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Fehlende Dokumentation: Abnahmeverweigerung?

09.06.2016

von Ra Michael Seitz

Eine fehlende Dokumentation berechtigt den Auftraggeber in der Regel nicht, die Abnahme zu verweigern, denn es handelt sich lediglich um einen unwesentlichen Mangel.

Dies hat das OLG Frankfurt mit Urteil vom 28.02.2015 (Az. 16 U 135/14) entschieden. Die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH wurde zurückgenommen.

Der Fall: AG beauftragt AN aufgrund eines VOB/B-Vertrages mit umfangreichen Bauleistungen. Nach Ziffer 14.2 des Verhandlungsprotokolls, das Vertragsinhalt wurde, hat der AN baubegleitend Unterlagen zu erstellen und im Datenformat „dwg“ zu liefern. In Ziffer 3.2 des Verhandlungsprotokolls ist außerdem geregelt, dass für bestimmte Messungen ein Ausdruck zu erstellen und nachzuweisen ist. Nach Ausführung stellt AN seine Schlussrechnung über knapp € 230.000,00. AG zahlt nicht und macht unter anderem geltend, AN habe keine lesbare Dokumentation der Meßprotokolle geliefert. Dies sei ein erheblicher Mangel. Die Leistung des AN sei nicht abnahmereif, der Werklohn daher nicht fällig. AN verweist darauf, dass er die geforderten Dokumente im Datei-Format „dwg“ geliefert habe.

Das Urteil: Die Werklohnklage des AN hat überwiegend Erfolg. Einen Betrag von € 10.100,00 erhält AG allerdings nur Zug um Zug gegen Gestellung einer gedruckten Dokumentation der Messdaten. Das OLG Frankfurt ist der Ansicht, die fehlende Dokumentation sei lediglich ein unwesentlicher Mangel. AG sei daher nicht berechtigt gewesen, die Abnahme zu verweigern. Er hat allerdings ein Zurückbehaltungsrecht in Höhe von € 10.100,00. AN habe sich verpflichtet, für die Messdaten eine gedruckte Dokumentation zu liefern. Daher reicht die – unstreitig erfolgte – Dokumentation auf dem Datenträger nicht aus, denn das Dateiformat „dwg“ sei für Messprotokolle nicht geeignet. Vielmehr sei AN verpflichtet, die Messungen – wie in Ziffer 3.2 des Verhandlungsprotokolls vereinbart – als Ausdruck zu liefern. AG sei daher gemäß § 641 Abs. 3 BGB berechtigt, das Doppelte der für die Erstellung der Dokumentation erforderlichen Kosten einzubehalten, bis AN die ausgedruckten Meßprotokolle liefert. Für die Erstellung einer gedruckten Version der Meßprotokolle schätzt das Gericht einen Aufwand von € 5.050,00, sodass AG € 10.100,00 bis zu deren Lieferung zurückhalten kann.

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Fazit: Nur allzu gern versuchen Auftraggeber, Zahlungen zu verzögern oder gar die Abnahme zu verweigern, weil ihnen bestimmte Dokumentationen nicht vorgelegt werden. Insoweit ist die Entscheidung des OLG Frankfurt zu begrüßen. Allerdings lässt sich die Frage, ob die Nichtvorlage einer Dokumentation einen wesentlichen Mangel darstellt, kaum generell beantworten, vielmehr kommt es stets auf die Umstände des Einzelfalls an. So dürfte etwa im Anlagenbau, aber auch schon bei einer einfachen Heizungsanlage eine fehlende Dokumentation im Sinne einer Betriebsanleitung einen wesentlichen Mangel darstellen, wenn AG die Anlage ohne Betriebsanleitung nicht in Betrieb nehmen kann. Ebenso ist es ein wesentlicher Mangel, wenn AN es versäumt, eine Dokumentation vorzulegen, zu der er gesetzlich verpflichtet ist. Auftragnehmer tun daher gut daran, derartige Streitigkeiten von vorn herein zu vermeiden und sorgfältig zu prüfen, welche Dokumentationen sie nach dem Vertrag schulden und diese dann auch zeitnah vorzulegen.

  Quelle: Ra Michael Seitz


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