zurück

Deliktische Haftung trotz Verjährung?!

10.06.2021

Von Ra Michael Seitz

Werden durch undicht ausgeführte Installationsarbeiten an Wasserleitungen andere Teile des Gebäudes (Wände, Bodenplatte und Fußböden) durchfeuchtet, so besteht gegen den Installateur ein deliktischer Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB, wenn der entstandene Schaden und der Mangelunwert nicht deckungsgleich sind.

Das hat der BGH mit Urteil vom 23.02.21 (Az.: VI ZR 21/20) entschieden.

Der Fall: Der Sanitärunternehmer AN führt im Jahr 1995 bei der Neuerrichtung einer Sporthalle Installationsarbeiten an Wasserrohren aus. Die Arbeiten werden auch 1995 abgenommen. Im Jahr 2009 treten Feuchtigkeitsschäden in den Wänden, Decken und der Bodenplatte der Sporthalle auf, weil die Installationsarbeiten mangelhaft ausgeführt wurden. Der Gebäudeversicherer des AG macht gegen den Sanitärunternehmer Schadensersatzansprüche wegen der Durchnässung von Wänden, Bodenplatte und Fußböden in Höhe von rund 200.000,00 Euro geltend. Landgericht und OLG weisen die Klage ab mit der Begründung, der Mangelunwert decke sich mit dem erlittenen Schaden am Eigentum (an der Sporthalle).

Das Urteil: Dieser Betrachtung erteilt der BGH eine Absage! Das Deliktsrecht habe anders als die vertraglichen Gewährleistungspflichten nicht den Schutz des Nutzungs- und , d. h. den Schutz des Interesses des Auftraggebers daran, eine mangelfreie Sache zu erhalten, im Auge, sondern vielmehr das sogenannte Integritätsinteresse, also das Interesse des Bauherrn daran, dass sein sonstiges Eigentum nicht beschädigt wird. Sei daher der geltend gemachte Schaden mit dem Unwert, welcher der Mangelhaftigkeit der Sache von Anfang an anhaftet, nicht deckungsgleich, so bestehe neben dem (hier verjährten) vertraglichen Gewährleistungsanspruch auch ein deliktischer (also gesetzlicher) Anspruch. Ist der Mangel behebbar und zunächst nur auf einen Teil der Sache beschränkt, führt er jedoch später zur Zerstörung der Sache oder von Teilen derselben, so hat dieser von dem Mangel zunächst nicht erfasste Teil einen eigenen Wert und deckt sich also nicht mit dem durch die Mangelhaftigkeit der Sache erlittenen Schaden. Dabei kommt es nach dem BGH auch nicht darauf an, dass es sich bei der Neuerrichtung der Sporthalle um eine Gesamtbaumaßnahme handele, ebenso wenig ist maßgebend, ob die Undichtigkeiten zwangsläufig zur Beschädigung der anderen Bauteile führen. Daher gelte die zehnjährige Verjährungsfrist gemäß § 199 Abs. 3 S. 1 BGB. Zudem sei der Schadensersatzanspruch nicht etwa schon mit der Installation der (mangelhaften) Leitungen entstanden, sondern erst mit Eintritt des Schadens an den umliegenden Bauteilen.

Michael Seitz_1.jpg

Fazit: Die hier von dem für das Deliktsrecht zuständigen 6. Zivilsenates BGH vertretene Auffassung, dass neben den vertraglichen Ansprüchen auf deliktische Ansprüche bestehen können, wenn der Mangelunwert und der entstandene Schaden nicht deckungsgleich sind, ist nicht neu. Der Senat verweist auf eine Vielzahl von vorangegangenen Entscheidungen. Gleichwohl hat die Entscheidung weitgehende Implikationen: Während die verschuldensunabhängige Haftung des Unternehmers für den Mangel spätestens nach fünf Jahren (und – sofern vereinbart – einigen Monaten) verjährt, besteht die deliktische Haftung fort und verjährt erst nach zehn Jahren, und zwar nicht etwa berechnet von der Abnahme der Leistung an, sondern vielmehr von der Entstehung des Schadens an. Dies bedeutet zum einen – wie der hiesige Fall anschaulich zeigt – dass die deliktische Haftung des Auftragnehmers noch viele Jahre fortbestehen kann, und zwar insbesondere dann, wenn – wie hier – der Schaden nicht etwa bereits bei Abnahme eintritt bzw. eingetreten ist, sondern erst Jahre später. Denn für diesen gesetzlichen Anspruch ist nicht etwa auf den Zeitpunkt der Abnahme, sondern auf den Zeitpunkt der Schadensentstehung an den weiteren Gebäudeteilen abzustellen. Zum anderen bedeutet dies, dass zwischen dem Geschädigten und dem Schädiger keine vertraglichen Beziehungen bestehen müssen, es also auf diese Weise zu einer Art „Durchgriffshaftung“ auch auf Nachunternehmer kommen kann. Voraussetzung für einen solchen gesetzlichen Anspruch ist allerdings stets zum einen das Verschulden des Auftragnehmers, welches allerdings bei einer mangelhaften Leistung regelmäßig gegeben sein dürfte. Zum anderen setzt der Anspruch die fehlende Deckungsgleichheit zwischen Mangel und Schaden voraus, was allerdings im Einzelfall nicht immer leicht festzustellen sein dürfte. Die Voraussetzung des Verschuldens führt allerdings dazu, dass der Schaden regelmäßig auch von der Haftpflichtversicherung des Auftragnehmers (wie alle Mangelfolgeschäden) gedeckt sein dürfte. Bauunternehmer sollten allerdings mit ihrer Haftpflichtversicherung klären, ob derartige Schäden dann auch nach Jahren tatsächlich noch gedeckt sind.

  Quelle:


Gratis Gastzugang

Submissions-Anzeiger | Tageszeitung-Ad

Aktuelles
Seminarangebot

Baurecht- und Vergabeseminare