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Dokumentationspflicht bei Festlegung auf bestimmtes Produkt

12.01.2016

von RA Michael Werner

Die Vergabekammer (VK) Sachsen-Anhalt hat mit Beschluss vom 16.09.2015 – 3 V LSA 62/15 – Folgendes entschieden:

• In technischen Anforderungen darf nicht auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren oder auf Marken, Patente, Typen eines bestimmten Ursprungs verwiesen werden, wenn dadurch bestimmte Unternehmen oder bestimmte Produkte begünstigt oder ausgeschlossen werden, es sei denn, dies ist durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt.

• Bestimmte Produkte dürfen nur gefordert werden, wenn dies durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die fehlende Produktneutralität auf sachlichen Gründen beruht, liegt beim Auftraggeber. Hierzu bedarf es einer detaillierten und dokumentierten Begründung.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG), die Stadt W., hatte die Freiflächengestaltung in einer Baulücke ihrer Altstadt nach VOB/A ausgeschrieben, u.a. Betonpflastersteine für Fahrbahn und Stellflächen sowie Straßenbeleuchtungsmasten. Ziel war es dabei, dass sich das verwendete Pflaster und die Straßenlampen aus denkmalschutzrechtlichen Vorgaben in die Umgebung der Altstadt optisch und gestalterisch einfügen sollten. Aus dem Protokoll des mit Erstellung der Ausschreibungsunterlagen beauftragten Planungsbüros ging hervor, dass zwischen AG, Planungsbüro und Denkmalschutzbehörde eine Entscheidung für ein Betonsteinpflaster bzw. Straßenbeleuchtungsmasten eines ganz bestimmten Fabrikats einer bestimmten Firma getroffen wurden. Im Leistungsverzeichnis der Ausschreibung wurde dies jedoch nicht offen gelegt, sondern lediglich das Fabrikat nebst der Vorlage von fünf Mustersteinen zur Ansicht gefordert. Nebenangebote waren zugelassen. Bieter A hatte neben seinem Hauptangebot ein Nebenangebot für ein alternatives Betonsteinpflaster abgegeben. Darauf führte das beauftragte Planungsbüro aus, dass das Nebenangebot nicht gewertet werden könne, da eine Änderung der vorgeschriebenen Pflastersorte ohne Zustimmung des Denkmalschutzes nicht möglich sei. A stellte Nachprüfungsantrag bei der VK.

Die VK gibt hier dem A Recht und verpflichtet den AG, das Vergabeverfahren in den Stand vor Versendung der Vergabeunterlagen zurückzuversetzen und den Bietern erneut Gelegenheit zur Angebotsabgabe zu geben. Die Vergabeunterlagen verstießen hier gegen das Gebot der produktneutralen Ausschreibung gemäß § 7 Abs. 8 VOB/A. Zwar sei der AG im Rahmen seines Leistungsbestimmungsrechts in der Auswahl der von ihm zu beschaffenden Gegenstände grundsätzlich frei. Grenze dieses Bestimmungsrechts sei aber die Verpflichtung zur produktneutralen Ausschreibung. Bestimmte Produkte dürften demnach nur gefordert werden, wenn dies durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt sei. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die fehlende Produktneutralität auf sachlichen Gründen beruhe, liege beim AG. Dazu bedürfe es einer detaillierten und dokumentierten Begründung. Im vorliegenden Fall seien diese sachlichen Gründe jedoch nicht dokumentiert worden. Es fehle an der Dokumentation, weshalb sich nur das Pflaster dieses benannten Herstellers in die Umgebung einfüge, obwohl es keine Besonderheiten und wesentliche Unterschiede zu anderen Betonsteinpflastern aufweise. Auch sei nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen Mustersteine vorzulegen seien, wenn bereits feststehen solle, dass nur dieses Pflaster sich in die Umgebung einfüge. Eine konkrete sachlich begründete Forderung der Denkmalschutzbehörde sei hier nicht dokumentiert. Der AG habe hier die vergaberechtlichen Grenzen der Bestimmungsfreiheit nicht eingehalten, da er für die Bestimmung der konkret ausgeschriebenen Leistung keine nachvollziehbaren objektiven und auftragsbezogenen Gründe dokumentiert habe.

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RA Michael Werner

Partner in der Kanzlei
ZIRNGIBL LANGWIESER
Rechtsanwälte Partnerschaft mbB

Haus Cumberland
Kurfürstendamm 194
D - 10707 Berlin
E-Mail: M.Werner@zl-legal.de
www.zl-legal.de

Anmerkung:
Die produktneutrale Ausschreibung gemäß § 7 Abs. 8 VOB/A ist quasi ein „vergaberechtlicher Dauerbrenner“. Im entschiedenen Fall hätten eigentlich durchaus sachliche Gründe vorgelegen, um wegen der notwendigen vom Denkmalschutz geforderten Einfügungen in das Altstadtbild ein ganz bestimmtes Produkt für Betonpflaster und Straßenbeleuchtung auszuschreiben. Das Planungsbüro und damit der AG hatten es jedoch versäumt, dies in der Leistungsbeschreibung besonders zu verdeutlichen. Da aber letztlich entscheidend ist, was in der Bekanntmachung bzw. im LV gefordert wird, muss hier die Ausschreibung wiederholt werden. Übrigens: im neuen Vergaberecht 2016 wird sich an dieser Rechtslage nichts ändern. Auch jenes verlangt (in § 8 Abs. 1 VgV) eine äußerst detaillierte Dokumentation, aus welchen Gründen von der produktneutralen Ausschreibung ausnahmsweise abgesehen werden kann.

  Quelle:


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