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Erfahrungen am Großen Belt und am Öresund sorgen für mehr Sicherheit

18.02.2015

Mit einer Länge von rund 18 Kilometern wird der Fehmarnbelt-Tunnel der weltweit längste Absenktunnel für den kombinierten Schienen- und Straßenverkehr. Ein Tunnel dieser Länge im Meeresboden stellt höchste Anforderungen an die Sicherheit. Sicherheitssysteme und Notfallmaßnahmen sind daher ein zentrales Element des Tunneldesigns.

Die Sicherheit ist beim Fehmarnbelt-Tunnel bis ins kleinste Detail bedacht worden. Das begann mit den ersten Entwürfen nach der Unterzeichnung des Staatsvertrages zur Festen Fehmarnbeltquerung zwischen Deutschland und Dänemark im Jahr 2008 und gilt auch heute bei der Prüfung der Angebote von neun Baukonsortien durch Experten und Berater des Bauherrn Femern A/S.

„Sicherheit war das oberste Gebot bei unseren Entwürfen für den Fehmarnbelt-Tunnel. Ausgangspunkt unserer Überlegungen war dabei immer, Unglücke oder schwere Unfällen soweit wie möglich zu vermeiden und, falls es doch zu einem Unfall kommen würde, einen umfassenden Rettungsapparat zu besitzen, der auf jegliche denkbare Situation ausgelegt ist“, erklärt Kim Smedegaard Andersen, Bauingenieur und Leiter der Auftragsvergabe bei Femern A/S.

Der Bau des Fehmarnbelt-Tunnels wird beginnen, sobald das dänische Baugesetz verabschiedet und der deutsche Planfeststellungsbeschluss erlassen ist. Durch die Integration von Sicherheitsvorkehrungen in den Tunnelentwurf wird einer der derzeit sichersten Tunnel entstehen.

Das Risiko für einen schweren Unfall auf der Bahntrasse oder dem Straßenteil liegt damit deutlich unter dem Umfallrisiko auf einer vergleichbaren Strecke an Land. Dies dokumentieren Risikoberechnungen, die ein Beratergremium im Auftrag von Femern A/S erstellt hat. Diese Berechnungen werden zudem durch Analysen des norwegischen Straßenbauamts und des norwegischen Forschungsinstituts SINTEF unterstützt. Sie zeigen, dass das Risiko für schwere Unfälle in modernen Straßentunneln halb so groß ist wie auf ähnlichen Strecken auf offenem Gelände.

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„Als Akzeptanzkriterium gilt, dass der Straßentunnel ebenso sicher sein muss wie ein gewöhnlicher Autobahnabschnitt auf offenem Land in Deutschland und Dänemark. Das Gleiche gilt für die Eisenbahntrasse. Die Risikoberechnungen zeigen, dass wir diese Anforderungen in vollem Ausmaß erfüllen“, erklärt Finn Ennemark, Bauingenieur und Projektleiter für Sicherheit und Notfallmaßnahmen bei Femern A/S.

Der Tunnel wird aus fünf Röhren bestehen: zwei für den Eisenbahnverkehr, zwei für den Straßenverkehr – jeweils mit zwei Fahrstreifen in einer Richtung und einem Standstreifen – sowie einer Röhre zwischen den Straßenröhren als Fluchtweg. Gerade die volle Integration von Notfallmaßnahmen in den Tunnelentwurf machen den Tunnel so sicher, betont Kim Smedegaard Andersen.

„Die hohe Sicherheit lässt sich zum Teil dadurch erklären, dass der Verkehr anders als außerhalb des Tunnels nicht durch Wetterauswirkungen wie Regen, Wind, Nebel, Schnee oder herabfallende Blätter gefährdet wird. Darüber hinaus basieren sowohl Sicherheitskonzept als auch der Tunnelentwurf auf einschlägigen deutschen, dänischen und europäischen Normen und Standards und damit auf dem neuesten Fachwissen zur Tunnelsicherheit. So fließt der Verkehr im Fehmarnbelt-Tunnel zum Beispiel nur in eine Richtung, sodass Autofahrer nicht durch Gegenverkehr geblendet werden oder mit einem entgegenkommenden Fahrzeug kollidieren können“, so Andersen.

Das Sicherheitskonzept für den Fehmarnbelt-Tunnel basiert auf vier Eckpfeilern:
1. Minimierung der Anzahl von Unfällen – durch Vermeidung potenziell gefährlicher Situationen, unter anderem durch entsprechende Maßnahmen im Tunnelentwurf. Zu diesem Zweck wird der Tunnel in einer bemannten Einsatzzentrale rund um die Uhr per Video überwacht. Darüber hinaus finden regelmäßige Kontrollen statt, die auch eingreifen können, wenn beispielsweise ein Auto liegen bleibt. Auch der Tunnelentwurf trägt zur Minimierung von Unfällen bei. So ist zum Beispiel die Neigung der Fahrbahn in beiden Straßentunnelröhren gering, um einem Überhitzen der Bremsen, etwa von Lkws oder Pkws mit Anhängern, vorzubeugen.

2. Minimierung von Unfallfolgen – durch bestmögliche Vorbereitung auf potentielle Unfälle oder Zwischenfälle. Jeder Unfall, beispielsweise ein Fahrzeugbrand, wird von der Kameraüberwachung erfasst, was sofort die entsprechenden Notfallmaßnahmen auslöst. Über laufende Kontrollen und das computergestützte Verkehrsleitsystem mit entsprechender Beschilderung und einer Funkverbindung unter anderem zum Autoradio können der Verkehr angehalten und sämtliche Fahrzeuge aus dem Tunnel evakuiert werden. Dieser gesamte Vorgang kann sehr schnell abgeschlossen werden. Durch die Überwachung kann festgestellt werden, ob sich ein bestimmtes Fahrzeug besonders langsam bewegt. Daraufhin wird das Personal in der Leitstelle automatisch auf einen möglichen Störfall aufmerksam gemacht, der ein schnelles Eingreifen verlangt. Andere Systeme überwachen Luftqualität und Temperatur im Tunnel. Außerdem stehen auch Notruftelefone und Löschausrüstungen zur Verfügung, die Autofahrer nutzen können, bis Hilfe eintrifft. Darüber hinaus werden über die gesamte Tunnellänge Standstreifen eingerichtet sowie Leitwände, die Fahrzeuge bei einem Zusammenprall nicht zurück zur Fahrbahn schleudern. So kann das Risiko für Unfälle weiter verringert werden.

3. Gute Fluchtmöglichkeiten – Personen im Tunnel müssen sich leicht und schnell in Sicherheit bringen können. Der Tunnel ist so eingerichtet, dass der Abstand zum nächsten Notausgang maximal etwa 50 Meter beträgt. Über Hinweisschilder und Lautsprecher werden die Menschen in Notfällen in den sicheren Bereich geführt. Von jeder Tunnelröhre besteht Zugang zu einer sicheren Nachbarröhre, in der zum Beispiel im Brandfall der Druck erhöht werden kann, sodass kein Rauch in die sichere Röhre eindringt. Das Rettungspersonal kann über eine der unfallfreien Röhren in den Tunnel vordringen und beispielsweise über die Notausgänge die Brandbekämpfung und Evakuierung einleiten.

4. Effektive Notfallmaßnahmen – durch schnellen Einsatz von Feuerwehr, Polizei und Rettungsdienst. Gemeinsam mit den für Zivil- und Katastrophenschutz zuständigen deutschen und dänischen Behörden erarbeitet Femern A/S derzeit ein Sicherheits- und Notfallkonzept für den fertiggestellten Tunnel, das einen schnellen und koordinierten Rettungseinsatz von sowohl deutscher als auch dänischer Seite aus gewährleisten soll.

Kim Smedegaard Andersen betont: „Die verwendeten Technologien, Sicherheitssysteme sowie die Fremdrettungsorganisation werden die in der EU, Deutschland und Dänemark geltenden behördlichen Auflagen sogar in mehreren Punkten übertreffen. So ist beispielsweise der Abstand zwischen den Notausgängen geringer als vorgeschrieben.“

Beim Bau des Tunnels dienen die Erfahrungen von der Öresundquerung und der Querung über den Großen Belt als Vorbilder. Diese beiden Querungen, die in den Jahren 2000 bzw. 1997 in Betrieb genommen wurden, haben sich als extrem sicher erwiesen. Nach zusammengezählt fast 33-jährigem Betrieb hat es noch keinen einzigen Unfall mit Todesfolge in einem der Tunnel gegeben. Im Straßentunnel unter dem Öresund kam es bislang zu einem kleineren Brand in einem Lastwagen, den der Fahrer mit einem Pulverlöscher eigenhändig löschen konnte.

„Wir setzen auf die guten Erfahrungen am Öresund und am Großen Belt und haben unseren Entwurf durch einige Elemente ergänzt, die das Unfallrisiko noch weiter verringern“, erklärt Finn Ennemark.

„In beiden Straßentunneln ist über die gesamte Länge des Tunnels ein Standstreifen vorgesehen. Außerdem sind Haltebuchten mit Zugang zu den Stellen vorgesehen, an denen die technischen Anlagen untergebracht sind, die gewartet werden müssen. So können die meisten Wartungsarbeiten ausgeführt werden, ohne dass dabei der Verkehr auf den Fahrstreifen behindert oder eingeschränkt wird.“

Diskussionen über Tunnelsicherheit drehen sich häufig um die beiden schwerwiegenden Tunnelbrände in den Alpen, 1999 im Mont-Blanc-Tunnel und 2001 im Gotthardtunnel. Das Konzept dieser beiden Tunnel unterscheidet sich jedoch deutlich von dem des Fehmarnbelt-Tunnels: In beiden Tunneln herrschte in den Röhren Gegenverkehr, außerdem gab es weder eine zusätzliche Rettungsröhre noch ausreichende Standstreifen. Im Mont-Blanc-Tunnel wurden die Rettungsarbeiten außerdem durch eine unzureichende Koordination zwischen den Rettungsdiensten auf der französischen und der italienischen Seite des privat betriebenen Tunnels erschwert.
Darüber hinaus wurden die Anforderungen an die Tunnelsicherheit nach diesen beiden Unglücken verschärft, was auch in der Planung des Fehmarnbelt-Tunnels berücksichtigt wurde.

Bei Femern A/S arbeitet man seit mehreren Jahren in enger Zusammenarbeit mit den Behörden und Vertretern der zuständigen Einsatzkräfte aus Deutschland und Dänemark mithilfe von Übungen und Szenarien daran, ein optimales Sicherheits- und Notfallkonzept zu entwickeln.

„An diesem Konzept wird noch gefeilt, bis der Tunnel komplett fertiggestellt ist und Übungen im vollen Umfang im fertigen Tunnel abgehalten werden können. Danach wird das endgültige Konzept von den deutschen und dänischen Behörden genehmigt“, erläutert Finn Ennemark.

Die beiden Nachbarländer teilen dasselbe Sicherheitsverständnis, was die Arbeit an der Entwicklung des Sicherheits- und Notfallkonzepts erleichtert.
„An einer unserer Übungen mit einem Modell des Tunnels mit kleinen Modellautos nahmen ein deutsches und ein dänisches Team aus Feuerwehr, Rettungsdienst, Polizei und anderen Rettungskräften teil, die auf einen simulierten Brand im Tunnel reagieren sollten. Es zeigte sich schnell, dass die Teilnehmer auf deutscher wie auf dänischer Seite fast gleich reagierten“, berichtet Finn Ennemark.

„Die Zusammenarbeit funktioniert also perfekt. Die Beteiligten auf beiden Seiten der Grenze sind sich darin einig, wie mit einer gefährlichen Situation umgegangen werden muss. Die Notfallmaßnahmen müssen selbstverständlich fertig entwickelt und verfeinert werden. Das wird in einem laufenden Prozess geschehen bis der Tunnel betriebsbereit ist.“

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Fotos: Femern A/S

Beim Fehmarnbelt-Tunnel wird durchgängig mit mehreren Brandszenarien gearbeitet. Sobald ein Brand entdeckt wird, setzt das Sicherheitspersonal des Tunnels eine Reihe von Systemen in Gang. Als erstes werden kräftige Ventilatoren eingeschaltet, damit der Rauch kontrolliert und in Fahrtrichtung ins Freie geblasen wird.
Außerdem wird der Verkehr aus dem Tunnel evakuiert und der Tunnel mit Schlagbäumen abgesperrt, damit keine weiteren Fahrzeuge in den Tunnel fahren, während die Rettungskräfte im Einsatz sind.

Fahrzeuge vor einem Brandherd oder vor einer Unfallstelle werden den Tunnel normal verlassen, ohne dass die Fahrzeuginsassen etwas von dem Vorfall bemerken. Fahrzeuge hinter einer Unfallstelle werden angehalten und somit nicht dem Rauch ausgesetzt sein, da dieser in Fahrtrichtung nach vorne geblasen wird, während von hinten Frischluft in den Tunnel gelangt. Damit können die Fahrzeuginsassen in ihren Fahrzeugen bleiben oder sich über einen der Notausgänge in einen sicheren Bereich begeben.

Die Einsatzkräfte können gleichzeitig von beiden Seiten des Fehmarnbelts in den Tunnel vordringen, teils über den Standstreifen in der vom Unglück betroffenen Tunnelröhre, teils über die andere Röhre aus der entgegengesetzten Richtung, in beiden Fällen jedoch üblicherweise in normaler Fahrtrichtung.

„Eines der wichtigsten Elemente des Sicherheitskonzepts ist ganz einfach, dass der Tunnel rund um die Uhr überwacht wird und dass die Rettungskräfte in Reichweite sind, damit wir uns sehr schnell einen Überblick über die Situation verschaffen und sofort einschreiten können, wenn ein Unfall passieren sollte“, erklärt Finn Ennemark.

„Da wir wenige Unfälle, d. h. höchstens zwei bis vier pro Jahr, erwarten, überlegen wir im Moment, im Falle eines Unfalls den Verkehr in beide Richtungen anzuhalten, d. h. in beiden Straßenröhren, damit wir von beiden Seiten des Tunnels mit einer Rettungsmannschaft einrücken können. Wenn sich dann herausstellt, dass die Situation nicht so ernst ist, können wir den Tunnel schnell wieder für Teile des Verkehrs öffnen und die Rettungsmannschaft zurückschicken.“

Der Tunnel ist außerdem feuersicher isoliert und kann dadurch über mehrere Stunden hinweg Temperaturen von bis zu 1.350 °C standhalten. Femern A/S erwägt im Moment auch, Wärmemesser und ein Wassernebel- oder Sprinklersystem zu installieren, das die Temperaturen im unteren Bereich halten kann, um die Rauchentwicklung und ein Ausbreiten des Brandherdes zu begrenzen, bis die Rettungsmannschaft eintrifft.

  Quelle: www.femern.de


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