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Fehlende Leistungsfähigkeit eines Bieters bei zu wenig Umsatz?

11.01.2013

Die Vergabekammer des Bundes hat mit Beschluss vom 4. Oktober 2012 – VK 2-86/12 – u. a. folgendes entschieden:

Bei der Beurteilung der Eignung eines Bieters kommt es entscheidend darauf an, inwieweit die umfassend zu prüfenden und abzuwägenden
Umstände des Einzelfalls die Prognose erlauben, dass der Bieter gerade die ausgeschriebenen Leistungen vertragsgerecht erbringen kann.


Aus dem Verhältnis des Auftragsumfangs zu den bisherigen Jahresumsätzen des Bieters kann nicht pauschal auf dessen mangelnde wirtschaftliche bzw. personelle Leistungsfähigkeit geschlossen werden.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte Brandschutz- und Instandsetzungsmaßnahmen für ein Dienstgebäude im Offenen Verfahren nach VOB/A europaweit ausgeschrieben. Zum Nachweis der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit waren eine Bestätigung eines vereidigten Wirtschaftsprüfers/Steuerberaters oder entsprechend testierte Jahresabschlüsse bzw. Gewinn- und Verlustrechnungen vorzulegen. Der AG versuchte erfolglos, den Bieter A mit unterschiedlichen Argumenten vom Vergabeverfahren auszuschließen: So ließen die Jahresumsatzzahlen in Relation zum Auftragsvolumen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit entfallen. Ferner sei die Anzahl der in den letzten Jahren durchschnittlich beschäftigen Mitarbeiter zu gering, um den ausgeschriebenen Auftrag zu bewältigen. Bieter A wandte sich gegen die Eignungsprüfung. Nach seiner Argumentation lasse sich eine mangelnde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht pauschal aus den Jahresumsätzen ableiten. Überdies habe der AG willkürlich und nachträglich Mindestanforderungen an die Eignung gestellt, die zuvor nicht bekannt gemacht worden seien. Die VK des Bundes gibt hier dem Bieter Recht. Der AG habe hier den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum überschritten. Eine pauschale Vermutung der fehlenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit aufgrund der Relation von Jahresumsatz des Bieters und Auftragsvolumen zur Ausschreibung reiche nicht aus. Vielmehr müsse eine prognostische Einzelfallprüfung erfolgen. Ebenso verhalte es sich bei der Beurteilung der Anzahl der Mitarbeiter, da Bieter vor Auftragserteilung grundsätzlich nicht verpflichtet seien, eine ausreichende Anzahl von Mitarbeitern vorzuhalten. Die Erwägungen des AG müssten erkennen lassen, dass er bei der Beurteilung der Eignung keine relevanten Beurteilungsfehler gemacht habe. Ein Beurteilungsfehler liege insbesondere dann vor, wenn die Entscheidung auf sachfremden Erwägungen oder Mutmaßungen beruhe, die Tatsachengrundlage für eine sachgerechte Entscheidung zu dürftig sei oder wenn der AG seine eigenen Vorgaben für die Eignungsprüfung missachte. Auch die Erwägungen zur fachlichen Leistungsfähigkeit seien hier sachfremd. Der angewandte Prüfungsmaßstab vergleichbarer Referenzen führe hier de facto zu nicht bekannt gemachten Mindestanforderungen, die bereits in der Vergabebekanntmachung veröffentlicht hätten werden müssen. Insoweit genüge es keineswegs, nur auf § 6 Abs. 3 VOB/A in der Bekanntmachung hinzuweisen, da der Schutzzweck der Vorschrift in diesem Fall verletzt werde.

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Anmerkung:
Die VK Bund hat hier bei der Eignungsprüfung zwei wesentliche Punkte festgehalten: Erstens hat allein die Angabe des Umsatzes eines Bieters für sich genommen keinen Erkenntniswert. Zweitens dürfen keine überzogenen Anforderungen an die Vergleichbarkeit von Referenzen gestellt werden. Vergabestellen sollten daher den Maßstab ihrer Eignungsprüfung bekanntmachen und geforderte Eignungsnachweise in Relation zum Auftragsgegenstand im Voraus bewerten und dokumentieren.

  Quelle: RA Michael Werner


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