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Europäische Kommission sollte Kartellrechtsverfahren und Fusionskontrolle verstärken,

30.11.2020

um sich für eine zunehmend globalisierte Welt zu wappnen

Die Europäische Kommission, die für die Durchsetzung der EU-Wettbewerbsregeln zuständig ist, hat ihre Befugnisse bei Fusionskontroll- und Kartellrechtsverfahren im Großen und Ganzen gut genutzt und mit ihren Entscheidungen wettbewerbsrechtlichen Bedenken Rechnung getragen. Den komplexen neuen Herausforderungen bei der Durchsetzung des Wettbewerbsrechts auf digitalen Märkten, den immer größeren zu analysierenden Datenmengen und den Einschränkungen bei den verfügbaren Durchsetzungsinstrumenten wird sie jedoch noch nicht vollständig gerecht. Dies ist der Tenor eines vom Europäischen Rechnungshof heute veröffentlichten Berichts. Darüber hinaus stellten die Prüfer fest, dass die Kommission nur über begrenzte Kapazitäten zur Überwachung der Märkte, zur proaktiven Aufdeckung von Verstößen gegen das Kartellrecht und zur Überprüfung der Richtigkeit von Informationen zu Fusionen verfügt.

Die EU-Wettbewerbsregeln sollen verhindern, dass Unternehmen sich auf wettbewerbswidrige Praktiken, wie geheime Kartelle, einlassen oder ihre marktbeherrschende Stellung missbrauchen. Die Kommission kann Geldbußen gegen Unternehmen verhängen, die gegen diese Regeln verstoßen. In den vergangenen 10 Jahren hat die Durchsetzung des Wettbewerbsrechts aufgrund der Entstehung von digitalen Märkten, Big Data und Preissetzungsalgorithmen erhebliche Veränderungen hinsichtlich der Marktdynamik erfahren. Die Prüfer untersuchten, ob die Kommission die Regeln in Fusionskontroll- und Kartellrechtsverfahren ordnungsgemäß durchgesetzt hat. Sie bewerteten, wie wirksam die Kommission Verstöße aufdecken und untersuchen konnte und wie gut sie mit den nationalen Wettbewerbsbehörden (NWB) zusammengearbeitet hat.

"Im vergangenen Jahrzehnt hat die Kommission ihre Befugnisse in Fusionskontroll- und Kartellrechtsverfahren wirksam genutzt", so Alex Brenninkmeijer, das für den Bericht zuständige Mitglied des Europäischen Rechnungshofs. "Nun sollte sie jedoch die Marktaufsicht verstärken, um sich für eine zunehmend globale und digitale Welt zu wappnen. Sie muss besser darin werden, Verstöße proaktiv aufzudecken, und ihre Untersuchungen umsichtiger auswählen. Dies wird gemeinsam mit einer stärkeren Zusammenarbeit mit den NWB dazu führen, dass das Wettbewerbsrecht innerhalb des EU-Binnenmarkts besser durchgesetzt wird, um Unternehmen und Verbraucher zu schützen."

Die Prüfer stellten fest, dass die Ressourcen, die der Kommission zur Verfügung standen, um die Märkte zu überwachen und dabei potenzielle Probleme aufzuspüren und um – über die Bearbeitung von Wettbewerbsbeschwerden hinaus – selbst Kartellrechtsfälle aufzudecken, relativ begrenzt waren. Sektoruntersuchungen sind ressourcenintensiv: Beispielsweise war für die Untersuchung der Kommission im Bereich elektronischer Handel aus dem Jahr 2015 ein Team von 15 Vollzeitkräften über einen Zeitraum von zwei Jahren erforderlich. Die Prüfer ermittelten, dass die Zahl der von Amts wegen eingeleiteten Fälle seit 2015 zurückgegangen ist. Ein ähnlicher Rückgang war auch bei der Kronzeugenregelung zu beobachten, bei der Unternehmen Insiderinformationen zu wettbewerbswidrigen Praktiken melden und im Gegenzug einen Erlass oder eine Ermäßigung der Geldbußen erhalten. Zudem muss die Kommission entscheiden, welchen Fällen sie bei ihren Untersuchungen Priorität einräumt. Sie traf diese Entscheidung auf der Grundlage von Kriterien, die jedoch nicht klar gewichtet wurden, um dafür zu sorgen, dass die Fälle mit dem höchsten Risiko ausgewählt werden. Im Bereich der Fusionskontrolle steht die Kommission vor weiteren Herausforderungen: Die Menge an zu überprüfenden Daten steigt stetig, ebenso wie die Zahl der zu analysierenden Fusionen. Die Kommission hat ihre Verfahren für einige weniger risikoreiche Fusionen in gewissem Maße bereits vereinfacht, muss diese Vereinfachung jedoch noch fortführen. Ferner stellten die Prüfer fest, dass einige bedeutsame Transaktionen nicht von der Kommission geprüft wurden, weil die Unternehmen gemäß den in den EU-Rechtsvorschriften festgelegten Umsatzschwellen nicht verpflichtet waren, sie der Kommission zu melden.

Die Kommission traf alle Fusionskontrollentscheidungen innerhalb der rechtlich vorgeschriebenen Fristen, ihre Kartellrechtsverfahren dauern jedoch nach wie vor lange (bis zu acht Jahre). Dadurch kann sich die Wirksamkeit der Durchsetzungsentscheidungen verringern. Dies trifft umso mehr auf die sich rasch entwickelnden digitalen Märkte zu, wo die Kommission mit komplexen Untersuchungen konfrontiert ist. Mittlerweile sind die ihr zur Verfügung stehenden rechtlichen Instrumente unter Umständen nicht mehr vollumfänglich geeignet, um diese neuen Arten von Wettbewerbsproblemen zu bewältigen. Außerdem stellten die Prüfer fest, dass die Kommission zwar rekordverdächtig hohe Geldbußen gegen Unternehmen verhängt, deren abschreckende Wirkung jedoch nie bewertet hat.

Die Kommission arbeitete im Allgemeinen gut mit den NWB zusammen, wusste jedoch nur wenig über deren Durchsetzungsprioritäten. Gleichzeitig wurde die Marktüberwachung von der Kommission und den NWB nicht eng koordiniert, und nur selten wurden Fälle von den NWB an die Kommission verwiesen. Ein Frühwarnmechanismus soll dafür sorgen, dass die Verteilung der Fälle optimiert wird und ähnliche Fälle des Verhaltens ein und desselben Unternehmens nicht von mehreren NWB untersucht werden müssen. Dieser Mechanismus wurde von den NWB jedoch nicht umfassend genutzt. Schließlich wurde die Wirksamkeit der Entscheidungen von der Kommission nicht regelmäßig bewertet, auch wenn dies dazu beigetragen hätte, ihre künftige Entscheidungsfindung und die Verteilung der Ressourcen zu verbessern.

Die Prüfer sprechen Empfehlungen aus, die der Kommission dabei helfen sollen, ihre Kapazität zur proaktiven Aufdeckung von Verstößen zu verbessern, das Wettbewerbsrecht wirksamer durchzusetzen, die Koordination mit den NWB über das Europäische Wettbewerbsnetz zu stärken und besser über ihre eigene Leistung zu berichten.

  Quelle: ECA Press


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