Während in Deutschland davon ausgegangen wird, dass der Chef der Smarteste im Unternehmen ist, trägt der Chef in Schweden die Verantwortung – das Wissen hingegen liegt bei den Mitarbeitern. Anfang März hat die Deutsch-Schwedische Handelskammer gemeinsam mit Invest in Skåne und der schwedischen Führungskräfteorganisation Ledarna ein Seminar zum Thema internationales Management in Malmö veranstaltet. In einer sowohl lehrreichen als auch unterhaltsamen Podiumsdiskussion wurden Erfahrungen und Anekdoten über kulturelle Unterschiede im Bereich Unternehmens- und Mitarbeiterführung ausgetauscht.
Marc Hoffmann, CEO von E.ON Schweden, trat im Jahr 2006 seine Führungsposition in dem schwedischen Unternehmen an. Er war sehr beeindruckt von dem, was er den schwedischen „Flow“ nannte.
„Die schwedische Unternehmenskultur habe ich als sehr bodenständig wahrgenommen“, berichtete Marc Hoffmann. „Alle Mitarbeiter haben auf ganz natürliche Weise zusammengearbeitet. Jeder durfte seine Meinung äußern und alle haben einander zugehört – eine Arbeitsweise, die ich aus Deutschland nicht kannte.“ Als deutscher Chef in Schweden hat Marc Hoffmann seine Erfahrungen gemeinsam mit dem Schweden Björn Hauber, CEO von Mercedes-Benz Schweden, der zuvor Führungspositionen bei Daimler in Deutschland und China innehatte, sowie den Managementcoaches Ninni Löwgren, Bereichsleiterin Market Entry & Business Development bei der Deutsch-Schwedischen Handelskammer, und Peter Berg von Ledarna diskutiert. Die Podiumsdiskussion wurde von der deutschen Schauspielerin und Moderatorin Katja Mitchell moderiert.
Der deutsche Chef entscheidet, der Mitarbeiter akzeptiert Björn Hauber und Marc Hoffmann tauschten ihre Erfahrungen darüber aus, wie Entscheidungen in beiden Ländern getroffen werden. „Wie man sich auf Meetings vorbereitet und Entscheidungen trifft, ist in beiden Ländern sehr unterschiedlich“, sagte Björn Hauber. „Die Deutschen haben ein stärkeres Kontrollbedürfnis. Vor einer Besprechung ist das meiste bereits abgestimmt und letztendlich ist es der Chef, der entscheidet. Alle anderen stimmen zu und stellen die Entscheidung grundsätzlich nicht in Frage – auch nicht, wenn der Chef sich im Nachhinein umentscheidet. Das hat den Vorteil, dass die Entscheidungen deutlich sind, klar kommuniziert werden und dass man viel erledigt bekommt.“
Marc Hoffmann fuhr mit seinen Erfahrungen aus Schweden fort: „Ich habe gelernt, dass der Entscheidungsprozess in Schweden mit einer offenen Diskussion beginnt, in der alle involviert sind und gründlich überlegen können. Das hat zur Folge, dass insgesamt mehr Zeit benötigt wird. Die Umsetzung der Entscheidung geht jedoch schneller als in Deutschland. Es ist wichtig, sich der unterschiedlichen Zeitperspektiven bewusst zu sein, sonst funktioniert der aufgestellte Zeitplan nicht“, so Marc Hoffmann.
Alle Teilnehmer des Panels waren sich einig, dass schwedische Unternehmen weniger hierarchisch aufgestellt sind als deutsche und dass es im Umgang miteinander insgesamt lockerer zugeht. So hat schon mancher deutsche Chef gestaunt, dass er sich in Schweden seinen Kaffee selbst holen musste.
„Für einen Deutschen kann die Macht eines schwedischen Chefs etwas diffus erscheinen“, erklärte Peter Berg. „Es ist nicht ungewöhnlich, dass ein schwedischer Chef weiß, was seine Mitarbeiter in ihrer Freizeit tun, wie ihre Kinder heißen oder wie ihre Katze aussieht. Ein deutscher Chef weiß jedoch normalerweise nichts oder nur wenig über das Privatleben seiner Mitarbeiter. Denn Deutsche fühlen sich leicht verwundbar, wenn sie vor ihrem Chef und auch vor ihren Kollegen zu viel von sich preisgeben.“
Björn Hauber fügte hinzu: „In Schweden sind Sie es gewohnt, mit allen Kollegen sprechen zu können, unabhängig von ihrer Position. Wenn Sie als Schwede einen Job in Deutschland antreten, müssen Sie lernen, mit wem Sie auf welche Weise kommunizieren dürfen. Deutschland ist hier viel formeller als Schweden.“
Fika – Kaffeepause oder Arbeitszeit? Unter fika versteht man in Schweden eine Kaffeepause. Im Unternehmenskontext kann sie jedoch viel mehr sein als nur eine Pause oder ein Plausch mit den Kollegen.
„Bei der fika wird sowohl Privates als auch Berufliches ausgetauscht und diskutiert“, meinte Peter Berg. „Während sich der Deutsche normalerweise seinen Kaffee holt und wieder zurück an seinen Schreibtisch geht, bleiben Schweden gemeinsam mit den Kollegen neben der Kaffeemaschine stehen und sprechen sowohl darüber, was sie am Wochenende gemacht haben, als auch über aktuelle berufliche Themen. Da kann schon mal die eine oder andere wichtige Entscheidung getroffen werden.“
„Das bedeutet, dass die fika in Schweden Teil der Arbeitszeit ist und entsprechend als gemeinsame Zeit angesehen wird“, erläuterte Ninni Löwgren. „Aus Deutschland kennt man die Kaffeepause allerdings als eine echte Pause, in der der Deutsche gern für sich ist. Versäumt man allerdings die fika, läuft man Gefahr, den Anschluss zu verpassen“, sagte Ninni Löwgren.
Sprache des Gastlandes lernen Obwohl viele internationale Unternehmen Englisch als Konzernsprache festgelegt haben, erachteten es die Diskussionsteilnehmer als wichtig, die Sprache des Gastlandes zu lernen.
„Damit zeigt man Respekt für die Kultur des Gastlandes“, so Marc Hoffmann. „Es geht nicht nur darum, den Sinn der Wörter selbst, sondern auch die schwedische Satzmelodie zu verstehen. Denn anhand der Betonung kann man ahnen, was ein Schwede wirklich meint, wenn er sagt, dass eine Idee ‚interessant‘ klingt. Denn es kann bedeuten, dass es sich lohnt, die Idee weiter zu verfolgen – oder eben nicht.“
„Für deutsche Ohren kann sich die schwedische Art der Kommunikation mitunter undeutlich und daher schwer verständlich anhören“, erklärte Ninni Löwgren. „Die Deutschen kommunizieren direkter und klare Ansagen werden nicht als etwas Negatives empfunden. Im Gegenteil: Dann weiß man, was gilt.“
„Ich habe gelernt, dass Deutsche und Schweden unterschiedlich verhandeln“, berichtete Björn Hauber. „In Deutschland werden erst einmal alle Argumente ausgetauscht. Sind sich die Gesprächspartner uneins, kann es auch mal lauter werden. Sobald ein Beschluss gefasst wurde und das Treffen vorbei ist, geht der Deutsche gerne ein Bier mit dem Verhandlungspartner trinken. Ein zurückhaltender Schwede kann das möglicherweise nur schwer verstehen.“
Björn Hauber erwähnte auch, dass Schweden seiner Meinung nach gern Feedback von ihrem Chef bekommen, während Deutsch nach dem Motto „Wenn man nichts hört, ist alles gut“ arbeiten.
Job und Privatleben in Schweden leichter kombinierbar „In Schweden gibt es ein Verb für ‚sich freinehmen, um sein krankes Kind zu betreuen‘. Dass es dafür in Deutschland kein Wort gibt, ist aussagekräftig. In Schweden ist es auch nicht ungewöhnlich, ein Meeting vor Ende zu verlassen, weil man sein Kind aus dem Kindergarten abholen muss“, sagte Marc Hoffmann, der die Vereinbarkeit von Job und Privatleben in Schweden zu schätzen gelernt hat.
Im Anschluss an die Podiumsdiskussion, die in den Räumlichkeiten von Invest in Skåne in Malmö stattfand, tauschten die Gäste aus der deutsch-schwedischen Geschäftswelt ihre persönlichen Erfahrungen bei einem Abendessen aus. |