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Endgültige Leistungsverweigerung trotz Verhandlungen?

10.09.2020

von RA Michael Seitz

Das OLG Köln hat in einem Urteil vom 15.07.2020 (Az.: 11 U 64/19) entschieden:

Eine zunächst erklärte ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung kann durch spätere Vertragsverhandlungen wieder aufgegeben werden.


Der Fall:

AG und AN schließen einen Bauvertrag über die Errichtung eines Einfamilienhauses in Hanglage, wobei das Gebäude zum Tal hin auf Stelzen stehen soll. Sie vereinbaren einen Pauschalpreis, dessen Höhe streitig ist. Nachdem ein von AN vorgesehener Nachunternehmer in Insolvenz gerät, kündigt AN den Vertrag. Das weist AG umgehend zurück. In der Folgezeit aber verhandeln die Parteien darüber, ob statt der Stelzenlösung eine Ausführung mit Teilunterkellerung durchgeführt werden soll, die AN sogar ohne Mehrkosten anbietet.

Nachdem es zu keiner Einigung kommt, beauftragt AG einen Drittunternehmer mit der Durchführung des Bauvorhabens mit Teilunterkellerung. Eine Frist zur Vertragserfüllung hatte AG dem AN nicht gesetzt. Später verlangt AG die Fertigstellungsmehrkosten als Schadensersatz. Mit seiner Kündigung habe AN die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, eine Fristsetzung sei daher gemäß § 281 Abs. 2 BGB entbehrlich gewesen.

Das Urteil:

Das sieht das OLG Köln anders. Zwar habe AN mit der unberechtigten Kündigung des Vertrages zugleich die Erfüllung desselben verweigert. Andererseits habe jedoch AG dem AN keine angemessene Frist zur Leistung gesetzt. Diese Fristsetzung sei auch nicht ausnahmsweise gemäß § 281 Abs. 2 BGB entbehrlich, weil die Voraussetzungen einer ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung nicht mehr vorlagen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung sei der Zeitpunkt des Schadensersatzverlangens. Zwar habe AN ursprünglich die geschuldete Leistung verweigert, sodann jedoch hätten die Parteien Verhandlungen geführt, wobei AN sogar eine andere als die ursprünglich vorgesehene "Stelzenlösung" angeboten habe. Spätestens zu diesem Zeitpunkt bestand aber nicht mehr die erforderliche Klarheit darüber, dass AN die Durchführung des Vertrages endgültig verweigern werde.

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Fazit:

Die für Auftragnehmer erfreuliche Quintessenz des Urteils ist: Auch eine Erfüllungsverweigerung kann wieder "eingesammelt" werden. Verweigert AN die Leistung zunächst, besinnt er sich jedoch später eines Besseren und beginnt mit Verhandlungen über eine möglicherweise geänderte Durchführung des Vertrages, so liegt eine Erfüllungsverweigerung nicht mehr vor. Das Ganze funktioniert aber selbstverständlich nur, wenn nicht der Bauherr bereits zuvor eine Frist zur Erfüllung des Vertrages gesetzt hat, die ungenutzt verstrichen ist. Daran fehlte es hier, weshalb AG seine Fertigstellungsmehrkosten selbst tragen muss. Für den Auftraggeber gilt also: Er sollte sich niemals auf die ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung verlassen, sondern stets auch noch eine kurze Frist zur Erfüllung setzen, um auf der sicheren Seite zu sein.


  Quelle:


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