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Digitalisierung wird Zeit und Geld sparen

16.03.2021

Industriestandort Deutschland

Strukturwandel, Digitalisierung und Fachkräftemangel sind heiß diskutierte Themen unserer Wirtschaft. Doch wie akut ist die Lage in Deutschland wirklich? Lesen Sie in diesem Interview die Meinung von Experten, die es wissen. Es sind Gerald Pilotto, Franz Braun und Dr.-Ing. Steffen Simon aus dem Hause der Bilfinger SE, einem Industriedienstleister, der in den Bereichen Petrochemie, Chemie, Pharma sowie Öl und Gas tätig ist.

Interview: Andreas Klose

Die Anzahl an kleineren undmittleren Betrieben sinkt, während die großen Betriebe immer mehr Mitarbeiter haben. Werden irgendwann wenige große Unternehmen den Markt beherrschen, weil die kleinen es nicht geschafft haben, einen Wandel zu vollziehen?

Gerald Pilotto: Große Unternehmen können sich durch ihre internationale Präsenz und hohe Ressourcenverfügbarkeit global vernetzen und in verschiedenen Projekten zusammenarbeiten. Doch auch kleine und mittelständische Unternehmen können von den veränderten Marktgegebenheiten profitieren.

Durch ihre schlanke Struktur sind sie flexibler und können schneller auf Marktveränderungen reagieren. Zwar haben sie oft nicht die strukturellen Ressourcen, sich dem Wandel alleine zu stellen, doch können sie häufig mit frischen Ideen punkten und so ebenfalls Partnerschaften mit größeren Unternehmen eingehen. In unserer Branche werden deshalb künftig weiterhin kleine und große Unternehmen parallel am Markt agieren.

Welchen Stellenwert hatten bislang öffentliche Aufträge für Ihr Unternehmen und wie wird sich dies jetzt entwickeln?

Pilotto: Regional können öffentliche Aufträge bei Bilfinger durchaus eine Rolle spielen, hauptsächlich arbeiten wir aber für internationale Kunden
aus der Industrie.

Länder und Kommunen haben momentan enorme Steuereinbußen. Können wichtige öffentliche Projekte überhaupt im bisherigen Maße weiter durchgeführt werden?

Pilotto: Wir erwarten, dass öffentliche Projekte, vor allem solche in den Bereichen Wärme, Energieeffizienz und Wasserstoff zunehmend an Bedeutung gewinnen. Unter anderem auch, weil die EU und die Bundesregierung Strategien zu Wasserstoffprojekten vorgestellt haben und hohe Fördergelder dafür freigemacht werden.

Wird sich durch die stärkere Nutzung digitaler Medien die Branche ändern?

Franz Braun: Nicht zuletzt die Corona-Pandemie hat uns gezeigt, wie wichtig digitale Medien sind. Auch in der Prozess Industrie nehmen diese einen immer höheren Stellenwert ein. Wer heute in die Digitalisierung eines Unternehmens investiert, spart auf lange Sicht Zeit und Geld: Die Anlagenproduktivität lässt sich erhöhen, die Arbeitssicherheit noch weiter verbessern, Betriebskosten können gesenkt werden. Damit diese datengetriebenen Optimierungen eine nachhaltige und vollumfängliche Wirkung haben, bedarf es aber einer ganzheitlichen digitalen Transformation. Nur so kann das volle Potential der Digitalisierung genutzt werden. Die Bilfinger Tochtergesellschaft Bilfinger Digital Next hat den Anspruch, ihre Kunden in diesem Prozess zu begleiten und so der Digital Frontrunner der Prozessindustrie zu sein.

Blockchain-Technologie und Künstliche Intelligenz sind weitere Entwicklungen, die nach Expertenmeinung Wirtschaft und Politik grundlegend verändern sollen. Sehen sie dieses Potential auch für Ihre Branche?

Braun: Künstliche Intelligenz ermöglicht es uns, innovative Lösungen für die Prozessindustrie zu entwickeln. In dieser Hinsicht hat sie definitiv Potential für unsere Branche. Wir setzen beispielsweise Künstliche Intelligenz bei unserer smarten Software PIDGraph ein, die Anlagendokumente automatisiert in ein digitales Format überführt. Dabei lernt die Software fortlaufend mit und verbessert die Erkennung z. B. von Ventilen mit jedem eingelesenen Dokument.

Viele sehen im Fachkräftemangel ein akutes und steigendes Problem. Hat Ihr Unternehmen Schwierigkeiten, qualifiziertes Personal zu gewinnen?

Steffen Simon: Die Rekrutierung von qualifizierten Fachkräften ist schwieriger geworden. Schülerinnen und Schüler begeistern sich heute beispielsweise nicht mehr so stark für handwerkliche Berufe, da viele Schulabgänger eher ein Studium in anderen Bereichen anstreben. Als führender Industriedienstleister sind wir jedoch ein attraktiver Arbeitgeber mit vielfältigen Weiterentwicklungsmöglichkeiten, gerade auch für gewerbliche Fachkräfte. Dadurch sind wir in der Lage, den Fachkräftemangel in der Industrie zu managen. Zudem bilden wir erfolgreich selbst aus.

Welche Medien benutzt Ihr Unternehmen, um neue Mitarbeiter zu finden?

Simon: Neben unserem Jobportal und unseren Aktivitäten in den sozialen Netzwerken sind wir auch auf verschiedenen Recruiting/Berufs-Messen vertreten, um mit potentiellen Mitarbeitern in Kontakt zu kommen. Im Hinblick auf die Einstellung von Auszubildenden besuchen wir unter anderem verschiedene Ausbildungsbörsen und -messen. Das ist eine gute Möglichkeit, um sich mit künftigen Azubis zu vernetzen. Denn oft haben die Schüler keinen oder unzureichenden Überblick über die vielfältigen Berufsmöglichkeiten und -perspektiven in unserer Branche. Für Interessierte bieten wir zudem Praktikumsmöglichkeiten an. Hier haben sie nicht nur die Möglichkeit Bilfinger kennenzulernen, sondern schnuppern auch in unsere unterschiedlichen und vielfältigen Aufgabenbereiche rein. Im besten Fall kommt es im Anschluss zu einer Zusammenarbeit.

Es werden immer stärker Klagen über die geringe Ausbildungsreife der Jugendlichen laut, die eine Lehrstelle suchen. Können Sie dies bestätigen?

Simon: Es ist in der Tat herausfordernd, qualifizierte und interessierte Auszubildende zu finden. Das liegt unter anderem daran, dass der Schulunterricht die Grundfähigkeiten unseres Berufszweigs nicht in der Tiefe ausreichend reflektiert. Besonders die MINT-Fächer, also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, spielen für eine Tätigkeit in der Industrie eine wichtige Rolle.

Müssen hier die Schulen umdenken bzw. die Lehrpläne überarbeitet werden?

Simon: Teilweise behandeln Schulen den Lehrstoff zu abstrakt und haben zu wenig direkten Praxisbezug. Zudem fehlt sowohl die technische als auch die handwerkliche Ausbildung an den Schulen. Dadurch haben die Schüler keinen mittelbaren Einblick in handwerkliche Techniken. Häufig fehlt den angehenden Schulabsolventen der Überblick über die vielen verschiedenen beruflichen Möglichkeiten und Perspektiven im Industrie-Bereich.

Daher ist es notwendig, das Interesse für ebendiese Jobs zu wecken und zu fördern. Hierbei steht aber nicht allein die Schule in der Verantwortung, sondern auch Eltern, Familie, Freunde und die Unternehmen selbst.

Und was können die Unternehmen bzw. Lehrbetriebe hier leisten?

Simon: Es ist wichtig, bereits zu Beginn der Zusammenarbeit eine Verbindung zwischen den Auszubildenden und dem Unternehmen herzustellen. Immerhin stehen sie am Anfang ihrer Karriere und benötigen ein Netzwerk, in dem sie sich bewegen und entwickeln können. Durch eine intensive Förderung, Vernetzung und Integration der Auszubildenden können solche Netzwerke, warum nicht auch länderübergreifend, entstehen.

Vielen Dank für das informative Gespräch.

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Franz Braun,
Managing Director der Bilfinger Digital Next GmbH

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Gerald Pilotto,
Vice President Global Development der Bilfinger SE

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Dr.-Ing. Steffen Simon,
Senior Expert Maintenance der Bilfinger Engineering & Maintenance GmbH

  Quelle:


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