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Es gibt keine ungeschriebenen Eignungskriterien!

21.12.2020

von RA Michael Werner

Das OLG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 14.10.2020 – Verg 36/19 – u. a. folgendes entschieden:

• Bei den vom öffentlichen Auftraggeber herangezogenen Eignungskriterien darf es sich ausschließlich um die in § 122 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 3 GWB genannten Kriterien handeln. Die Kriterien sind abschließend.

• Für ungeschriebene Eignungskriterien, deren Verneinung zum Ausschluss des Bieters führen könnte, ist neben den normierten Ausschlusstatbeständen der §§ 123, 124 GWB kein Raum. Das gilt auch für das von Bieterunternehmen zu erfüllende geforderte Eignungsmerkmal der "rechtlichen Leistungsfähigkeit".

• Etwaige öffentlich-rechtliche Beschränkungen des Tätigkeitsfelds eines Bieters lassen dessen Eignung nicht entfallen.

Eine Großstadt hatte als öffentlicher Auftraggeber (AG) im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb die Gründung einer Planungs- und Baugesellschaft europaweit ausgeschrieben, deren Aufgabe der Bau sowie die Sanierung und Unterhaltung städtischer Gebäude sein sollte. Umfasst waren dabei auch Planungs- und Ingenieurleistungen. Gesucht wurde ein leistungsfähiger privater Partner, der das hohe Investitionsvolumen in der gemeinsamen Gesellschaft effizient umsetzen konnte. Im Verhandlungsverfahren standen sich zwei Wettbewerber gegenüber, das ausgewählte Unternehmen (A) war die Tochter einer Universitätsklinik. Der Wettbewerber (B) rügte die Vergabeentscheidung u.a., weil er der Auffassung war, es sei der Universitätsklinik landesrechtlich verwehrt, eine Tochtergesellschaft für derartige Tätigkeiten zu gründen. Die Vergabekammer hatte den Nachprüfungsantrag des B zurückgewiesen; dagegen richtete sich dessen sofortige Beschwerde.

Das OLG entscheidet, dass der Nachprüfungsantrag unbegründet ist, soweit B die fehlende Eignung des A rügt. Eine etwaige öffentlich-rechtliche Beschränkung des Tätigkeitsfelds des A (durch Vorschriften der Nordrhein-westfälischen Universitätsklinikum-Verordnung (UKVO) i.V.m. Vorschriften der Satzung des Universitätsklinikums), wie sie B geltend mache, lasse die Eignung des A nach den in § 122 GWB i.V.m. §§ 123, 124 GWB, 42 ff. VgV abschließend geregelten Eignungs- und Ausschlusstatbeständen nicht entfallen. Wie sich aus dem Wortlaut des § 122 Abs. 2 Satz 2 GWB, § 42 Abs. 1 VgV ergebe, dürfe es sich bei den vom öffentlichen Auftraggeber herangezogenen Eignungskriterien ausschließlich um die in § 122 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 3 GWB genannten Kriterien handeln, die in §§ 42 ff. VgV weiter konkretisiert würden. Diese Kriterien seien abschließend, für ungeschriebene Eignungskriterien, deren Verneinung zum Ausschluss des Bieters führen könne, sei neben den normierten Ausschlusstatbeständen der §§ 123, 124 GWB kein Raum. Das gelte auch für das vom gleichen OLG-Senat in früherer Rechtsprechung als von Bieterunternehmen zu erfüllen geforderte Eignungsmerkmal der "rechtlichen Leistungsfähigkeit", für das nach der heutigen Gesetzessystematik über die gesetzlich geregelten Einzelaspekte hinaus kein Anwendungsbereich verbleibe. Danach komme ein Ausschluss des A mangels Eignung hier nicht in Betracht. A erfülle die vom AG gemäß § 122 Abs. 2 Satz 1 und 2 GWB wirksam aufgestellten Eignungsanforderungen.

Den vom AG zum Nachweis der Befähigung und Erlaubnis zur Berufsausübung gemäß § 122 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 GWB, § 44 Abs. 1 VgV mit der Auftragsbekanntmachung verlangten Handelsregisterauszug habe A vorgelegt. Entgegen der Ansicht des B erfasse das Eignungsmerkmal der "Befähigung und Erlaubnis zur Berufsausübung" gemäß § 122 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 GWB, § 44 VgV nur diesen Nachweis und sei insoweit abschließend. Es erstrecke sich nicht auch darauf, ob die unternehmerische Tätigkeit des A mit den Vorschriften der UKVO und der Satzung des Universitätsklinikums zu vereinbaren sei. Andere Eignungsanforderungen habe der AG nach der Gestaltung und dem Inhalt ihrer Auftragsbekanntmachung schon gar nicht wirksam aufgestellt. Allerdings würden auch weitere wirksam aufgestellte Eignungsanforderungen nach § 122 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und 3 GWB sich wegen ihres abschließenden Charakters nicht darauf erstrecken, dass die wirtschaftliche Betätigung des A auch von den Vorschriften der UKVO und der Satzung des Universitätsklinikums N. gedeckt sei.

Schließlich liege auch keiner der Ausschlusstatbestände der §§ 123, 124 GWB vor. Die Frage, ob A den öffentlich-rechtlichen Tätigkeitsbeschränkungen nach den Vorschriften der UKVO und der Satzung des Universitätsklinikums unterliege, betreffe damit nicht den Numerus clausus der gesetzlich vorgesehenen Eignungsanforderungen und die in diesem Zusammenhang formulierten Ausschlusstatbestände, sondern einen davon nicht erfassten Aspekt der späteren Vertragserfüllung.

Auf die von B unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Eignung aufgeworfene Frage, ob A hinsichtlich ihres Tätigkeitsfelds öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterliege, komme es auch aus anderen Gründen als denen mangelnder Eignung nicht an. Soweit der Senat, worauf sich B hier berufe, in früheren Entscheidungen die Verletzung eines gesetzlichen Marktzutrittsverbots als einen Wettbewerbsverstoß beziehungsweise Verstoß gegen den Wettbewerbsgrundsatz aus § 97 Abs. 1 GWB a.F. angesehen habe, der zu einem Ausschluss des betreffenden Bieters vom Vergabeverfahren zwinge, halte er hieran unter Geltung des für das vorliegende Vergabeverfahren maßgeblichen Vergaberechts in der Fassung des Vergaberechtsmodernisierungsgesetzes 2016 nicht mehr fest.
Gegen den Ausschluss eines Unternehmens vom Vergabeverfahren wegen eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsprinzip gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 GWB spreche bereits, dass ein entsprechender Ausschlusstatbestand im Gesetz nicht geregelt sei. Weder § 123 GWB noch § 124 GWB sähen einen solchen Ausschlusstatbestand vor. Eine Ausschlussmöglichkeit sei dort nur für bestimmte Fälle möglicher Wettbewerbsbeeinträchtigungen vorgesehen (so in § 123 Abs. 1 Nr. 8, § 124 Abs. 1 Nr. 4 oder in § 124 Abs. 1 Nr. 9 GWB,) aber nicht für den Fall eines Verstoßes gegen den Wettbewerbsgrundsatz des § 97 Abs. 1 Satz 1 GWB als solchen.

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Anmerkung:
Die Entscheidung ist deshalb von besonderer Bedeutung, da sich das OLG Düsseldorf darin von seiner früheren Rechtsprechung ausdrücklich verabschiedet (z.B. Beschlüsse vom 09.11.2011 - Verg 35/11 vom 04.05.2009 - Verg 68/08, vom 13.08.2008 - Verg 42/07, vom 17.06.2002 - Verg 18/02). Danach musste auch das Eignungsmerkmal der sog. „rechtlichen Leistungsfähigkeit“ erfüllt sein, d.h. der Bieter musste auch rechtlich dazu in der Lage sein, die Leistung anzubieten, was regelmäßig z.B. aus Gründen des Patentschutzes eines Wettbewerbers (Stichwort: Angebot kann patentrechtlich untersagt werden: Bieter ist ungeeignet) oder kompetenzrechtlichen Gründen verneint wurde. Ebenso wurde die Verletzung von Marktzutrittsschranken als Wettbewerbsverstoß erkannt.

Tempi passati – wie das OLG selbst feststellt - das heißt: Nach dem 2016 modernisierten Vergaberecht sind ausschließlich die in § 122 GWB festgelegten Eignungskriterien entscheidend. Ist jedoch ein Bieter aus rechtlichen Gründen nicht in der Lage, das zu leisten, was er in seinem Angebot verspricht, hat dies später lediglich vertragsrechtliche Konsequenzen, führt aber nicht mehr zur Verneinung der Eignung des Bieters.

  Quelle:


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