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Ein halbes Jahrhundert am Amboss

10.05.2012

Ein halbes Jahrhundert am Amboss

Erste Schmiedemeisterin Deutschlands arbeitet auch nach 50 Jahren noch in ihrem Beruf - Edda Sandstede liebt ihren "Männerjob" bis heute

-- Von Yasmin Schulten-Jaspers --

Oldenburg (dapd). Ein regelmäßiges Hämmern hallt durch die kleine Gasse am Rande der Fußgängerzone in der Innenstadt von Oldenburg in Niedersachsen. Edda Sandstede steht in ihrer Werkstatt und schmiedet ein Stück Eisen, das sie gerade aus dem Feuer genommen hat. Kleine glühende Teilchen springen in alle Richtungen, während die 70 Jahre alte Schmiedemeisterin das Eisen mit dem Hammer auf dem Amboss bearbeitet.

"Ich arbeite jetzt mehr als ein halbes Jahrhundert im Schmiedehandwerk, aber es ist noch immer meine große Leidenschaft", sagt Sandstede, die vor 50 Jahren als erste weibliche Schmiedehandwerks-Gesellin Deutschlands bekannt wurde. Damals musste sie bei ihrem Vater in die Lehre gehen, weil in dem männerdominierten Beruf niemand bereit war, eine Frau auszubilden.

Seitdem ist viel Zeit vergangen. Dennoch gilt das Handwerk bis heute als Männerdomäne. Obwohl keine konkreten Zahlen vorliegen, sind weibliche Metallgestalter nach Angaben des Landesverbands Metall Niedersachsen und Bremen bis heute eher die Ausnahme.

Eine Frau unter 30 Männern
Sandstede hatte es damals nicht einfach, in dem Job Fuß zu fassen. Nach ihrer Lehre reiste sie auf der Suche nach einem Gesellenjob drei Monate durch Deutschland, Italien, Österreich und die Schweiz. "Alle fanden es toll, dass ich als Frau im Schmiedehandwerk arbeiten wollte, aber niemand wollte mich einstellen", erinnert sie sich. "Das war schon hart."

Im Schwarzwald kam die Frau aus Bad Zwischenahn 1962 letztlich doch in einem Betrieb mit 30 Männern unter. "Die mussten sich erst mal an eine Frau gewöhnen", sagt die Schmiedemeisterin mit einem Lächeln. "Das war für sie schwieriger als für mich, denn ich war es ja schon von Anfang an gewohnt, mich unter Jungs behaupten zu müssen."

Obwohl Sandstede keine Konkurrenz mit ihren männlichen Kollegen scheute, ließ sie sich gerne bei schweren Stücken helfen. "Wenn ich ein besonders dickes Eisen hatte, kamen sofort mindestens fünf Männer gelaufen, um mir zu helfen", berichtet sie. Im Gegenzug habe sie es ihren Kollegen nicht übel genommen, dass sie sie vor die Türe schickten, wenn sie sich untereinander dreckige Witze erzählen wollten.

Sandstede zog ihre Sache erfolgreich durch: Mit ihrem Gesellenstück wurde sie Bundessiegerin beim Leistungswettbewerb der Handwerksjugend, 1968 legte sie als erste Frau in Deutschland ihre Meisterprüfung im Schmiedehandwerk ab. Anschließend arbeitete sie im Heimatbetrieb in Bad Zwischenahn und eröffnete zwei Geschäfte auf Norderney und in Braunlage.

70-Jährige denkt noch nicht ans Aufhören
1980 eröffnete sie als mittlerweile alleinerziehende Mutter einer Tochter eine Galerie in Oldenburg und richtete die historische Schmiede von 1839, die seit den 1950er Jahren nicht mehr als solche genutzt wurde, nach den Bestimmungen des Denkmalschutzgesetzes wieder her. "Ich habe den Sandboden gegen Klinker ausgetauscht und die Belüftung modernisiert", sagt sie. "Ansonsten ist hier alles ziemlich gleich geblieben."

Heute steht Sandstede noch immer fünf Tage die Woche an der Esse. Die fertigen Produkte verkauft sie in ihrem kleinen Geschäft direkt neben der Werkstatt. Ihr Sortiment reicht von Skulpturen über Leuchter, Treppengeländer und Tore bis hin zu Schmuck. "Am liebsten mag ich Skulpturen und schlichte Sachen", sagt sie und dreht an einem Mobilé, das sie erst jüngst hergestellt hat. "Besonders spannend finde ich bewegliche Sachen, bei denen ich häufig mit Magneten arbeite."

Ideen für neue Projekte sind der 70-Jährigen trotz der langen Zeit im Beruf nicht ausgegangen. "Ich stelle nichts zweimal her. Meine Arbeiten sind alle Unikate", betont sie. Zugleich ist sie offen für Ideen anderer. "Wenn ich es für machbar halte, setze ich auch gerne die Ideen meiner Kunden um."

Den Job aufgrund ihres Alters an den Nagel zu hängen, kommt für Sandstede vorerst nicht infrage. "Solange ich es gesundheitlich noch kann und weiterhin Lust habe, arbeite ich auf jeden Fall weiter."

 

  Quelle: dapd


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