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Fehlerhafte Wertung wegen nicht bekannt gemachter Wertungskriterien

27.09.2013

Die Vergabekammer (VK) Bund hat mit Beschluss vom 12.04.2013 – VK 1-15/13 – folgendes entschieden:

• Dem Auftraggeber steht bei der Wertung der Angebote nach den bekanntgegebenen Zuschlagskriterien (sog. 4. Wertungsstufe) ein Beurteilungsspielraum zu. Die Wertung von Angeboten kann daher nur auf Beurteilungsfehler hin überprüft werden.

• Die Bewertung eines Angebotes ist beurteilungsfehlerhaft, wenn der Auftraggeber das Fehlen eines detaillierten Erläuterungsberichtes beanstandet, die Vorlage eines solchen Berichtes aber weder in der Wertungsmatrix noch in den Vergabeunterlagen verlangt wurde.

Ein öffentlicher (Sektoren-) Auftraggeber (AG) hatte die Erneuerung einer Eisenbahnüberführung europaweit im Offenen Verfahren ausgeschrieben. Zuschlagskriterien waren der Preis (Gewichtung 85 %) sowie „Terminplanung“ (Gewichtung 10 %) und „Logistik“ (Gewichtung 5 %). Diese wurden entsprechend der beigefügten Wertungsmatrix mit 0 – 5 Punkten bewertet und anschließend entsprechend der Gewichtung zueinander ins Verhältnis gesetzt. Für die Kriterien Terminplanung und Logistik sah die Wertungsmatrix vor, dass jeweils 1 Punkt vergeben wurde, wenn die dazu genannten Anforderungen erfüllt waren. Dabei konnte ein höherer Punktwert (max. 5 Punkte) nur dann erreicht werden, wenn die Anforderung für die den jeweils niedrigeren Punktwert ebenfalls erfüllt war. Beim Kriterium „Logistik“ sollte ein Wertungspunkt vergeben werden, wenn ein technisch nachvollziehbarer Erläuterungsbericht vorhanden war und „Übersichtspläne (Sicherheits- und Gesundheitsplan - SiGe) berücksichtigt bzw. technisch nachvollziehbar“ waren. Das Angebot des Bieters A erhielt beim Kriterium „Logistik“ 0 Punkte. Begründet wurde dies mit der fehlenden Vorlage eines zusätzlichen, detaillierten Erläuterungsberichts und fehlenden Angaben zur SiGe-Planung gestützt. Hiergegen wehrte sich A mit Antrag zur Vergabekammer.

Die Vergabekammer gibt hier Bieter A recht. Die geplante Zuschlagsentscheidung verstoße gegen § 97 Abs. 5 GWB, § 29 Abs. 1 SektVO, da ihr eine fehlerhafte Wertung des Angebotes des A nach den Zuschlagskriterien zugrunde liege. Dem AG stehe bei der Wertung der Angebote nach den bekanntgegebenen Zuschlagskriterien (sog. 4. Wertungsstufe) ein Beurteilungsspielraum zu. Die Angebotswertung könne daher von den Nachprüfungsinstanzen nur auf Beurteilungsfehler hin überprüft werden. Beanstandungen an der Bewertung eines Angebotes könnten somit nur auf das Zugrundelegen eines falschen Sachverhaltes, auf Nichteinhaltung allgemein gültiger Bewertungsmaßstäbe, auf Ungleichbehandlung, Willkür oder sachfremde Erwägungen gestützt werden. Soweit der AG hier am Angebot des A beanstande, dass ihm kein zusätzlicher, detaillierter Erläuterungsbericht beiliege, ziehe er hingegen ein sachfremdes Wertungskriterium heran. Denn weder der Wertungsmatrix noch den Vergabeunterlagen sei zu entnehmen, dass die Bieter zusätzlich zum Logistikkonzept einen Erläuterungsbericht mit seinem Angebot einreichen musste, geschweige denn, dass ein solcher detailliert ausfallen sollte. Die Wertungsmatrix und Unterlagen seien – aus Sicht eines verständigen Bieters – insoweit dahingehend zu verstehen, dass mit dem „Erläuterungsbericht“ auf die Erläuterungen im Logistikkonzept Bezug genommen werde, die übrigens auch im vorgelegten Logistikkonzept des A enthalten seien. Das Beanstanden des reinen Nichtvorliegens eines zusätzlichen Erläuterungsberichtes stelle somit eine sachfremde Erwägung dar.

Soweit der AG seine Wertung darauf stütze, dass A in seinem Logistikkonzept keine Stellung zu den erforderlichen Informationen der SiGe-Planung beziehe, sei dies ebenfalls beurteilungsfehlerhaft. Mit der Erwägung spreche der AG zwar ein Wertungskriterium an. Die entsprechende Planung und damit die entsprechenden Informationen hätten in der Angebotsphase jedoch noch gar nicht vorgelegen und hätten daher weder von A noch von anderen Bietern, wie in der Wertungsmatrix gefordert, berücksichtigt werden können. Da dieses Unterkriterium von keinem Bieter erfüllt hätte erfüllt werden können, müsse es dementsprechend diskriminierungsfrei einheitlich gegenüber allen Bietern fallen gelassen werden.

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RA Michael Werner

Partner in der Kanzlei
ZIRNGIBL LANGWIESER
Rechtsanwälte Partnerschaft

Haus Cumberland
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Anmerkung:
Allen öffentlichen Auftraggebern ist mit dieser Entscheidung ins Stammbuch geschrieben, dass nur dann ein ordnungsgemäßes diskriminierungsfreies Vergabeverfahren durchgeführt werden kann, wenn die veröffentlichte Wertungsmatrix tatsächlich beachtet wird. Zusätzliche, in Vergabeunterlagen gar nicht vorgesehene Erläuterungen oder Detaillierungen können bei der Angebotswertung (auf Wertungsstufe 4) auch nicht berücksichtigt werden. Wenn der AG an einem solchen Kriterium festhalten will, bleibt ihm nichts anderes übrig, als das Vergabeverfahren auf den Stand vor Angebotsabgabe zurückzuversetzen und so nachzubessern, dass das Kriterium für alle Bieter erfüllbar wird.


  Quelle: RA Michael Werner


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