zurück

Die Vision vom Null-Energie-Haus

19.11.2012

Kasseler Bauphysiker tüfteln an Konzepten für energieeffiezentes Bauen

Von Carsten Albert
Bauphysiker Anton Maas hat eine Vision: „Strom kostet nichts mehr.“ So weit, glaubt er, werde es in absehbarer Zeit zwar nicht kommen. Aber wenn die Zahl der „Null-Energie-Häuser“ zunähme, könnte das Erstellen einer Stromrechnung mehr Kosten verursachen als der Stromverbrauch selbst, meint der Kasseler Architektur-Professor. Um dem Verbrauchertraum zumindest näher zu kommen, analysieren und optimieren Maas und sein Team am Zentrum für Umweltbewusstes Bauen (ZUB) Werkstoffkombinationen und technische Innovationen der Gebäudetechnik. Ein „Null-Energie-Haus“, also ein Gebäude, das so viel Strom und Energie selbst erzeugt, wie seine Bewohner verbrauchen, gebe es schon geraume Zeit, sagt Projektleiter Torben Schmitt. Den Forschern gehe es allerdings nicht darum, Einzelobjekte zu realisieren. Vielmehr solle der Einsatz von Baustoffen und technischen Innovationen so optimiert werden, dass sie bald Standard beim Hausbau sein könnten. „Das Potenzial ist hier noch lange nicht ausgeschöpft“, meint der Architekt.

bauphysiker_o.jpg

Foto: Swen Pförtner / dapd

Zwei Millionen Euro Fördermittel vom Bund
An dem Forschungsprojekt Energieoptimiertes Bauen (EnoB) sind die Universität Wuppertal, das Karlsruher Institut für Technologie sowie das Kasseler Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme beteiligt. Der Bund fördert EnoB mit rund zwei Millionen Euro. In ganz Deutschland forschen die Wissenschaftler der involvierten Einrichtungen an rund 90 Objekten, zu denen Neubauten und Bestandsgebäude mit unterschiedlichen Funktionen zählen - von Einfamilienhäusern bis zu Büro- und Industriegebäuden. In die Bauten werden Messsysteme eingebracht, die Daten zu physikalischen Eigenschaften wie Dämmwirkung und „Gerade bei Büro- und Industriegebäuden gibt es großes Einsparpotenzial“, betont Fachbereichsleiter Maas. Ein Einfamilienhaus energieeffizient zu bauen, sei einfach: eine hochgedämmte Außenhülle, eine darauf abgestimmte Heizungsanlage und Photovoltaik (PV)-Anlage aufs Dach. In Büro- und Gewerbekomplexen reiche die zur Verfügung stehende PV-Fläche meist nicht für die Zahl der Verbraucher. Deswegen sei der Forschungsbedarf hier größer.

Autobatterien als Energiespeicher
Hürden erzeugten etwa die notwendigen PV-Flächen, für die es oft nicht genug Platz gäbe. Aber auch die Speicherung der Energie sei diffizil, sagt Maas. Dazu würden beispielsweise in einem Berliner Demonstrationsgebäude Hunderte alter Autobatterien einem Testlauf unterzogen. „Damit an einem kalten Wintertag ein Auto zu starten, würde wohl nicht mehr klappen“, meint der Architektur-Professor Maas. Aber als Speichermedium für Solarenergie seien die recycelten Zellen durchaus brauchbar. Damit würden - wenn die PV-Anlage gerade keinen Strom liefert - elektrische Geräte, Heizung, Lüftung und Warmwasserbereitung betrieben. Daten können die Kasseler Forscher auch am eigenen Institutsgebäude gewinnen. Das ZUB ist zwar kein „Null-Energie-Haus“ - der zehn Jahre alte Bau ist längst nicht mehr Stand der Forschung. Aber das Institutsgebäude ist komplett auf Energieeffizienz getrimmt, mit allerlei technischen Raffinessen. Ein Kühlsystem lasse Wasser zwischen Decken und Erdreich zirkulieren und erzeuge an heißen Sommertagen ein durchaus angenehmes Klima im Haus - trotz der vollverglasten Südfassade. Der Clou: „Die Pumpe zieht gerade einmal 450 Watt“, erklärt Projektleiter Schmitt. Eine konventionelle Klimaanlage würde ein Vielfaches davon verbrauchen.

Behaglicher Komfort
Um im Winter indes die warme Luft im ZUB zu halten und trotzdem Frischluft zuzuführen, steht im Keller ein Wärmetauscher. „Energieverlust hier: 20 Prozent“, erklärt Schmitt. Außerdem sind alle Fenster am Gebäude zur besseren Dämmung dreifach verglast. Beton ist wegen seiner wärmeleitenden Eigenschaft als Tragkonstruktion - bis auf eine architektonische Spielerei - nur im Innern verbaut. Die komplette Außenfassade ist mit Polystyrol verkleidet. Solarzellen auf dem Dach sind obligatorisch. Einziges Manko: „Die ist - wie bei vielen Bürogebäuden - leider zu klein, um den kompletten Bedarf hier zu decken.“ Das ZUB sei ein erfolgreiches Praxisbeispiel für die Vorteile von energieeffizientem Bauen, betont der Projektleiter. „Es bietet behaglichen Komfort.“ Und selbst wenn Strom wahrscheinlich nie kostenlos werde, amortisierten sich wenigstens die Investitionen.

 

  Quelle: dapd


Gratis Gastzugang

Submissions-Anzeiger | Tageszeitung-Ad

Aktuelles
Seminarangebot

Baurecht- und Vergabeseminare