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EU-Emissionshandelssystem: kostenlose Zertifikate müssen gezielter zugeteilt werden, so die Prüfer

21.09.2020

Kostenlose Zertifikate machen immer noch mehr als 40 Prozent aller Zertifikate aus, die im Rahmen des auf festen Obergrenzen basierenden Emissionshandelssystems (EHS) der EU verfügbar sind. Zu diesem Ergebnis gelangt der Europäische Rechnungshof in einem neuen Bericht. Diese kostenlosen Zertifikate, die die Industriesektoren und der Luftfahrtsektor sowie in einigen Mitgliedstaaten der Stromsektor erhalten, wurden nicht zielgerichtet zugeteilt. Darüber hinaus wurde die Dekarbonisierung im Energiesektor deutlich verlangsamt. Die Kommission muss ihr Verfahren zur gezielten Zuteilung kostenloser Zertifikate überarbeiten, um dem Pariser Übereinkommen und jüngsten Entwicklungen Rechnung zu tragen.

Das Emissionshandelssystem der EU beruht im Prinzip auf der Bepreisung von CO2-Emissionen und der Versteigerung von Emissionszertifikaten. Außerdem werden Einnahmen aus den Versteigerungen für Klimaschutzmaßnahmen verwendet. Im Rahmen des EU-EHS werden kostenlose Zertifikate eingesetzt, um EU-Unternehmen davon abzuhalten, Tätigkeiten in Drittländer mit niedrigeren Umweltstandards zu verlagern, da dies zu einem Rückgang der Investitionen in der EU und zu einem Anstieg der weltweiten Emissionen führen würde. Diese Verlagerung von CO2-Emissionen wird als "carbon leakage" bezeichnet. Die Industriesektoren und der Luftfahrtsektor erhalten – anders als die meisten Betreiber im Energiesektor – kostenlose Zertifikate, da davon ausgegangen wird, dass diese die CO2-Kosten direkt an die Verbraucher weitergeben können. In den acht Mitgliedstaaten, deren Pro-Kopf-BIP unter 60 Prozent des Unionsdurchschnitts lag, erhielt der Energiesektor jedoch kostenlose Zertifikate, um modernisieren zu können.

"Die kostenlose Zuteilung sollte zielgerichtet in den Industriesektoren eingesetzt werden, die am wenigsten in der Lage sind, ihre CO2-Kosten an die Kunden weiterzugeben", so Samo Jereb, das für die Prüfung zuständige Mitglied des Europäischen Rechnungshofs. "Dies ist jedoch nicht der Fall. Sektoren, auf die mehr als 90 Prozent der Industrieemissionen entfallen, gelten gleichermaßen als anfällig für eine Verlagerung von CO2-Emissionen und kommen in den Genuss anhaltend hoher Quoten kostenloser Zertifikate. Wenn die Zuteilung kostenloser Zertifikate nicht gezielter erfolgt, wird die EU nicht alle Vorteile, die das EHS für die Dekarbonisierung und die öffentlichen Finanzen haben könnte, nutzen."

Die Prüfer stellten fest, dass die Energiesektoren, die kostenlose Zertifikate erhielten, um in die Modernisierung zu investieren, deutlich langsamere Fortschritte bei der Dekarbonisierung gemacht haben als die Energiesektoren anderer Mitgliedstaaten. Die Investitionen wurden oft verwendet, um vorhandene Braun- und Steinkohlekraftwerke zu sanieren, anstatt auf umweltfreundlichere Kraftstoffe umzustellen, vor allem in Bulgarien, Tschechien, Polen und Rumänien. Die Prüfer räumen ein, dass die Kommission die Vorschriften in Bezug auf den Energiesektor für den Zeitraum 2021-2030 verschärft hat.

Die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten an die Industriesektoren erfolgt auf der Grundlage von Benchmarks, die von den Spitzenreitern des jeweiligen Sektors abgeleitet werden. Diese Zertifikate werden bis 2030 schrittweise abgeschafft, es sei denn, der Sektor wird als für eine Verlagerung von CO2-Emissionen anfällig betrachtet; in diesem Fall wird die Zuteilung nicht reduziert. Zwar bietet dieser Ansatz Anreize für die Verbesserung der Energieeffizienz, doch ist nach Ansicht der Prüfer eine gezieltere Anwendung erforderlich. Auf die Industriesektoren, die als anfällig für eine Verlagerung von CO2-Emissionen gelten, entfallen immer noch mehr als 90 Prozent der EU-Industrieemissionen, ohne dass nach Risikograd unterschieden wird. Dies ermöglicht es allen diesen Sektoren, weiterhin die gesamte Menge der kostenlosen Zertifikate zu erhalten. Die Prüfer empfehlen der Kommission, die kostenlosen Zertifikate je nach den unterschiedlich hohen Risiken gezielt auszurichten.

Außerdem erhält der Luftfahrtsektor kostenlose Zertifikate, obwohl er die CO2-Kosten an die Kunden weitergeben kann. Die Prüfer weisen warnend darauf hin, dass dies dazu führen könnte, dass CO2-intensive Flugreisen zum Nachteil des Schienenverkehrs unterstützt werden. Da die Zuteilung nicht gezielt erfolgt, wird im Rahmen der geltenden Regelungen keine Reduzierung der meisten kostenlosen Zertifikate auf null bis zum Jahr 2030 erreicht werden. Nach Auffassung der Prüfer hätte eine gezieltere Zuteilung dem Risiko einer Verlagerung von CO2-Emissionen Rechnung getragen, die Zufallsgewinne verringert und durch die Erhöhung des Anteils der versteigerten Zertifikate die öffentlichen Finanzen verbessert.

  Quelle: ECA Press


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