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Ein schräges Projekt für schräge Gäste

04.09.2012

Seit April liegt das „Swimming Hostel Berlin“ in der Neustädter Havelbucht in Potsdam

Von Matthias Arnold
Der Besuch auf der MS „Kamina“ in Potsdam beginnt mit einer Suche. Der Bus bringt den Gast vom Hauptbahnhof der Landeshauptstadt in wenigen Minuten zum Naturkundemuseum. Von dort ist es ein etwa fünfminütiger Fußmarsch bis zur Neustädter Havelbucht und zu einer Zauntür, die offenbar der Eingang zum Jachthafen ist. Dieses große Boot da hinter den Bäumen, das müsste es doch eigentlich sein, das schwimmende Hostel. Eine Klingel gibt es, aber die Kabel hängen raus und so hilft nur lautes Rufen. Und tatsächlich kommt jemand angerannt und öffnet. Thomas Menke ist 34 Jahre alt und seit rund fünf Jahren Besitzer der „Kamina“. „Wir sind gerade mitten im Aufräumstress. Die Gäste sind schon alle ausgeflogen.“ Doch von Stress ist nicht viel zu spüren auf dem Schiff, das im Internet immer noch unter „Swimming Hostel Berlin“ zu finden ist, obwohl es schon seit April in Potsdam liegt.

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Foto: Klaus-Dietmar Gabbert / dapd

Hostels besetzen Nische
Menke geht in den Gemeinschaftsraum, der gleichzeitig Küche, Ess- und Wohnzimmer sowie Bibliothek ist. Dort sitzt Menkes bester Freund Eddy, ein 59-jähriger polnischer Maschinenbauingenieur, mit dem er sich die Idee des Swimming Hostels ausgedacht, das Boot ausgesucht und schließlich umgebaut hat. Von dort führt ein Gang weiter ins Innere des schwimmenden Hostels, wo sich die Kojen befinden. Insgesamt 15 Betten stehen in fünf Räumen unterschiedlicher Größe und Ausstattung. Die billigsten, aber auch engsten Räume sind die sogenannten Matrosenkojen. Neun Euro kostet dort die Nacht. In Potsdam freut man sich über den Neuankömmling. „Es gibt jede Menge Sterne-Hotels, die vor allem von älteren Kulturreisenden gebucht werden“, sagt die Sprecherin des Potsdam Tourismus Service, Birgit Kunkel. „Hostels, die mit günstigeren Preisen locken, besetzen daher eine wichtige Nische in der Stadt.“ Tatsächlich gibt es lediglich ein weiteres Hostel in Potsdam, das sich speziell an Rucksackreisende und jüngere Touristen wendet: das „Quartier Potsdam“ in der Ribbeckstraße. Die Geschichte des Swimming Hostels ist gleichzeitig eine Geschichte über Thomas Menke. „Durch das Schiff bin ich erwachsen geworden“, sagt er. „Wenn mir jemand am Anfang alle Probleme vorausgesagt hätte, mit denen wir zu kämpfen hatten, dann hätte ich es wahrscheinlich nicht gemacht.“ Die Geschichte beginnt in Bremen, wo der gelernte Bankkaufmann sein Lehramtsstudium abgebrochen und als Techniker auf einem Schiff angefangen hat, das zu einem Theater ausgebaut werden sollte. „Dabei habe ich Eddy kennengelernt, der ebenfalls beim Umbau mitgearbeitet hat.“ Es entwickelte sich eine Freundschaft und die Idee zu einem gemeinsamen Schiff. „Das sollte aber nicht Geld für uns kosten, sondern es sollte uns Geld einbringen“, erinnert sich Eddy. Ganz zufällig stießen die beiden dann in Lübeck auf die „Kamina“, die bereits fast vollständig ausgebaut war und die sie nach vielen Problemen und Rückschlägen schließlich günstig erwerben konnten. Sie beendeten den Ausbau des Schiffes und begannen in Lübeck mit dem Projekt „Swimming Hostel“. „Neben den Touristen hatten wir auch viele Gäste, die längerfristig bei uns gelebt haben.“ Seminarteilnehmer oder Berufsschüler, die immer mal wieder für einige Wochen auf dem Schiff übernachten - solche Stammgäste machen bis heute etwa die Hälfte aller Besucher aus. Ein Gast lebt bereits seit einem Jahr ununterbrochen in einer der Matrosenkojen. Es sei schon ein „schräges Projekt“, sagt Menke und es scheint, als ziehe es ebenso schräge Menschen an. Nachdem das Team in Lübeck keinen langfristigen Liegeplatz erhalten hatte, zog es nach Berlin in die Rummelsburger Bucht. „Da lagen ‚ne ganze Menge Hausboote von Künstlern und Alternativen. Das war schon eine tolle Atmosphäre“, beschreibt Menke die zwei Berliner Jahre. Doch durch die steigenden Liegemieten seien die meisten gezwungen worden, die Bucht zu verlassen. Nun liegt die „Kamina“ in Potsdam. Doch einfach ist es nicht. Jeder Umzug bedeute zunächst einen finanziellen Rückschritt, bis das Hostel wieder einen gewissen Bekanntheitsgrad in der neuen Umgebung erlangt habe, sagt Menke. Er weiß, wenn im Winter weniger Touristen nach Potsdam kommen, dann wird es hart. „Aber die Alternative wäre Aufgeben. Und das werde ich nicht.“

  Quelle: dapd


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