungsprozedere erläuterndes neunseitiges Schreiben. Erst aus diesem Schreiben wurde ersichtlich, dass die zugrunde gelegte verkürzte Bauzeit auf den Angaben der Bieter aus zwei Formblättern ihrer jeweiligen Angebote basierte. Bieter A stellte daraufhin Nachprüfungsantrag.

Die Vergabekammer hebt das gesamte Verfahren auf, da die Auswahl des Zuschlagskriteriums „Bauzeit“ durch den AG fehlerhaft sei und dadurch keine objektive Zuschlagserteilung erfolgen könne. Hier sei sowohl in der Bekanntmachung als auch in den Besonderen Vertragsbedingungen ein Ausführungszeitraum vertraglich festgelegt worden. Die bloße Vorgabe, dass das Angebot mit der kürzesten Bauzeit die höchste Punktzahl erreiche, habe hier weder einen fassbaren Inhalt noch ein konkreten Sachverhaltsbezug und sei daher mit dieser unkonkreten Formulierung als Zuschlagskriterium „Bauzeit“ absolut unanwendbar. Dies stelle einen Verstoß gegen das Transparenzgebot gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A dar. Dadurch hätten die Bieter keine Möglichkeit, das Zuschlagskriterium „Verkürzung der Bauzeit“ auf ihr Angebot auszurichten und anzubieten. Für die Bieter sei weder die Grundlage des Nachweises der Verkürzung der Bauzeit erkennbar, noch welche Auswirkungen sich dadurch auf die vorgegebene vertragliche Bauzeit ergäben.

Ein transparentes diskriminierungsfreies Vergabeverfahren setze die strikte Beachtung der veröffentlichten Bewertungsmatrix voraus. Zusätzliche, in den Vergabeunterlagen nicht geforderte Erläuterungen oder Detaillierungen könnten bei der Angebotswertung nicht berücksichtigt werden. So sei es auch unzulässig, hier die eigenen Stundenangaben der Bieter aus den Formblättern als Grundlage für die Bewertung der kürzesten Bauzeit zu nehmen, zumal die Bieter davon nicht hätten ausgehen können und alle Angaben aus diesen Formblättern außerdem nicht Vertragsbestandteil würden. Solche untauglichen Zuschlagskriterien dürften jedoch auch nachträglich nicht konkretisiert und erst recht nicht geändert werden. Sollte hier der AG an diesem Kriterium festhalten wollen, müsse er das Vergabeverfahren auf den Stand vor Angebotsabgabe zurückversetzen und so nachbessern, dass das Kriterium „Bauzeit“ erfüllbar werde.

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RA Michael Werner

Partner in der Kanzlei
ZIRNGIBL LANGWIESER
Rechtsanwälte Partnerschaft mbB

Haus Cumberland
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E-Mail: M.Werner@zl-legal.de
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Anmerkung:
Grundsätzlich ist die Bauzeit (Ausführungsfrist) durchaus ein zulässiges Wertungskriterium (siehe z.B. § 16 Abs. 6 Nr. 3 VOB/A). Allerdings muss diese Ausführungsfrist klar definiert werden bzw. allen Bietern von vornherein verständlich sein, wie der AG die Bauzeit konkret bewertet. Dies muss der AG in der Vergabebekanntmachung angeben, d.h. konkret die Zuschlagskriterien bzw. Unterkriterien für alle Bieter transparent und nachvollziehbar machen.

  Quelle: RA Michael Werner


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