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Der Beurteilungsmaßstab für die Angebotswertung ist vorab bekanntzugeben!

16.02.2016

von RA Michael Werner

Die Vergabekammer (VK) Lüneburg hat mit Beschluss vom 09.10.2015 – VgK-39/2015 – Folgendes entschieden:

• Der Auftraggeber darf der Wertung der Angebote nur solche Kriterien zugrunde legen, die er in der angewendeten Form den Bietern zuvor mitgeteilt hat.

• Der Auftraggeber hat den Bietern offenzulegen, nach welchen Kriterien die Punkte der Bewertungsmatrix vergeben werden. Wird ein solcher Beurteilungsmaßstab für die Bewertungsmatrix erst erstellt, nachdem alle Angebote vorliegen, ist das vergaberechtswidrig.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte die Durchführung von Sicherheitskontrollen auf einem Verkehrsflughafen europaweit nach der Sektorenordnung ausgeschrieben. Als Zuschlagskriterien waren Preis und Qualität der Leistung mit gleicher Gewichtung festgelegt. Das Wertungskriterium „Qualität“, aufgeteilt in die Kategorien „Personal“ und „Unternehmensleistungsstärke“, führte diverse Unterkriterien auf, die jeweils mit einer Höchst-, teilweise auch mit einer Mindestpunktzahl belegt waren. Konkretere Angaben, unter welchen Voraussetzungen bestimmte Punktzahlen erreicht werden konnten, enthielten die Vergabeunterlagen nicht. Daneben wurden mehrfach Eignungs- und Zuschlagskriterien miteinander vermengt. Letztlich sollte dasjenige Unternehmen den Zuschlag erhalten, das den höchsten Punktwert erreichte. Im Rahmen der Angebotswertung hatte der AG die vergebenen Punkte in einer - dem Vergabevermerk als Anlage beigefügten - Wertungstabelle ohne weitere Begründung zusammengefasst. Der mit seinem Angebot erfolglos gebliebene Bieter A rügte gegenüber dem AG sowohl die unzulässige Vermengung von Eignungs- und Zuschlagskriterien als auch die unterlassene Offenlegung der konkreten Wertungsmaßstäbe. Da der AG der Rüge nicht abhalf, stellte er Nachprüfungsantrag.

Die VK gibt A teilweise Recht. Hinsichtlich der Vermengung von Eignungs- und Zuschlagskriterien sei sein Nachprüfungsantrag präkludiert (verspätet); sein Nachprüfungsantrag diesbezüglich daher unzulässig. Der im Übrigen zulässige Nachprüfungseinwand sei jedoch begründet, weil der AG hier gegen § 20 SektVO verstoßen habe, indem er bei der Wertung Kriterien in einer Weise angewandt habe, die aus den mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe übersandten Vergabeunterlagen nicht erkennbar gewesen seien und er von den bekannt gegebenen Wertungskriterien abgewichen sei. Gemäß § 20 Abs. 1 SektVO hätten die Auftraggeber die Unternehmer anhand objektiver Kriterien auszuwählen, die allen interessierten Unternehmen zugänglich sein müssten. Dies sei hier nicht der Fall gewesen. Der AG habe den Bietern den eigenen Erwartungshorizont nicht vermittelt. Der AG habe die Angebote anhand einer Bewertungsmatrix bewertet, deren Bewertungskriterien erst nach Eingang aller Angebote anhand eines bestimmten Angebots erstellt worden sei. Damit sei es den Anbietern nicht möglich gewesen, die Angebote unter Berücksichtigung der vorgegebenen Bewertungskriterien optimal auszugestalten. Den Bietern sei nicht klar erkennbar gewesen, ob die jeweilige höchste Punktzahl für die qualitativen Kriterien für ein Angebot erteilt werde, welches bestimmte objektive Werte erfülle oder aber, ob jeweils das Angebot mit der höchsten qualitativen Leistung die höchste Punktzahl erhalte und danach abgestuft werde. Der AG hätte mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe den Bietern nicht nur die Wertungskriterien mit der vorgesehenen Punktzahl übersenden dürfen. Vielmehr hätte er diese Bewertungsmatrix erläutern müssen, indem er den Anbietern jeweils aufzeigte, für welche objektive oder relative Leistung die höchste Punktzahl und für welche Leistung die Mindestpunktzahl vergeben werde, die erforderlich sei, um nicht ausgeschlossen zu werden. Daneben habe der AG gegen das in § 32 SektVO enthaltene Dokumentationsgebot verstoßen, da seine Dokumentation im Vergabevermerk unzureichend sei. Die Wertungsentscheidung im Vergabevermerk beinhalte keinen inhaltlichen Zusammenhang zur beigefügten Bewertungsmatrix, konkret sei nicht erkennbar, warum welches Angebot in welchen Kategorien wieviele Punkte erhalten habe. Dies sei aber vergaberechtswidrig.

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RA Michael Werner

Partner in der Kanzlei
ZIRNGIBL LANGWIESER
Rechtsanwälte Partnerschaft mbB

Haus Cumberland
Kurfürstendamm 194
D - 10707 Berlin
E-Mail: M.Werner@zl-legal.de
www.zl-legal.de

Anmerkung:
Unabhängig davon, ob – wie hier durch die Vergabekammer – auf § 20 SektVO oder bei der Bekanntgabe und Gewichtung von Zuschlagskriterien auf § 29 Abs. 4 SektVO abgestellt wird, bleibt Folgendes festzuhalten: Der AG muss in der Bekanntmachung oder spätestens in den Vergabeunterlagen den konkreten Maßstab für die Anwendung der Zuschlagskriterien angeben bzw. bei Verwendung einer Bewertungsmatrix von vornherein den konkreten Maßstab für seine Punktevergabe angeben. Sonst verstößt er – wie hier – gegen § 29 Abs. 4 SektVO und verhält sich eindeutig vergaberechtswidrig.

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