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Einbehalt und Vertragserfüllungsbürgschaft: Wirksam?

21.07.2016

von RA Michael Seitz

Abschlagszahlungsregelungen, die vorsehen, dass der Auftraggeber trotz vollständig erbrachter Werkleistung einen Teil des Werklohns einbehalten darf, können zur Unwirksamkeit einer Sicherungsabrede betreffend eine Vertragserfüllungsbürgschaft führen, wenn sie in Verbindung mit dieser bewirken, dass die Gesamtbelastung durch die vom Auftraggeber zu stellenden Sicherheiten das Maß des Angemessenen überschreitet.

Dies hat der BGH in einem Urteil vom 16.06.2016 (Az. VII ZR 29/13) entschieden.

Der Fall: Im Jahre 2008 schließen AG und AN einen VOB/B Bauvertrag über die Errichtung einer Wohnanlage. Nach dem Vertrag muss AN eine Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von 5 % der Bruttoauftragssumme stellen. Für die letzten drei Abschlagszahlungen, die je 5 % betragen sollen, sieht der Vertrag vor, dass sie an die vollständige Fertigstellung, aber auch an weitere Umstände anknüpfen. Bei den Vertragsklauseln handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen des AG. Bank B stellt die vereinbarte Vertragserfüllungsbürgschaft. Später stellt AN Eigeninsolvenzantrag. Daraufhin kündigt AG gemäß § 8 Nr. 2 VOB/B und beauftragt einen Dritten mit der Fertigstellung. Sodann nimmt er B aus der Bürgschaft wegen der Fertigstellungsmehrkosten in Höhe von mehr als
1 Million € in Anspruch. B wendet ein, die Sicherungsvereinbarung im Bauvertrag sei unwirksam. Deswegen bestehe auch kein Anspruch gegen sie als Bürgin.

Das Urteil: Beim BGH hat B Erfolg! Er stellt zunächst fest, dass sich eine unangemessene Benachteiligung des AN (und damit auch der B) gemäß § 307 Abs. 1 BGB auch aus einer Gesamtwürdigung von verschiedenen Vertragsbestimmungen ergeben kann, die jeweils für sich genommen nicht zu einer Unwirksamkeit führen würden. Eine solche Gesamtschau ist nach Auffassung des BGH hier hinsichtlich der Abschlagszahlungsregelungen einerseits und der Regelung zur Vertragserfüllungsbürgschaft andererseits angezeigt. Eine Regelung über Abschlagszahlungen, die AG berechtigt, einen Teil des Werklohns einzubehalten, obwohl AN die Werkleistung vollständig erbracht hat, ist als eine Sicherung sämtlicher vertraglicher Ansprüche des AG anzusehen. Damit überschneidet sich diese Abrede mit der gleichfalls auf Anspruchssicherung gerichteten Abrede zur Vertragserfüllungsbürgschaft. Danach würde bei Auslegung der Abschlagszahlungsregelungen dem AN eine Liquidität in Höhe von 15 % der vereinbarten Vergütung entzogen, denn die drei letzten Abschlagsrechnungen sollen erst fällig werden, wenn das Werk mangelfrei fertig gestellt ist und zudem noch ein längerer Zeitraum vergangen ist. Zudem ist die Fälligkeit der Abschlagszahlungen von Voraussetzungen abhängig, die nicht im Einflussbereich des AN liegen, nämlich von der Übergabe des Werks an den Kunden des AG. Im Ergebnis soll AG also berechtigt sein, 15 % des Werklohns einzubehalten und weitere 5 % aus der Vertragserfüllungsbürgschaft, insgesamt also 20 %, zu behalten, obwohl das Werk mängelfrei fertiggestellt ist. Das überschreitet nach Auffassung des BGH das "Maß des Angemessenen". Allerdings entscheidet der BGH nicht selbst, sondern verweist die Sache an das OLG zurück, da es an hinreichenden Feststellungen zur AGB-Eigenschaft der Abschlagszahlungsregelungen fehlt.

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Fazit: Die Entscheidung knüpft nahtlos an die Rechtsprechung des BGH zur Übersicherung an. Eine Sicherung nach vollständiger Fertigstellung des Werkes von 20 % ist eindeutig zu hoch. Zwar hat der BGH die Sache nicht endgültig entschieden, da er nach den Feststellungen des OLG nicht sicher davon ausgehen konnte, dass es sich bei den Abschlagszahlungsregelungen um AGB handelt. Nach dem Sachverhalt spricht jedoch alles dafür. Handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen des AG, so ist nach dem Grundsatz der kundenfeindlichsten Auslegung tatsächlich davon auszugehen, dass AG im Extremfall 15 % der Vergütung einbehalten darf und zudem noch mit 5 % Vertragserfüllungsbürgschaft gesichert ist, obwohl das Werk vollständig und mängelfrei hergestellt wurde. Dass es sich dabei um eine Übersicherung handelt, liegt auf der Hand.

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