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Die Baubranche und das Brückenproblem

13.07.2022

Das Verkehrsministerium schmiedet große Pläne


Am 2. Dezember musste die Autobahngesellschaft des Bundes die Talbrücke Rahmede sperren. Die Talsperre darunter gehört zu einer Reihe von Talsperren entlang der A45, eine der wichtigsten Nord-Süd-Achsen der Republik. Die Brücken seien so marode, dass nur eine neue Brücke helfen könnte. Ob Brücken, das Schienennetz oder Flughäfen: Deutschlands Infrastruktur erleidet gerade einige Schwierigkeiten. Und obwohl Motivation aus der Baubranche da ist, das Problem anzugehen, scheint es an der öffentlichen Hand zu stagnieren.


Politik tut zu wenig


„Wir zählen aktuell neun Brücken-Ausschreibungen“, heißt es in der Bauindustrie. Gemessen an den Aussagen der Autobahn GmbH, künftig 400 Brücken pro Jahr sanieren zu wollen, scheint das nicht viel. „Wir kämen somit auf weit unter 100 Ausschreibungen jährlich“, heißt es ernüchtert. Die Zahlen seien „traurig. Da muss mehr passieren.“
Unternehmen fühlen zunehmenden Frust über die fehlenden Aufträge. Angesichts der gestiegenen Baukosten wird ohnehin de facto schon weniger gebaut. Und auch der Haushaltsentwurf für 2023 sieht keine Abhilfe vor: Ähnlich wie 2022 soll die Autobahngesellschaft 5,5 Milliarden Euro investieren können. Für den Betrieb, die Verwaltung bis hin zu Planungen merkt der Etat gerade einmal 50 Millionen Euro mehr als 2022 vor.
Florian Eck, Geschäftsführer des Deutschen Verkehrsforums, sieht das kritisch. „Die Steigerungen bei Baukosten und Rohstoffpreisen werden im Bundeshaushalt nicht berücksichtigt, ebenso wenig die erwartbar höheren Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst“, sagte er. „Das Modernisierungsziel wird mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf verfehlt.“


Das Brückenproblem


Rahmede ist nur eine von Zigtausenden Brücken in Deutschland, die in den 60er- und 70er-Jahren mit Spannbeton gebaut wurden und die nun zerfressen vom Rost einzustürzen drohen. Bundesweit sind 4000 Brücken in einem ähnlich kritischen Zustand wie die Talbrücke bei Rahmede und müssten zügig saniert werden, wie sich aus den Statistiken des Bundes ergibt.
Angesichts der Dramatik hatte Bundesverkehrsminister Volker Wissing im März zum „Brückengipfel“ geladen: Die Autobahngesellschaft des Bundes, die Bauwirtschaft, aber auch Verbände und Genehmigungsbehörden der Länder waren eingeladen, um ein „Zukunftspaket“ zu schnüren. Der parlamentarische Staatssekretär Oliver Luksic (FDP) berichtete später dem Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages: „Konsens war, dass Erhaltungsmaßnahmen nun konsequent umgesetzt werden müssen.“ Mit neun Maßnahmen sollten Brücken besser kontrolliert und künftig besser geplant und gebaut werden. Warum geht es dann noch immer nicht voran?


Zu wenig Fachpersonal


Wie es in der Branche hieß, hakt es neben den zähen Planungs- und Genehmigungsverfahren vor allem an einem: den fehlenden Fachkräften bei der Autobahn GmbH. Änderung ist kaum in Sicht, erklärt Ingo Rauhut, Arbeitsmarktexperte beim Verband Deutscher Ingenieure (VDI). „Jeder Bauingenieur kann im bundesweiten Durchschnitt zwischen sieben Jobs wählen“, berichtet er.
Und das Verhältnis zwischen offenen Stellen und arbeitslosen Bauingenieuren werde sich weiter verschlechtern. „Angesichts der umfangreichen Klimaschutzmaßnahmen wird der Bedarf weiter steigen und den Fachkräftemangel weiter verschärfen“, prognostiziert Rauhut.
Die Zahl der Studierenden sei zwar stabil. Es gebe aber immer noch zu wenig Absolventen im Vergleich zur Nachfrage. Auch näherten sich die Einstiegsgehälter der Bauingenieure langsam denen anderer Ingenieurberufe an. Entsprechend schwerer werde es aber für eine Bundesgesellschaft, Fachkräfte zu gewinnen. „Die öffentliche Hand kann weder bei den Gehältern noch bei den Karrierechancen mit der Privatwirtschaft mithalten.“


Digitales Bauen und mehr Ausschreibungen


Die große Hoffnung liegt im digitalen Bauen: Alle am Bau Beteiligten arbeiten auf einer Plattform zusammen an einem Projekt, Fehler im Prozess identifiziert Künstliche Intelligenz. Das soll für mehr Effizienz sorgen. Dieser Wandel aber braucht Mut und Zeit. Zeit, die fehlt. Große Brücken auf Autobahnen wie in den Seehafen-Städten Hamburg oder Bremen müssen kurzfristig saniert werden. Ansonsten drohen weitere Vollsperrungen wie in Rahmede, mahnen Experten.


Angesichts des Personalmangels, so hieß es in der Baubranche, wolle die Autobahngesellschaft zunächst nicht mehr nur fertig geplante Brücken ausschreiben. Vielmehr sollen die Bauunternehmen auch Entwürfe einreichen und damit die Brücken gleich planen. So ließen sich die Bauingenieure der Privatwirtschaft nutzen, wie es hieß.


Eine Sprecherin des Verkehrsministeriums erklärte auf Nachfrage, die Autobahn GmbH wolle so die „Innovationskraft der Bauindustrie“ einbinden. Brücken zu modernisieren habe „sehr hohe Priorität“. Es würden 2022 ein Viertel mehr Brücken ausgeschrieben als im Vorjahr. Für 2023 sei von „einer weiteren signifikanten Steigerung auszugehen“. Es liege ein Bauprogramm vor, das „zurzeit von den Experten der einzelnen Niederlassungen nochmals geprüft“ werde.


Verkehrsexperte des Umweltverbands BUND, Jens Hilgenberg, machte bereits im Januar den Vorschlag, alle Neubauprojekte zu stoppen und die vorhandenen, begrenzten Planungskapazitäten zu reservieren, um Brücken und Straßen zu sanieren. Dies plant das Verkehrsministerium allerdings derzeit nicht.

  Quelle: www.handelsblatt.com


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