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Die Sonne sorgt für Energie im Überschuss

13.08.2012

Leben im Effizienzhaus:

Vierköpfige Familie erzeugt eigenen Strom -
Energie-Plus fließt in die Akkus von Elektroautos

Von Sabine Stahl
Die sparsamste Lampe des Hauses hängt im Flur. Der Nachteil der gehäkelten Leuchte ist: Sie spendet kein Licht. Dafür strahlt Jörg Welke, wenn er den Besuchern des Berliner Energie-Überschusshauses in der Fasanenstraße zur Begrüßung das Kunstwerk mit einem Augenzwinkern zeigt. Der Historiker lebt gemeinsam mit seiner Familie in dem futuristisch aussehenden Forschungsgebäude im Stadtteil Charlottenburg, das mehr Energie erzeugt als es verbraucht. Seither ist sein Leben „sehr aufregend geworden“, erzählt er. An die neugierigen Blicke von Passanten hätten sich die vier Bewohner mittlerweile gewöhnt, sagt Welke, als ein Spaziergänger stehen bleibt und bei der Vorführung eines der Elektrofahrräder in der Hauseinfahrt zuschaut. Ebenfalls gewöhnt haben sich die Vier an die Elektroautos vor ihrer Tür. Anfangs hätten es die Kinder Freyja und Lenz noch ziemlich spannend gefunden, die Stromer zum „Tanken“ an die Steckdose zu stöpseln. Mittlerweile gehört es für die beiden jedoch zum Alltag. Der Strom, der die Fahrzeuge antreibt, wird größtenteils vom Effizienzhaus, einem Forschungsprojekt des Bundesverkehrsministeriums und des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik, produziert. Dank einer Wärmepumpe und Photovoltaik-Anlagen auf Dach und Fassade soll das Haus jährlich einen Stromüberschuss von rund 7.250 Kilowattstunden (kWh) erzeugen. Dies soll reichen, um mit einem Elektroauto mittlerer Größe mehr als 42.000 Kilometer im Jahr zu fahren. Allerdings müssen hierfür auch die Elektroautos mitspielen. Und das war bei den Welkes bislang nicht immer der Fall. Bei einer Fahrt von Berlin nach Kassel beispielsweise musste die Familie bei einem Zwischenstopp feststellen, dass die Akkus völlig leer sind und sich nicht mehr laden lassen. Der Fahrzeughersteller musste her und fand heraus, dass der Stecker falsch herum in der Steckdose steckte und die Ladestation nicht richtig funktionierte. Im Stadtverkehr gebe es jedoch keine Probleme, meint Welke. Hier habe er seine „Reichweitenangst“ längst überwunden.

E-Autos speichern und verbrauchen den selbst erzeugten Strom
Für die Zwischenspeicherung von überschüssiger Energie seien Elektroautos ideal, findet Sirri Karabag, der selbst Elektroautos baut und vertreibt. Aber nicht nur das. „Sie sind auch der ideale Energieverbraucher“, meint er. Denn regenerative Energie könne nicht immer dann verbraucht werden, wenn sie zur Verfügung stehe.Wie die intelligente Nutzung regenerativer Energie in der Praxis aussieht, soll eine energieautarke Wohnsiedlung in Norderstedt nahe Hamburg zeigen. Die ersten drei Häuser sollen im November bezogen werden. Zu jedem Haus gehört automatisch ein Elektroauto, dessen Akkus überschüssige Energie speichern und sie bei Bedarf wieder abgeben.

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Foto: Paul Zinken / dapd

Das ständige Be- und Entladen gehe zwar zulasten der Lebensdauer der Batterie. Doch dieser Aspekt ist laut Karabag „marginal“. Wie viel das Wohnen in einem der Häuser kostet, steht laut dem Fachmann bislang noch nicht fest. Ein grober Überblick über die bisherige Energiebilanz des Berliner Effizienzhauses findet sich auf der Internetseite des Bundesverkehrsministeriums. Demnach hat die Photovoltaikanlage von März bis Juli pro Monat 1.250 bis 2.000 kWh erzeugt. Genaue Daten, auch zum Verbrauch, werden erst nach Ablauf eines vollen Jahres veröffentlicht. Das „intelligente“ Haus regelt dank eines Energiemanagementsystems, was mit der selbst erzeugten Energie passieren soll. Hierbei werden beispielsweise Wettervorhersagen sowie geplante Fahrten mit den E-Autos berücksichtigt. Theoretisch könne jedes Gebäude ein kleines Kraftwerk werden, erklärte eine Ministeriumssprecherin. Das Ministerium wolle die Idee des Effizienzhauses weiterentwickeln, damit in Zukunft auch Mietshäuser und somit einzelne Wohnungen von der Technik profitieren können. Jörg Welke würde sich und seine Familie nicht als „Ökos“ bezeichnen. „Aber unsere Freunde würden das wohl tun“, sagt er lachend. So oder so freut sich der Familienvater über seinen Beitrag zum Umweltschutz. „Es ist toll, Strom zu verbrauchen, von dem wir wissen, dass es wirklich Ökostrom ist. Schließlich haben wir ihn selbst produziert“, erklärt er. Die selbst erzeugte Energie dürfe die Familie jedoch nicht davon abhalten, sinnvoll damit umzugehen. „Nur weil es Ökostrom ist, können wir nicht den ganzen Tag den Kühlschrank offen stehen lassen.“

  Quelle: dapd


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