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Fernabsatzvertrag trotz Ortstermin?

10.03.2022

 

Wird ein Bauvertrag durch Fernkommunikationsmittel geschlossen, hat jedoch vorher zwischen den Parteien ein Ortstermin stattgefunden, so handelt es sich nicht um einen Fernabsatzvertrag i. S. v. § 312c BGB mit der Folge, dass dem Verbraucherauftraggeber ein Widerrufsrecht nicht zusteht. Dies hat das OLG Schleswig mit Urteil vom 05.10.2021 (Az.: 1 U 122/20) entschieden.

Der Fall: AG, ein Verbraucher, beauftragt AN mit Gartenbauarbeiten. Hierzu trafen sich AN und AG zunächst im Garten des AN, um Art und Umfang der vereinbarten Arbeiten festzustellen. Im Anschluss an den Ortstermin übersandte AN dem AG postalisch ein schriftliches Angebot, welches AG telefonisch annahm. AN führt die Arbeiten mangelfrei aus, AG zahlt knapp 29.000,00 € Werklohn. Kurz darauf widerruft AG die Auftragserteilung und fordert die Rückerstattung des gezahlten Werklohns. Nachdem AN nicht zahlt, erhebt er Klage. Das Landgericht weist die Klage ab.

Das Urteil: Ebenso das OLG Schleswig! Entgegen der Auffassung des AG liege kein Fernabsatzvertrag i. S. d. § 312c BGB vor, daher habe er auch kein Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB. Voraussetzung für einen solchen Fernabsatzvertrag ist gemäß § 312c BGB, dass Unternehmer und Verbraucher für die Vertragsverhandlung und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwenden, es sei denn, der Vertragsschluss erfolgt nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebssystems. Das OLG Schleswig stellt fest, dass zwar der Vertragsschluss, nicht jedoch die Vertragsverhandlungen ausschließlich durch Fernkommunikationsmittel erfolgt seien. Die Vertragsverhandlungen hätten hier während des Ortstermins stattgefunden, um überhaupt erst ein individuelles Angebot zu ermöglichen. Es sei auch nicht erforderlich, dass bereits im Ortstermin alle Einzelheiten des Vertrages verhandelt würden. Darüber hinaus sei der Vertrag auch nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebssystems zustande gekommen. Allein die Tatsache, dass AN – wie hier - auf seiner Website über sein Leistungsangebot informiert und Kontaktmöglichkeiten zur Verfügung stellt, reiche dafür nicht aus. Zudem erstelle AN seine Angebote stets erst aufgrund der Durchführung eines Ortstermins. Demgemäß steht AG auch kein Widerrufsrecht gemäß § 312c, 312g, 355 BGB zu.

Fazit: Nach § 312c Abs. 2 BGB sind Fernkommunikationsmittel alle Mittel, die man zum Abschluss eines Vertrages einsetzen kann, also Briefe, Telefonanrufe, Faxe, E-Mails und sogar SMS. Dennoch ist nicht jeder Vertrag, der mittels dieser Kommunikationsmittel geschlossen wird, auch ein Fernabsatzvertrag. Wie das OLG Schleswig zu Recht feststellt, war hier der Ortstermin erforderlich, um überhaupt erst ein Angebot zu erstellen und damit den Vertragsschluss zu ermöglichen. Die Vertragsverhandlungen erfolgten also gerade nicht mit einem Fernkommunikationsmittel. Außerdem ist es erforderlich, dass der AG ein Vertriebssystem vorhält, das auf den Fernabsatz gerade ausgerichtet ist. Dafür ist eine Website mit Kontaktmöglichkeiten gerade nicht ausreichend. Dennoch ist für den Unternehmer größte Vorsicht geboten: Zum einen ist die hier vom OLG Schleswig aufgeworfene Frage höchstrichterlich noch nicht geklärt. Zum anderen darf der Unternehmer auch nicht den Fehler machen, bereits während des Ortstermins den Vertrag abzuschließen. Dann nämlich fällt der Vertragsschluss unter § 312b BGB, nach dem außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge bei gleichzeitiger Anwesenheit der Vertragsparteien ebenfalls zu einem Widerrufsrecht führen, es sei denn, der AN hat den Verbraucher-AG ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt. Richtigerweise verhält sich also der Bauunternehmer genau so, wie sich hier der AN verhalten hat: Er macht zunächst einen Ortstermin, ohne jedoch dort bereits den Vertrag zu schließen. Er unterbreitet anschließend ein schriftliches Angebot auf Basis der Erkenntnisse des Ortstermins und lässt sich dies - am besten schriftlich, per Fax oder Mail - vom Verbraucher AN bestätigen. Auf diese Weise entgeht AN sowohl dem Widerrufsrecht nach § 312b BGB als auch nach § 312c BGB jedenfalls dann, wenn man der Auffassung des OLG Schleswig folgt.

  Quelle: RA Michael Seitz


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