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Fehlerkorrektur auch noch nach der Submission?

15.06.2021

von RA Michael Werner

Die Vergabekammer (VK) Lüneburg hat mit Beschluss vom 15.12.2020 – VgK-46/2020 – folgendes entschieden:

• Stellt ein öffentlicher Auftraggeber vor Zuschlagserteilung einen erheblichen Fehler in den Vergabeunterlagen fest, ist er zu einer Fehlerkorrektur berechtigt. Eine bereits erfolgte Submission schließt eine Fehlerkorrektur nicht aus.

• Eine Zurückversetzung kann nicht voraussetzungslos ohne nachteilige Rechtsfolgen erfolgen. Zumindest orientieren sich die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Wirksamkeit und die Rechtmäßigkeit einer Zurückversetzung an den Vorgaben zur Aufhebung.

Ein Krankenhausträger (AG) hatte für einen staatlich geförderten Neubau einer Intensivstation das Gewerk „Medienversorgungsanlagen – Medizinische Gase“ europaweit nach der EU VOB/A ausgeschrieben. Einziges Zuschlagskriterium war der Preis. Die Wartung/Instandhaltung war im LV in zwei Bedarfspositionen aufgeführt. Dort trugen die beiden einzigen Bieter A und B jeweils ihre Einzelpreise ein, ohne diese im Gesamtpreis zu berücksichtigen.

Bieter A trug – wie gefordert – eine Jahrespauschale ein, Bieter B Stundensätze. Nach den Angebotsendsummen lag A vorne. Nach der Vergabeempfehlung verschob sich aber die Bieterreihenfolge. Denn nach dieser Empfehlung sollten die Einzelpreise der Bedarfspositionen in die Wertungsendsumme eingehen. Nun lag das Angebot des B vorne. A rügte dies unter Hinweis auf die mitgeteilten Angebotsendsummen. Der AG half darauf der Rüge des A ab und wollte A den Zuschlag erteilen. Dies rügte nun B, denn die Instandhaltungsangebote sollten laut der Aufforderung ausdrücklich für die Wertung anhand des einzigen Zuschlagskriteriums Preis berücksichtigt werden. Darauf setzte der AG das Verfahren in den Stand der Angebotsphase zurück und erklärte, die in der ursprünglichen Ausschreibung als „Bedarfsposition“ deklarierten Positionen würden nunmehr als Normalpositionen gewertet. Dies beanstandete wiederum A mit dem Argument, keiner der in § 17 EU VOB/A genannten Gründe für eine Aufhebung läge vor.

Die VK stellt einleitend fest, dass die Vergabeunterlagen bezüglich der Wartungsleistungen nicht eindeutig seien, weil gemäß Ziffer 7 der Aufforderung die Instandhaltungsangebote ausdrücklich für die Wertung anhand des einzigen Zuschlagskriteriums Preis berücksichtigt werden sollten, andererseits die Instandhaltung gemeinsam mit der Instandsetzung Gegenstand der Positionen zu 3.5 der Leistungsbeschreibung waren, die ausdrücklich nur als Bedarfspositionen ausgeschrieben worden waren.

Im Ergebnis gibt die VK dem AG Recht und betont, dass eine Fehlerkorrektur grundsätzlich auch nach Angebotsabgabe möglich sei. Stelle ein öffentlicher AG vor Zuschlagserteilung einen erheblichen Fehler in den Vergabeunterlagen fest, sei er nach der Rechtsprechung zu einer Fehlerkorrektur grundsätzlich berechtigt. Eine bereits erfolgte Submission schließe eine solche Fehlerkorrektur nicht aus (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.01.2015 – Verg 29/14).

Es könne hier dahingestellt bleiben, ob es sich bei einer teilweisen Zurückversetzung um eine Teilaufhebung handele oder nicht. Dennoch könne auch eine Zurückversetzung nicht voraussetzungslos ohne nachteilige Rechtsfolgen erfolgen. Zumindest orientierten sich die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Wirksamkeit und die Rechtmäßigkeit einer Zurückversetzung an den entsprechenden Vorgaben zur Aufhebung. Grundsätzlich gelte, dass ein öffentlicher Auftraggeber nicht verpflichtet werden könne, einen Auftrag auf der Grundlage einer Ausschreibung zu erteilen, die er als fehlerhaft erkannt habe. Dies sei Folge der Vertragsfreiheit, die auch für im Wege öffentlicher Ausschreibungen vergebene Aufträge gelte. Notwendige Voraussetzung für eine vollständige oder auch nur teilweise Aufhebung einer Ausschreibung sei lediglich, dass der öffentliche Auftraggeber für seine (Teil)Aufhebungsentscheidung einen sachlichen Grund habe, so dass eine Diskriminierung einzelner Bieter ausgeschlossen und seine Entscheidung nicht willkürlich sei oder nur zum Schein erfolge.

Eine Klarstellung der Frage, ob und wie die Instandhaltungsangebote für die Wertung anhand des einzigen Zuschlagskriteriums Preis berücksichtigt würden, sei sachlich gerechtfertigt. Die Ausschreibungsbedingungen seien insoweit intransparent und bedurften einer Korrektur. Da sich der AG dieser Intransparenz der Vergabeunterlagen erst nach Angebotsabgabe und Submission aufgrund der Rügen des A und des B bewusst gewesen sei, bedürfe es zu dieser Korrektur einer Aufhebung gemäß § 17 EU Abs. 1 Nr. 2 VOB/A oder – als gegenüber einer Aufhebung für alle Beteiligten milderes Mittel – einer Rückversetzung des Vergabeverfahrens in das Stadium vor Aufforderung zur Angebotsabgabe. Nur so würden die Bieter vergaberechtskonform in die Lage versetzt, den kalkulationsrelevanten Aspekt der jährlichen Kosten für die Instandhaltung, in die nach der bisherigen Festlegung des AG in den Positionen zu 3.5.10 (Wartung innerhalb der Gewährleistung und 3.5.20 (Wartung außerhalb der Gewährleistung) und der Leistungsbeschreibung ausdrücklich die „Instandhaltung“ gemeinsam mit der „Instandsetzung“ einzubeziehen seien, bei der Legung ihrer Angebote zu berücksichtigen. Demgegenüber spreche Ziffer 7 der Aufforderung zur Angebotsabgabe in der vorliegenden Fassung lediglich davon, dass die „Instandhaltungsangebote“ für die Wertung anhand des einzigen Zuschlagskriteriums Preis berücksichtigt werden sollten.

Gerade auch die beiden vorliegenden Angebote selbst zeigten, dass die Festlegungen des AG über die Berücksichtigung der Instandhaltungskosten in der Aufforderung zur Angebotsabgabe einerseits und in den beiden streitbefangenen Bedarfspositionen andererseits nicht eindeutig seien und von A wie B völlig unterschiedlich verstanden worden seien – mit der Folge, dass beide Angebote hinsichtlich der Bedarfspositionen nicht vergleichbar seien. Eine völlige Außerachtlassung der Kosten für die Instandhaltung – wie hier von A gefordert – sei wiederum nicht möglich, da in Ziffer 7 der Aufforderung zur Angebotsabgabe ausdrücklich festgelegt sei, dass sie im Rahmen des einzigen Zuschlagskriteriums „Preis“ bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes Berücksichtigung finden sollten.

Dieser Widerspruch lasse sich nur durch eine Zurückversetzung des Vergabeverfahrens in das Stadium vor Angebotsabgabe und einer Einholung neuer Angebote – auf der Grundlage überarbeiteter, nunmehr eindeutiger Vergabeunterlagen – auflösen. Die vom AG entschiedene Rückversetzung des Vergabeverfahrens sei daher durch § 17 Abs. 1 Nr. 2 VOB/A gedeckt und somit vergaberechtlich nicht zu beanstanden.

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Anmerkung:
Die VK folgt der Rechtsprechung, wonach ein Auftraggeber einerseits grundsätzlich nicht verpflichtet ist, den Auftrag per Zuschlag zu erteilen, andererseits auch noch nach Submission Korrekturen an den Vergabeunterlagen vornehmen kann, wenn diese als fehlerhaft erkannt wurden. Wie die VK in ihrer Entscheidung auch zu Recht darauf hinweist, hätte hier der AG jedoch zunächst im Wege der Aufklärung gemäß § 15 EU VOB/A die bei den Bedarfspositionen eingetragenen Preise hinterfragen müssen, statt jene einfach zu den Angebotsendsummen zu addieren. Speziell beim Angebot des B wäre dies sicherlich angezeigt gewesen.

  Quelle:


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