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Dringend gesucht - Handwerker

24.04.2012

Fehlende Fachkräfte, fehlender Nachwuchs - Elektriker besonders betroffen

Imageprobleme trotz guter Aussichten

Mainz (dapd-rps). Richtige Freude kommt bei Jörg Knies nicht auf. Auf seinem Schreibtisch stapeln sich zwar die Aufträge, doch der Wormser Elektrikermeister seufzt: "Um die alle annehmen zu können, bräuchte ich viel mehr Mitarbeiter." Das Geschäft läuft für ihn wie den meisten seiner Handwerker-Kollegen in Rheinland-Pfalz so prächtig wie seit über zehn Jahren nicht mehr.

Im September will Knies darum die Zahl der Lehrlinge auf einen Schlag von 14 auf 19 aufstocken. Bereits jetzt hat er, anders als üblich, einen Meister dafür abgestellt, sich ausschließlich um den Nachwuchs zu kümmern. Knies weiß aber, dass sein ärgstes Problem dadurch vielleicht gelindert, keinesfalls jedoch gelöst werde: "Wir brauchen noch viel mehr ausgebildete Fachkräfte."

Der Facharbeiter- und Azubimangel trifft fast alle Handwerksberufe in Rheinland-Pfalz - und das mitten in ihrer Hochkonjunktur. Dachdecker, Fliesenleger, Gas- und Wasserinstallateure - vor allem aber eben die Elektriker.

Arbeitsamt kann Bedarf nicht decken

Derzeit kommen laut Arbeitsagentur in Rheinland-Pfalz 454 arbeitslose Elektroinstallateure auf 1.142 offene Stellen. Firmenchefs müssen im Schnitt über zwei Monate warten, bis sie einen geeigneten Bewerber finden. Bei Gas- und Wasserinstallateuren sind es sogar knapp drei Monate. "Weder das Arbeitsamt noch die Zeitarbeitsfirmen können unseren Bedarf decken", sagt Knies.

Den 50.000 rheinland-pfälzischen Handwerksbetrieben droht ein massiver Facharbeiter-Engpass. Bis 2017 werden nach Schätzungen der Arbeitsgemeinschaft der rheinland-pfälzischen Handwerkskammer mehr als 10.000 Lehrlinge und Gesellen fehlen. "Wir können ausscheidende Kollegen schon jetzt nicht mehr ersetzen", sagt Ralf Hellrich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Pfalz.

Für Handwerker auf Jobsuche ist die Lage geradezu paradiesisch. Bis zu zehn Angebote - pro Woche - sind für einen Bewerber keine Seltenheit. "Zwei Tage, nachdem ich mein Stellengesuch ins Internet gestellt hatte, war die Mailbox meines Handys voll", berichtet ein Mainzer Elektrikergeselle. Firmenchef Knies verrät: "Wer sich jetzt bewirbt, kann beim Gehalt viel rausholen."

Dennoch fehlt es an Nachwuchs, und Fachkräfte sind schwer zu halten: Viele gut ausgebildete Gesellen wanderten in die Industrieunternehmen ab, weil sie dort in der Regel besser bezahlt würden, heißt es bei den Handwerkskammern. In den kommenden Jahren würden die Engpässe in Folge des demografischen Wandels weiter zunehmen, prophezeit Hauptgeschäftsführer Hellrich. Verschärfend kommt hinzu, dass Handwerksberufe bei jungen Menschen laut einer Forsa-Studie als wenig attraktiv gelten.

Weg vom Strippenzieher-Image

Johannes Lauer, Präsident der Dachdeckerinnung, sagt offen heraus: "Viele träumen von einem Schlips- und Kragenkarriere. Das Handwerk gilt als schmutzig." Der Geschäftsführer der Landesinnung Elektro stellt fest: "Wir müssen weg vom Strippenzieher-Image. Elektriker sind längst Hightech-Handwerker." Nur so sei der Wettbewerb mit Banken, Versicherungen und IT-Firmen zu gewinnen.

Firmenchef Knies berichtet, dass viele für den Elektrikerberuf geeignete Jugendliche heutzutage eine Lehre zum Fachinformatiker bevorzugten. "Etliche derer, die für uns als Bewerber übrig bleiben, sind einfach ungeeignet."

Seit Jahren feilt das deutsche Handwerk an einem modernen Image. "Wir müssen besser vermitteln, dass das Handwerk eine Zukunftsbranche ist, betont Thomas Klisa von der Landesinnung Elektro. Weder die Energiewende noch der energetische Ausbau von Gebäuden seien ohne die tatkräftigen Hände von Elektrikern, Dachdeckern und Monteuren umzusetzen.

Der Wormser Elektriker Knies appelliert: "Wir Betriebe müssen selbst aktiver werden." Sein Vorschlag: gezielt Studienabbrecher umwerben und Frauen in traditionelle Männerberufe bringen. Außerdem empfiehlt er seinen Kollegen, den Blick gen Südeuropa zu richten: "In Griechenland, Spanien und Portugal ist fast die Hälfte der Unter-30-Jährigen arbeitslos."

 

  Quelle: dapd


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