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Frisch geweißte Wand vergilbt: Mangel!

26.10.2017

von Ra Michael Seitz

Der Besteller eines Farbanstrichs darf erwarten, dass der auf einer Probefläche angelegte weiße Anstrich nicht bereits nach weniger als einem Jahr mehr als nur unwesentlich vergilbt. Dabei kann Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung auch die Farbe des Anstrichs und die Farbstabilität für einen bestimmten Zeitraum sein. Hat das Werk die vereinbarte Beschaffenheit nicht, so ist es mangelhaft.

Dies hat der BGH einem Urteil vom 31.08.2017 (VII ZR 5/17) entschieden.

Der Fall: Maler AN hat den Auftrag, die Produktionshalle einer Großbäckerei weiß zu streichen. Hierzu legt AN eine Probefläche an, diese ist „schneeweiß“. Nachdem AN bereits größere Flächen gestrichen hat, kommt es mit dem Auftraggeber (AG) zu Differenzen und in deren Folge zu einer Unterbrechung der Arbeiten für etwa 7 Monate. Als AN die Arbeiten nach dieser Pause wieder aufnimmt, moniert AG, die bereits gestrichenen Flächen seien fleckig und vergilbt. Später heben die Parteien den Vertrag einvernehmlich auf. AG verweigert die Abnahme und verlangt Mängelbeseitigung. AN fordert hingegen noch knapp 30.000,00 Euro Werklohn. Das OLG Braunschweig als Vorinstanz beauftragt einen Sachverständigen, der zu dem Schluss kommt, die eingeschränkte Farbstabilität sei kein wesentlicher Mangel, da eine solche bei der Farbe „Weiß“ nicht realisierbar sei. Daraufhin gibt das OLG der Werklohnklage statt.

Das Urteil: Der BGH hebt das Urteil des OLG Braunschweig auf und verweist die Sache dorthin zurück. Es obliege nicht etwa dem Sachverständigen, sondern vielmehr dem Gericht, die geschuldete Soll-Beschaffenheit durch Vertragsauslegung zu ermitteln. Dabei komme es nicht auf das Verständnis eines Sachverständigen, sondern vielmehr auf das Verständnis der Vertragsparteien an. Vor diesem Hintergrund dürfe AG angesichts der beträchtlichen Kosten der Malerarbeiten und mangels eigenen Fachwissens berechtigterweise erwarten, dass der Anstrich nicht schon nach wenigen Monaten vergilbt. Etwas anderes gilt nur dann, wenn AN den AG bereits im Vorfeld auf das Vergilbungsrisiko hingewiesen hat. Hierzu hatte das OLG keine Feststellung getroffen, daher die Zurückverweisung.

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Fazit: Jedem Laien erscheint die Entscheidung auf den ersten Blick einleuchtend. Dennoch betrifft sie den Kern der bauvertraglichen Vertragsauslegung, nämlich die Frage, wie das Bausoll richtig zu bestimmen ist. Das OLG war davon ausgegangen, dass kein Mangel vorliegt, weil die schnelle Vergilbung nach Auskunft des Sachverständigen technisch nicht zu verhindern gewesen sei. Dies korrigiert der BGH und weist darauf hin, dass die Parteien durchaus eine Beschaffenheitsvereinbarung treffen können, die sich technisch – wie hier – nicht realisieren lässt. Diese Beschaffenheitsvereinbarung sieht der BGH hier in der Farbgebung entsprechend der Probefläche, denn AG als bautechnischer Laie habe erwarten dürfen, dass der Anstrich für längere Zeit der Probefläche entsprechen und nicht bereits nach wenigen Monaten vergilben werde. Wieder einmal zeigt sich an diesem Fall exemplarisch die besondere Bedeutung der Hinweispflicht. Hätte nämlich AN den AG – was das OLG nun aufzuklären haben wird – darauf hingewiesen, dass die schneeweiße Farbe in seiner Produktionshalle schnell vergilben wird, so wird er von seiner Mängelhaftung frei mit der Folge, dass ihm der Restwerklohnanspruch zustünde.

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