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Fehlerkorrektur auch noch nach Submission?

11.01.2023

Die Vergabekammer (VK) des Bundes hat mit Beschluss vom 13.10.2022 – VK 1-83/22 – u.a. folgendes entschieden:

1. Während der Auftraggeber die Vergabeunterlagen vor Ablauf der Angebotsfrist unproblematisch ändern und den Bietern z. B. neue Angebotsfristen einräumen kann, ist eine später erfolgende Änderung im Wege einer Teilaufhebung der Ausschreibung, die der Korrektur eines zuvor begangenen Fehlers dient, durchzuführen.
2. Der öffentliche Auftraggeber muss vor dem Schritt zur (Voll-)Aufhebung stets die Möglichkeit der Aufrechterhaltung oder Heilung des Vergabeverfahrens prüfen.
3. Auch eine bereits erfolgte Submission im Offenen Verfahren schließt eine Fehlerkorrektur nicht aus.

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RA Michael Werner


Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte zur Vergabe von „Betrieb, Instandhaltung und Instandsetzung von technischen Anlagen“ Leistungen im offenen Verfahren nach VgV europaweit ausgeschrieben. Angebotsschlusstermin war zunächst für den 19.07.2022 vorgesehen. Aufgrund mehrerer Rügen wurde die Angebotsfrist mehrfach verlängert, zuletzt zum 11.08.2022 und eine überarbeitete Leistungsbeschreibung und ein angepasster Vertragstext per Bieterinformation veröffentlicht. Bieter A gab zu diesem Schlusstermin – wie alle anderen Bieter – ein Angebot ab. Dabei lud er das Angebot auf Basis der noch nicht angepassten – alten – Vergabeunterlagen (LV, Vertrag) auf der Vergabeplattform hoch. Der AG teilte darauf dem A gemäß § 134 GWB mit, dass sein Angebot wegen Änderung der Vergabeunterlagen ausgeschlossen worden sei. Außerdem sei es preislich dem Angebot des Bieters B unterlegen, das den Zuschlag erhalten solle. A rügte darauf, dass der Wiedereinstieg in das Vergabeverfahren per Bieternachricht nach Ende der ursprünglichen, bereits beendeten Angebotsphase rechtswidrig sei und beantragte nach Nichtabhilfe seiner Rüge Nachprüfung.

Die VK gibt dem AG Recht; die Verlängerung der Frist zur Angebotsabgabe nach Ablauf der ursprünglichen Angebotsfrist sei vergaberechtlich nicht zu beanstanden.

Es sei grundsätzlich dem Willen des öffentlichen Auftraggebers überlassen, ob, wann und mit welchem Inhalt er einen Auftrag vergebe. Er sei insbesondere nicht gehalten, einen Zuschlag auf ein Angebot mit einer Leistungsbeschreibung zu erteilen, das seinem Bedarf nicht oder in geringerem Umfange als ursprünglich angenommen entspreche. Wie und in welchem Umfang ein öffentlicher Auftraggeber einen erkannten Fehler in seiner Ausschreibung behebe, unterliege seiner Gestaltungsfreiheit, die an die vergaberechtlichen Gebote der Transparenz, Nichtdiskriminierung und Gleichbehandlung gebunden sei (§ 97 Abs. 2 GWB). Würden diese Gebote beachtet, bleibe ein ordnungsgemäß geführter und fairer Wettbewerb aufrechterhalten, und eine Verletzung von Bieterrechten sei nicht zu befürchten.

Während vor Ablauf der Angebotsfrist der Auftraggeber die Vergabeunterlagen unproblematisch ändern und den Bietern neue Angebotsfristen gemäß § 20 Abs. 3 Satz 1 VgV einräumen könne, sei eine später erfolgende Änderung im Wege einer Teilaufhebung der Ausschreibung, die der Korrektur eines zuvor begangenen Fehlers diene, durchzuführen (vgl. OLG Düsseldorf, B. vom 12.01.2015 - Verg 29/14). Der öffentliche Auftraggeber müsse vor dem Schritt zur (Voll-)Aufhebung stets die Möglichkeit der Aufrechterhaltung oder Heilung des Vergabeverfahrens prüfen. Auch eine bereits erfolgte Submission im Offenen Verfahren schließe eine Fehlerkorrektur nicht aus (vgl. OLG Düsseldorf, B. vom 17.05.2017 - Verg 43/16). Dass eine solche Rückversetzung grundsätzlich auch nach Submission zulässig sein müsse, ergebe sich bereits aus der Tatsache, dass im Wege des Nachprüfungsverfahrens gemäß § 168 Abs. 2 Satz 2 GWB eine Fehlerkorrektur durch Rückversetzung durch die Vergabekammer vorgegeben werden könne. Sehr häufig sei es in diesen Fallkonstellationen bereits zu einer Angebotsabgabe gekommen, eine Zuschlagsentscheidung zumeist gefallen und gemäß § 134 GWB mitgeteilt worden. Eine durch den öffentlichen Auftraggeber selbst eingeleitete Fehlerkorrektur, ohne dass es beispielsweise nach einer Rüge zu einem Nachprüfungsverfahren komme, müsse daher gleichermaßen möglich sein und stelle auch verfahrensökonomisch das mildere Mittel dar. Der öffentliche Auftraggeber könne ein Vergabeverfahren sogar dann noch aufrechterhalten, wenn ein Aufhebungsgrund nach § 63 Abs. 1 VgV (bzw. § 17 EU Abs. 1 VOB/A) bestehe.

Die Entscheidung über die weitere Vorgehensweise zur Fehlerkorrektur stehe im Ermessen des Auftraggebers und habe insoweit für den Einzelfall zu erfolgen. Eine Pflicht zur Aufhebung aufgrund einer abstrakten Manipulationsgefahr nach Submissionstermin - wie hier Bieter A meine - scheide mithin aus, vielmehr seien die konkreten Umstände des Vergabeverfahrens zu berücksichtigen.

Im vorliegenden Fall lägen keine Anhaltspunkte vor, dass der AG gegen die genannten Grundsätze verstoßen habe. Bei der vom AG auf der Vergabeplattform mitgeteilten "Verlängerung" der Frist zur Angebotsabgabe (sowie weiterer am selben Tag veröffentlichter Bieterinformation) um zunächst 14 Tage nach Ablauf der Angebotsfrist, handele es sich um eine zulässige Teilaufhebung der Ausschreibung, die er zur Korrektur von zuvor festgestellten Fehlern vorgenommen habe (aufgrund Rüge hinsichtlich verspäteter Bekanntgabe der geänderten Unterlagen sowie Unklarheit bei kalkulationsrelevanten Angaben). Das Vergabeverfahren sei von ihm in die Angebotsphase zurückversetzt worden; der AG sei zu dieser Fehlerkorrektur berechtigt. Notwendige Voraussetzung für eine wirksame - vollständige oder auch nur teilweise - Aufhebung einer Ausschreibung sei lediglich, dass der öffentliche Auftraggeber für seine (Teil-)Aufhebungsentscheidung einen sachlichen Grund habe, so dass eine Diskriminierung einzelner Bieter ausgeschlossen sei, und seine Entscheidung nicht willkürlich sei oder nur zum Schein erfolge, was hier aber nicht festzustellen sei.

Anmerkung:

Ein öffentlicher Auftraggeber ist auch nach Durchführung eines Vergabeverfahrens aufgrund seiner Vertragsfreiheit nicht verpflichtet, den Zuschlag zu erteilen oder gar fehlerhafte Ausschreibungen zu bezuschlagen. Als alternative Lösung bleibt dem Auftraggeber neben der Verfahrensaufhebung (gem. § 63 VgV bzw. § 17 EU VOB/A) oder der vollständigen Zurückversetzung des Verfahrens richtigerweise auch die Teilaufhebung der zu korrigierenden Teile der Ausschreibung. Diese Korrekturmöglichkeiten geben dem Auftraggeber aber selbstredend keinen Freibrief. Bieter, die infolge der Zurückversetzung vergeblich oder nur mit Mehraufwand ein Angebot erstellt haben, können vom Auftraggeber unter Umständen die Angebotsbearbeitungskosten (sog. negatives Interesse) ersetzt verlangen, speziell dann, wenn die (Teil-)Aufhebung auf einem Fehlverhalten des Auftraggebers basiert.

  Quelle: RA Michael Werner


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