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Der Einfluss von Lastannahmen auf die Ausführungsqualität

05.08.2021

Voraussetzung für nachhaltigen Kanalbau

Innerhalb der RAL-Gütesicherung Kanalbau führen die vom Güteausschuss beauftragten Prüfingenieure regelmäßige Baustellenbesuche bei Gütezeicheninhabern durch. Gegenstand der Besuche von Maßnahmen in offener Bauweise ist die Prüfung der Qualifikation des Unternehmens auf der Baustelle und, ob eine fachgerechte Bauausführung und Einhaltung der Technischen Regeln vorliegt und somit die Voraussetzungen für eine Einhaltung der prognostizierten Nutzungsdauer des Bauwerks gegeben ist. Voraussetzung hierfür ist ein für den konkreten Einzelfall zutreffender statischer Nachweis des Rohr-Boden-Systems und dass die Einbaubedingungen und Lastannahmen auf der Baustelle (Bettung, Verfüllung usw.) den Annahmen aus der Rohrstatik entsprechen und eingehalten werden.

Regelwerk gibt alles vor
Der Einbau von Abwasserkanälen und -leitungen ist durch DIN EN 1610 „Einbau und Prüfung von Abwasserleitungen und -kanälen” auf europäischer Ebene geregelt; im Arbeitsblatt DWA-A 139 werden darauf aufbauend ergänzende Details beschrieben. Zusätzlich sind für verwendete Werkstoffe die zugehörigen Herstelleranleitungen zu beachten. Nach DIN EN 1610, Abschnitt 4.2, gilt: „Die Ausführung der Arbeiten muss in der Weise kontrolliert werden, dass die Entscheidungen, die sich aus den Planungsunterlagen ergeben, eingehalten oder an die veränderten Bedingungen angepasst sind“. Gemäß Arbeitsblatt DWA-A 139 muss das Tragwerksystem Rohr/Boden vorhandene und zukünftige Belastungen mit ausreichender Sicherheit aufnehmen können.

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Einfluss der Bodenart auf die Rohrbelastung.

Deshalb müssen die auf Abwasserleitungen und -kanäle einwirkenden statischen und dynamischen Lasten schon bei der Planung festgelegt werden. Dazu gehören auch Belastungen aus Bauzuständen, die für die Bemessung bestimmend sein können. Hinzu kommt: Das Tragwerksystem Rohr/Boden muss vor der Bauausführung definiert und nachgewiesen, bzw. in Art und Ausführung vorgegeben sein. Darüber hinaus müssen die statischen Nachweise der Rohre (siehe ATV-DVWK-A 127) und der Sicherung der Baugrube (siehe DIN 4124) vorliegen und auf der Baustelle inhaltlich bekannt sein. Die in der Rohrstatik genannten Lastannahmen sind Grundlage für die Ausführung auf der Baustelle und somit auch prüfrelevante Daten, die der Prüfingenieur zur Beurteilung der Bauausführung berücksichtigt.

Durch den Planer ist das Tragwerkssystem Rohr/Boden vorzugeben, und es sind die für die statische Berechnung maßgebenden Randbedingungen der Baumaßnahme im Objektfragebogen zu benennen (ATV-DVWK-A 127, S. 41). Die statische Berechnung wird dann in der Regel durch den Rohrhersteller auf dieser Basis sowie der Rohr-Kenngrößen erstellt. Während der Ausführung muss geprüft werden, ob die tatsächlichen Randbedingungen auf der Baustelle den Annahmen in der Statik bzw. im Objektfragebogen entsprechen.

Bodenart und Verkehrslast
Im Arbeitsblatt ATV-DVWK-A 127 sind die Böden in Hinblick auf ihre Eigenschaften für die statische Berechnung in vier Gruppen eingeteilt (Kurzzeichen nach DIN 18 196) – siehe Tabelle 1. Außerdem werden die Rohrleitungen durch die Verkehrslasten beansprucht. Für deren Berechnung verwendet der Statiker sogenannte Regelfahrzeuge mit genormten Abmessungen und Gewichten. Darüber hinaus sind die Verkehrslasten unter Baustellenbedingungen (z. B. geringe Überschüttung) zu beachten.

Einbettungsbedingungen
Die Einbettungsbedingungen berücksichtigen die Einflüsse aus der Einbettung des Rohres in der Leitungszone. Die Definition der diesbezüglichen Einbettungsbedingungen B1 bis B4 entspricht sinngemäß den Überschüttungsbedingungen A1 bis A4, also:

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Einfluss der Überschüttungsbedingungen auf die Rohrbelastung.

• B1: Lagenweise gegen den gewachsenen Boden bzw. lagenweise in der Dammschüttung verdichtete Einbettung (ohne Nachweis des Verdichtungsgrades); gilt auch für Trägerbohlwände (Berliner Verbau).

• B2: Senkrechter Verbau innerhalb der Leitungszone mit Kanaldielen, die bis zur Grabensohle reichen und erst nach der Verfüllung und Verdichtung gezogen werden. Verbauplatten und -geräte unter der Voraussetzung, dass die Verdichtung des Bodens nach dem Ziehen des Verbaus erfolgt.

• B3: Senkrechter Verbau innerhalb der Leitungszone mit Spundwänden oder Leichtspundprofilen und Verdichtung gegen den Verbau, der bis unter die Grabensohle reicht.

• B4: Lagenweise gegen den gewachsenen Boden bzw. lagenweise in der Dammschüttung verdichtete Einbettung mit Nachweis des nach ZTVE-StB erforderlichen Verdichtungsgrades (nicht anwendbar bei Böden der Gruppe G4). Die Auswirkungen bezüglich des Auflagerwinkels sind in Tabelle 3 dargestellt.

Überschüttungsbedingungen
Bei der Grabenverfüllung oberhalb der Leitungszone werden vier Überschüttungsbedingungen unterschieden (A1 bis A4), die im Wesentlichen vom gewählten Grabenverbau abhängig sind – siehe Tabelle 2. Auch die Grabenform beeinflusst die Belastung des Rohres. Das Arbeitsblatt ATV-DVWK-A 127 unterscheidet verschiedene Grabenformen. Zur rechnerischen Abschätzung der Lasterhöhung infolge Unterrammung wird auf den Arbeitsbericht „Berechnungsansätze für die Rohrbelastung im Graben mit gespundetem Verbau“ verwiesen. Beim Einbau von Abwasserrohren in einem Stufengraben steigt der Einfluss auf die Rohrbelastung mit der Höhe der Stufe im Verhältnis zum Rohrdurchmesser. Durch eine größere Setzung auf der Seite des tieferliegenden Rohres stellt sich eine verstärkte Lastumlagerung auf das höher liegende Rohr ein. Dieser Lastumlagerungseffekt tritt auch dann ein, wenn das untere Rohr vorher in einem eigenen Graben separat eingebaut wurde und das obere Rohr etwas später in einem neuen Bauabschnitt eingebaut wird.

Rohrwerkstoff
Je nach Zusammenwirken von Rohrsteifigkeit und Bodenverformung werden Rohre als biegesteif oder biegeweich bezeichnet. Biegesteif sind Rohre, bei denen die Belastung keine wesentlichen Verformungen hervorruft und damit keine Auswirkung auf die Druckverteilung hat. Biegeweich sind Rohre, deren Verformung die Belastung und Druckverteilung wesentlich beeinflusst, da der Boden Bestandteil des Tragsystems ist. Infolge der unterschiedlichen Verformungsfähigkeit des Rohres und des umgebenden Bodens lagern sich die errechneten Bodenspannungen um. Allgemein gilt der Merksatz „Ein steifes Rohr zieht die Lasten an, ein weiches Rohr weicht der Belastung aus.“ Die Druckverteilung am Rohrumfang ist abhängig von der Ausbildung des Auflagers, von der Verfüllung der Leitungszone sowie vom Verformungsverhalten der Rohre. Das Arbeitsblatt ATV-DVWK-A 127 definiert unterschiedliche Auflagerreaktionen oder Lagerungsfälle.

Grabenverbau
Durch Vorgabe der Einbettungs- und Überschüttungsbedingungen wird in der Statik z. B. der Einfluss der Grabensicherung auf die Belastung der Rohre berücksichtigt.

Silowirkung
Die Erdlasten werden als Bodenspannung in der Ebene des Rohrscheitels berechnet. Die möglicherweise entstehenden Reibungskräfte zwischen Grabenverfüllung und Grabenwand können unter bestimmten Randbedingungen zur Entlastung dieser Spannungen führen (horizontaler Erddruck). Sie werden in der statischen Berechnung berücksichtigt und können wesentlich zur Entlastung der Rohre beitragen.

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Einfluss des Auflagerwinkels auf die Rohrbelastung.

Tabs.: Güteschutz Kanalbau

Diese Berechnungsmethode ist jedoch nur ansetzbar, wenn die Grabenwände auf Dauer erhalten bleiben (ATV-DVWK-A 127). In der Praxis kann dies jedoch vom Unternehmen nicht sichergestellt werden, da es zukünftige Bautätigkeiten im Bereich des Kanalgrabens nicht beeinflussen kann. Auch für den Auftraggeber ist eine solche Zusage nur eingeschränkt möglich.

Fazit
Die Bedeutung der im Vorfeld getroffenen Annahmen für die Rohrstatik wird in der Praxis häufig unterschätzt. Nur wenn sichergestellt ist, dass die Eingangsgrößen der Rohrstatik den Gegebenheiten in der Praxis entsprechen, ist die Rohrstatik für die konkrete Maßnahme relevant. Die Übereinstimmung der Annahmen in der Statik mit den tatsächlichen Einbaubedingungen ist daher zu prüfen. Im Rahmen der Eigenüberwachung der Unternehmen mit Gütezeichen Kanalbau RAL-GZ 961 werden Arbeitshilfen zur Verfügung gestellt, mit denen systematisch die Übermittlung der Sollwerte auf die Baustelle, die Dokumentation der Istwerte sowie der Abgleich von Soll/Ist erfolgen kann. So etwa in Form des „Leitfadens für die Eigenüberwachung AK Kanalbau in offener Bauweise“. Darüber hinaus stellt die Gütegemeinschaft Kanalbau den ausführenden Unternehmen eine Arbeitshilfe zur Beurteilung der Randbedingungen und zur Einschätzung erforderlicher, relevanter Angaben zur Verfügung. Die Durchführung der Eigenüberwachung und insbesondere die Kontrolle der Lastannahmen werden durch die Prüfingenieure bei den Baustellenbesuchen innerhalb der RAL-Gütesicherung geprüft.

  Quelle: www.kanalbau.com


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