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Festsetzung einer Frist für die Anforderung von Vergabeunterlagen?

03.08.2012


Die Vergabekammer Sachsen hat mit Beschluss vom 19. April 2012 – 1/SVK/009-12 - folgendes entschieden:

Ein öffentlicher Auftraggeber ist nicht berechtigt, eine zeitliche Einschränkung für die Übermittlung der Vergabeunterlagen vorzunehmen.


Ein öffentlicher Auftraggeber schrieb Bauleistungen europaweit im Offenen Verfahren nach VOB/A aus. Die Bekanntmachung wurde am 24.01. an das EU-Amtsblatt übermittelt. Die Vergabeunterlagen sollten nicht elektronisch zur Verfügung gestellt, sondern direkt beim Auftraggeber (AG) abgefordert werden. Hierfür setzte der Auftraggeber in der europaweiten Bekanntmachung eine Frist bis 17.02. Der Termin für den Eingang der Angebote war auf den 23.03. festgelegt. Ein Bieter erhielt erst am 20.02. Kenntnis von der Bekanntmachung und beantragte die Übermittlung der Vergabeunterlagen, was jedoch vom AG unter Hinweis auf die abgelaufene Antragsfrist zurückgewiesen wurde. Der Bieter rügte darauf die Fristsetzung.

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Die Vergabekammer (VK) gibt hier dem Bieter Recht, der in seinen Rechten aus § 97 GWB verletzt sei, da die Festlegung einer abschließenden Frist zur Abforderung der Vergabeunterlagen von mehr als sechs Tagen vor Ablauf der Angebotsabgabefrist rechtswidrig gewesen sei.
Nach § 12 a Abs. 4 VOB/A sei ein AG verpflichtet, einem interessierten Unternehmen die Vergabeunterlagen zuzusenden, sofern ein entsprechender Antrag so rechtszeitig vor dem Schlusstermin vor dem Eingang der Angebote eingegangen sei, dass dem AG noch sechs Tage für die Versendung der Unterlagen verblieben. Nach § 12 a Abs. 5 VOB/A seien rechtzeitig gestellte Fragen spätestens sechs Kalendertage vor Ablauf der Angebotsfrist zu erteilen. Aus dieser Norm ergebe sich lediglich eine Frist, nach deren Ablauf ein öffentlicher AG nicht mehr verpflichtet sei, Auskünfte zu den Vergabeunterlagen zu erteilen. Bestehe keine Pflicht mehr zur Beantwortung der Fragen, müssten die Vergabeunterlagen nicht zwingend übermittelt werden. Der AG sei aber nicht berechtigt, durch das Festlegen einer Frist zur Anforderung der Vergabeunterlagen einen Mindestzeitraum für die ordnungsgemäße Erstellung der Angebote sicherzustellen. Ein Bieter könne die in der VOB/A vorgesehenen Mindestfristen reklamieren, müsse dies aber nicht tun. Wenn also ein Bieter der Auffassung sei, ein wettbewerbsfähiges Angebot auch in wesentlich kürzerer Zeit zu erstellen, so sei ihm dies zuzugestehen.

Anmerkung:
Erfahrungsgemäß versuchen öffentliche Auftraggeber durch das Setzen einer Mindestfrist ihren zeitlichen Aufwand für den Versand der Vergabeunterlagen zu reduzieren. Ebenfalls soll durch das frühzeitige Abfordern von Vergabeunterlagen die Pflicht zur Erhebung von Rügen quasi „vorverlegt“ werden.
Beide Argumente lässt die Vergabekammer hier nicht gelten. Die Reduzierung des Verwaltungsaufwandes sei im Vergaberecht überhaupt nicht vorgesehen. Auch die Vorverlegung der Pflicht zur Erhebung von Rügen sei unzulässig, da erkennbare Verstöße aus den Vergabeunterlagen bis zum Termin für die Angebotsabgabe gerügt werden könnten.

  Quelle: RA Michael Werner


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