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Erklärung mit Vorbehalt gilt als nicht abgegeben!

19.01.2016

von RA Michael Werner

Die Vergabekammer (VK) Sachsen hat mit Beschluss vom 11.11.2015 – 1/SVK/035-15 – Folgendes entschieden:

• Eine Erklärung, die in einem verschlossenen Umschlag unter der Bedingung „Nur Öffnen im Beisein des Bieters“ abgegeben wird, ist als nicht abgegeben anzusehen.
• Die Nachforderungspflicht des § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A-EG ist nur für Erklärungen, die bereits mit dem Angebot vorzulegen waren, anwendbar.
• Werden Erklärungen, die erst nach Angebotsabgabe abgefordert werden, von dem Bieter nicht vorgelegt, so ist das Angebot gleichwohl auszuschließen.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte Bauleistungen für den Umbau einer Schule im Offenen Verfahren ausgeschrieben, u.a. ein Fachlos „Wärmedämmverbundsysteme und Putzarbeiten“. Bereits in den Vergabeunterlagen war u.a. Folgendes festgelegt: „Der Bieter hat auf Verlangen der Vergabestelle die Urkalkulation und/oder die von ihr benannten Formblätter mit Angaben zur Preisermittlung sowie die Aufgliederung wichtiger Einheitspreise ausgefüllt zu dem von der Vergabestelle bestimmten Zeitpunkt vorzulegen.“ Nach Angebotsabgabe hatte der AG diese Urkalkulation von mehreren Bietern abgefordert. Bieter A hatte diese Urkalkulation in einem verschlossenen Umschlag überreicht und diesen mit folgender Bemerkung versehen: „Nur Öffnen im Beisein des Bieters“. Wegen dieses Vermerks war daraufhin das Angebot des A vom weiteren Verfahren ausgeschlossen worden. Hiergegen beantragte A Nachprüfung bei der VK.

Die VK gibt hier dem AG Recht. Das Angebot sei zu Recht vom Verfahren ausgeschlossen worden, da die Urkalkulation aufgrund des Vermerks auf dem Umschlag als nicht abgegeben gelte. Insofern verweist die VK auf die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf (z.B. Beschluss vom 15.03.2010 – Verg 12/10). Der Auftraggeber sei nicht befugt, die von einem Bieter eingereichten Unterlagen gegen dessen erklärten Willen zu öffnen oder einzusehen. Er sei an die Vorgabe eines Bieters, ein Umschlag dürfe nur in seinem bzw. im Beisein eines Vertreters geöffnet werden, rechtlich gebunden. Indes seien derartige Vorgaben, Vorbehalte oder Bedingungen vergaberechtlich nicht zugelassen und nicht hinzunehmen. Würden sie von einem Bieter dennoch gemacht, seien die mit einer Bedingung oder einem Vorbehalt belegten Erklärungen im Rechtssinn als nicht abgegeben bzw. eingereicht zu werten. Die eingegangenen Angebote müssten dem AG in jeder durch die Vergabebekanntmachung und die Verdingungsunterlagen vorgegebenen Hinsicht zur vorbehaltlosen Kenntnisnahme und Prüfung offenstehen. So liege auch hier der Fall. Die Urkalkulation gelte wegen des Vermerks als nicht abgegeben. Auch eine Nachforderungspflicht hinsichtlich dieser Urkalkulation nach § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A bestehe nicht. Denn einmal habe die Erklärung körperlich vorgelegen, konnte wegen des Vermerks durch den AG jedoch nicht zur Kenntnis genommen werden. Des Weiteren gelte die Nachforderungspflicht (des § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A) nur für Erklärungen und Nachweise, die bereits mit dem Angebot vorzulegen waren. Dies sei auch Sinn und Zweck der Nachforderungspflicht. Durch diese Pflicht des AG solle verhindert werden, dass Angebote aus rein formalen Gründen ausgeschlossen werden müssten, weil eine oder einzelne Erklärungen nicht vorgelegt worden seien. Da in der Regel eine Vielzahl an angebotsbezogenen und bieterbezogenen Erklärungen und Nachweise vorzulegen seien, liefen die Bieter leicht Gefahr, einzelne Erklärungen zu vergessen. Anders verhalte es sich jedoch in einem Fall wie dem vorliegenden: Stelle der Auftraggeber nach Angebotseinreichung gesondert das Verlangen, bestimmte Unterlagen einzureichen, seien die Bieter in einer anderen Situation. Sie könnten sich jetzt unter Anwendung der gebotenen Sorgfalt auf die Bearbeitung des gesonderten Verlangens einstellen und konzentrieren, weil erfahrungsgemäß nur wenige Unterlagen ergänzend vorzulegen seien. Dies gelte erst recht, wenn – wie hier – die Unterlagen schon in den Vergabeunterlagen benannt und deren Abforderung angekündigt worden sei. Ein Schutz des Bieters vor geringfügigen Versäumnissen bedürfe es dann nicht mehr. Dies rechtfertige es, den Fall einer gesonderten Aufforderung des Auftraggebers zur Einreichung von Unterlagen bei Nichtvorlage nicht der Nachforderungspflicht des § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A zu unterstellen.
Deshalb war das Angebot des A auszuschließen.

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RA Michael Werner

Partner in der Kanzlei
ZIRNGIBL LANGWIESER
Rechtsanwälte Partnerschaft mbB

Haus Cumberland
Kurfürstendamm 194
D - 10707 Berlin
E-Mail: M.Werner@zl-legal.de
www.zl-legal.de

Anmerkung:
Gemäß dieser Entscheidung sollten speziell Bieter Folgendes beachten:
Kündigt der Auftraggeber bereits in den Vergabeunterlagen an, nach Angebotsabgabe bestimmte Nachweise und Erklärungen vom Bieter abzufordern, muss davon ausgegangen werden, dass bei Nichtvorlage dieser Unterlagen keine Pflicht des AG mehr besteht, diese nach § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A nachzufordern; vielmehr laufen die Bieter dann Gefahr, dass die Nichtvorlage zum Ausschluss des Angebots führt. Darüber hinaus sollten Bieter unbedingt beachten, einzureichende Unterlagen nicht mit Vorbehalten oder Sperrvermerken zu versehen. Auch wenn in der Regel die Urkalkulation durch den Auftraggeber vertraulich zu behandeln ist, ist von solchen Sperrvermerken oder Vorbehalten unbedingt Abstand zu nehmen, insbesondere, wenn die Vergabeunterlagen vorsehen, dass die Urkalkulation ohne Einschränkungen vorzulegen ist.

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