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Der Auftraggeber trägt das (Mehr-) Mengenrisiko !

01.09.2015

Von RA Michael Werner

Das OLG Frankfurt hat mit Urteil vom 03.05.2013 – 24 U 19/12 -, das wegen Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch den BGH vom 21.05.2015 – VII ZR 169/13 – rechtskräftig geworden ist, Folgendes entschieden:

• Dass sich bei der Auskofferung der Baugrube ein größerer Aushub als der „am grünen Tisch“ berechnete ergibt, ist nicht ungewöhnlich.

• Vereinbaren die Parteien eines Bauvertrags eine Abrechnung nach tatsächlich gelieferten Mengen, trägt der Auftraggeber das sog. (Mehr-) Mengenrisiko.

• Der Auftraggeber kann die vom Auftragnehmer abgerechneten Mengen nicht bestreiten, wenn er diese zuvor durch die Unterzeichnung der Lieferscheine bestätigt hat.

Ein Bauunternehmer (AN) fordert vom Bauherrn (AG) restlichen Werklohn für die Lieferung und den Einbau von Flüssigboden. Nach dem VOB/B-Vertrag schuldete der AN dem AG die Verfüllung von Rohrgräben auf dem Gelände des AG. Der Vertrag sah zum einen eine Rohrüberdeckung von mindestens 20 cm mit einer Toleranz von +/-10 cm und zum anderen einen Anschluss an das (unterschiedliche) Geländeniveau vor. Das erstinstanzliche LG hatte der Klage des AN auf Zahlung von ca. EUR 112.000 im Wesentlichen stattgegeben. Dagegen wandte sich der AG mit dem Einwand, der AN habe zu viel Flüssigboden eingebracht und ihm damit Mehrmengen gegenüber dem LV aufgedrängt bzw. abgerechnet.

Das OLG weist die Berufung des AG zurück und gibt – wie das vorinstanzliche LG – dem AN Recht. Die Parteien hätten hier eine Abrechnung nach tatsächlicher Leistungserbringung vereinbart. Sie seien dabei – naturgemäß – für die zu erbringende Leistung von einer Berechnung der erforderlichen Füllmengen aufgrund des „am grünen Tisch“ gezeichneten Grabenprofils ausgegangen. Dass sich demgegenüber bei der Auskofferung ein größerer Aushub als der eigentlich notwendige ergebe – dem eine größere Wiederverfüllmenge entspreche –, sei bei jeder Baugrube unschwer zu erkennen. Dass dem auch vorliegend – bei sandigem Boden – so gewesen sei, ergebe sich zwanglos bereits daraus, dass der AG – der selbst den gegenüber dem Plan vergrößerten Graben herstellte - versucht habe, die „Weiterungen“ durch entsprechende nachträgliche Schalungen wieder einzudämmen. Somit sei festzustellen, dass der AG die Vergrößerung des Grabenquerschnitts gegenüber dem planerischen Regelquerschnitt und die damit einhergehenden größeren Wiederverfüllmengen zu verantworten habe. Dieser Sachverhalt sei hier beiden Parteien auch frühzeitig bewusst gewesen, wie eine Anzeige des AN unter Bezugnahme auf vorherige Baubesprechungen zeige. Darin weise der AN ausdrücklich darauf hin, dass aufgrund des erheblichen Mehrverbrauchs an Füllmaterial das Vertragssoll in Kürze erreicht werde; er habe daher wahlweise eine Vertragsbeendigung oder Weiterbelieferung und -berechnung der danach erforderlichen Mehrmengen angeboten. Wenn der AG unter diesen Umständen weiterhin zur Fertigstellung erhebliche weitere Leistungen des AN in Anspruch nehme und diese durch Unterzeichnung der Lieferscheine bestätige, liege in seinem nachträglichen Bestreiten bei entsprechender Leistungserbringung ein Verstoß gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens. Hier habe der AG außerdem dem AN zur Herstellung des Verfüllmaterials auch weiterhin Strom, Wasser und Aushubmaterial zur Verfügung gestellt und Lieferscheine unterzeichnet.

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RA Michael Werner

Partner in der Kanzlei
ZIRNGIBL LANGWIESER
Rechtsanwälte Partnerschaft mbB

Haus Cumberland
Kurfürstendamm 194
D - 10707 Berlin
E-Mail: M.Werner@zl-legal.de
www.zl-legal.de

Anmerkung:
Die Entscheidung des OLG entspricht für den VOB/B-Vertrag im Wesentlichen der Regelung in § 2 Abs. 2 VOB/B. Danach hängt die Vergütung davon ab, welche Massen und Mengen zur Herstellung des versprochenen Werks erforderlich und aufgewendet worden sind. Nach der Rechtsprechung hat dafür die Darlegungs- und Beweislast der Unternehmer. Zum o.g. Urteil besonders hinzuweisen ist, dass die Aussage in Nr. 3 des Urteilstenors nicht bedeutet, dass die Unterzeichnung von Lieferscheinen automatisch ein Anerkenntnis des Auftraggebers darstellt. Da die Unterzeichnung von Liefer- wie Stundenzettel allerdings die Beweisführung erheblich erleichtert, ist dem ausführendem Unternehmen grundsätzlich zu raten, sich auf jeden Fall Stundenzettel und Lieferscheine vom Auftraggeber abzeichnen zu lassen.

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