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Der holzige Ton im Wein

26.07.2012

Bremer stellt als einziger Böttcher in Norddeutschland Barrique-Fässer her

Von Manuela Ellmers

Bremen (dapd-nrd). Ein säuerlicher Geruch von vergorenen Trauben hängt über dem Areal im Bremer Industriehafen. Er strömt aus unzähligen gebrauchten Weinfässern. Alfred Krogemann nimmt diesen Geruch schon gar nicht mehr wahr. Schließlich ist Norddeutschlands einziger Fassmacher damit groß geworden. Denn schon sein Vater führte vor ihm die Fassfabrik, zu deren Kunden nicht nur Winzer zählen.Einer der jüngsten Aufträge kam aus dem Bremer Ratskeller. Dort lagern im sogenannten Apostel-Keller ganz besondere Schätze, die instand gesetzt werden sollten. "Der Ratskellermeister hatte Bedenken, dass einige der alten Fässer kleinere Leckagen haben könnten", erzählt Krogemann. So habe man ihn angesprochen. Krogemann schätzt, dass die Eichenholzfässer, in denen Deutschlands älteste Fassweine ruhen, mehr als 120 Jahre alt sind. "Das ist schon ein sehr, sehr hohes Alter", weiß der Fassmacher aus Erfahrung, "da gibt es immer mal undichte Stellen."Mithilfe der Feuerwehr wurden zunächst drei der betroffenen vier Fässer, die leer 250 Kilo wiegen, aus dem Keller geholt. Der Wein wurde derweil woanders gelagert. Die Gefäße wurden von Krogemann völlig auseinandergenommen. "Ein solches Fass hat zwischen 60 und 70 Einzelteile, die wir alle nummeriert haben, damit wir es später wieder zusammenbauen konnten", erklärt er.

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Foto:David Hecker / dapd

Krogemann trat in die Fußstapfen seines Vaters

Eigentlich wollte der 69-Jährige gar nicht Böttcher werden, sondern lernte Maurer und Bauingenieur. "Als mein Vater dann mal krank wurde, habe ich ausgeholfen und bin dabei geblieben", sagt er und wirkt rückblickend zufrieden mit seiner Entscheidung. "Wir hatten immer schon viel zu tun", betont Krogemann. In den 1950er und 1960er Jahren habe es noch etwa zehn Böttchereien in Bremen gegeben, die wie sein Vater vor allem mit gebrauchten Holzfässern gehandelt und Reparaturen durchgeführt hätten.Damals sei der Wein noch in Transportfässern beispielsweise aus Chile per Schiff nach Bremen gekommen. "Das Ganze hat sich dann in den 1970er Jahren gewandelt, als der Wein bereits auf den Weingütern abgefüllt wurde", berichtet der Fassmacher.Die 1902 gegründete Fassfabrik spezialisierte sich und stellte neue Eichenholzfässer zur Lagerung der Weine her. "Wir haben riesige Mengen nach Holland und insbesondere nach Australien geliefert", erinnert sich der 69-jährige Bremer. Als das Geschäft dort aufgrund amerikanischer Konkurrenz nachgelassen habe, hätten gerade die Winzer in Süddeutschland damit begonnen, gute Weine in kleinen Holzfässern zu lagern. "In Frankreich wurde das schon im Mittelalter gemacht", erzählt Krogemann, der sich im Herbst, wenn in den Weinbaugebieten die Lese beginnt, an die Arbeit macht. Etwa 250 Barrique-Fässer (225 Liter und 310 Liter) fertigt er pro Jahr auf Bestellung.

Fassmacher trinkt selbst keinen Wein

Gut fünf Stunden braucht der Fassmacher bei einer Kleinserie pro Eichengefäß. Dabei werden zuerst einzelne Eichenhölzer, die von außen rundgehobelt und von innen ausgehöhlt sind, mit eisernen Ringen kreisförmig zusammengezogen. Mit Wasserdampf oder Feuer werden die Hölzer weichgemacht und die noch offene Seite mit einer Winde zusammengezogen. Dann werden die halbfertigen Fässer für den späteren Geschmack des Weins ganz nach den jeweiligen Wünschen der Winzer "getoastet": leicht, medium, medium plus oder stark. "Eiche hat Gerbsäure, durch die, wenn man sie richtig feuert, Röst- und Vanillearomen oder holzige Töne entstehen", weiß der Böttcher, der selbst keinen Wein trinkt.Das "Toasten", auch Feuern genannt, dauere etwa eine Stunde. Erst danach werden die Fugen abgedichtet, die Böden zusammengedübelt und eingesetzt. Zum Schluss werden noch die verzinkten Ringe aufgezogen. Um zu prüfen, ob das Fass dicht ist, wird Wasser in das zuvor gefräste Spundloch gegossen.Diesen Test hat Krogemann nach der Reparatur auch bei den 1,70 Meter hohen Fässern aus dem Bremer Ratskeller vorgenommen. Schließlich sollen sie die edlen Fassweine möglichst noch weitere Jahrzehnte bewahren. Ehrfurcht habe er vor den alten Fässern nicht gehabt, aber "man ist stolz auf seine Arbeit, dass so ein Fass wieder hält", gibt Krogemann zu.

  Quelle: dapd


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