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Ersetzung von „Büroreferenzen“ durch „Mitarbeiterreferenzen“?

12.05.2015

Die Vergabekammer (VK) Südbayern hat mit Beschluss vom 17.03.2015 – Z 3-3-3194-1-56-12/14 – Folgendes entschieden:

Ein neugegründetes Unternehmen (hier: Architekturbüro) kann sich auf (Büro-) Referenzen eines Vorgängerbüros berufen, soweit eine weitgehende Identität zwischen den Personen, die für die Referenzaufträge zuständig waren und den Mitarbeitern im neugegründeten Unternehmen, die für die Ausführung des strittigen Auftrags vorgesehen sind, festgestellt werden kann.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte im Rahmen einer Generalsanierung „Objektplanungsleistungen Gebäude“ nach der VOF europaweit ausgeschrieben. In der Bekanntmachung forderte er u.a. den Nachweis, dass die Bewerber bereits drei vergleichbare Referenzprojekte über Sanierungsmaßnahmen in den letzten zehn Jahren nachweisen sollten. Nach Prüfung und Wertung der Teilnahmeanträge und der Angebote sollte ein Büro bezuschlagt werden, das erst im Jahr 2011 gegründet worden war und nur eine dieser „Büroreferenzen“ vorweisen konnte. Bezüglich der beiden weiteren Referenzen verwies dieses Büro darauf, dass das konkret vorgesehene Projektteam von fünf Personen zuvor bei einem anderen Architekturbüro tätig gewesen sei. Dort hätten diejenigen Personen, die jetzt im Projektteam tätig seien, zwei vergleichbare Leistungen erbracht, sodass insgesamt drei vergleichbare Büroreferenzen vorhanden seien. Der AG folgte dieser Argumentation und rechnete die beiden Referenzen des Projektteams dem Bewerber zu. Ein konkurrierendes Architekturbüro monierte dies und beantragte Nachprüfungsverfahren.

Die VK Südbayern gibt hier dem AG recht. Auch wenn Referenzen in der Form von Büroreferenzen gefordert würden, seien Referenzen in erster Linie personengebunden. Es sei daher grundsätzlich nicht zu beanstanden, sich auf Referenzen zu berufen, die für einen früheren Arbeitgeber erbracht wurden. Dies habe im besonderen für das VOF-Verfahren zu gelten, bei dem die Leistung einen ganz persönlichen Charakter aufwiesen. Entscheidend sei immer, welchen Beitrag der jeweilige Mitarbeiter im Rahmen der Erarbeitung einer Referenz erbracht und welche Phase des entsprechenden Projekts dieser begleitet habe. Ein Bieter, der durch Neugründung aus einem Unternehmen hervorgegangen sei, die gleichen Personen beschäftige, über das bisher vorhandene Know-how verfüge und mit im Wesentlichen denselben Anlagen und Werkzeugen arbeite, könne auch auf Arbeiten als Referenz verweisen, die dieselben Mitarbeiter in der früheren Firma erbracht hätten. Allerdings könnten diese Büroreferenzen des bisherigen Unternehmens nur berücksichtigt werden, soweit eine weitgehende Identität zwischen den Personen, die für die Referenzaufträge zuständig waren und den Mitarbeitern im neugegründeten Unternehmen festgestellt werden könne. Denn nur bei einer derartigen Fallkonstellation könne der Auftraggeber sicher sein, dass das neugegründete Unternehmen Gewähr dafür biete, dass die bisherigen Leistungen des vorigen Unternehmens und des Referenzgebers auch weiterhin in vergleichbarer Qualität erbracht würden. Entscheidend sei deshalb, ob der hier für den Zuschlag vorgesehene Bieter den ausgeschriebenen Auftrag vollständig oder zumindest zu einem ganz überwiegenden Teil durch das Personal des in den Referenzen genannten Unternehmens durchführen werde. Dies sei hier der Fall.

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RA Michael Werner

Partner in der Kanzlei
ZIRNGIBL LANGWIESER
Rechtsanwälte Partnerschaft mbB

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Kurfürstendamm 194
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E-Mail: M.Werner@zl-legal.de
www.zl-legal.de

Anmerkung:
Eine für alle Planungsbüros äußerst interessante Entscheidung. Wesentlich ist hier, dass das jetzt vorgesehene Projektteam bereits in dieser Konstellation die früheren Referenzleistungen erbracht hat. Wenn sich also ein Bewerber auf Referenzen berufen will, die er für ein anderes Architekturbüro erbracht hat, ist es daher nicht ausreichend, dass nur der vorgesehene Projektleiter bzw. stellv. Projektleiter an der Referenz mitgewirkt hat. Nach er o.g. Entscheidung muss daher auch im sonstigen Projektteam eine weitgehende Identität zwischen den Personen bestehen, die für die Referenzaufträge zuständig waren und jetzt den neuen Auftrag übernehmen sollen.

  Quelle: RA Michael Werner


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