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Frischbeton ist zu prüfen!

24.10.2019

Von RA Michael Seitz

Ein Bauunternehmer muss angelieferten Frischbeton unverzüglich untersuchen und etwaige Mängel unverzüglich rügen, wenn beide Vertragsparteien Kaufleute sind. Dabei kann allerdings auch eine solche Rüge noch unverzüglich sein, die erst nach 28 Tagen (Mindestaushärtungsdauer) möglich ist.

Dies hat das OLG Köln in einem Urteil vom 02.09.2016 (19 U 47/15) entschieden.

Der Fall: AG, ein Bauunternehmer, beauftragt einen Betonhersteller (AN) mit der Herstellung und Lieferung von Beton der Festigkeitsklasse C 30/37 mit einem Wasser/Zement-Wert von 0,5 für einen Industriefußboden. Während des Transports wurde dem Beton Wasser zugegeben, dadurch wurde die genannte Beschaffenheit nicht mehr erreicht. Später zeigen sich im Fußboden erhebliche Risse, es entstehen Sanierungskosten von rund 3,8 Millionen Euro. AG verklagt AN auf Zahlung dieser Kosten, die er selbst gegenüber seinem Auftraggeber aufwenden musste. AN wendet ein, AG habe den Mangel zu spät gerügt, daher sei ein Schadensersatzanspruch des AG nach § 377 HGB ausgeschlossen. AG entgegnet, eine Überprüfung sei erst nach einer Mindestaushärtungsdauer von 28 Tagen möglich, der Frischbeton sei jedoch unmittelbar nach Anlieferung einzubauen. Das Landgericht weist die Klage unter Hinweis auf § 377 HGB ab. AG legt Berufung ein.

Das Urteil: Und hat damit Erfolg! Das OLG stellt zunächst fest, dass die Herstellung und Lieferung von Frischbeton ein Werklieferungsvertrag sei, auf den Kaufrecht und mithin auch die Vorschrift des §§ 377 HGB Anwendung finde. Maßgeblich für die Einordnung des Liefervertrages als Werklieferungsvertrag sei die Beweglichkeit der Sache im Zeitpunkt der Lieferung. Allerdings könne auch eine Rüge nach der ersten möglichen Überprüfung – also nach Ablauf der Mindestaushärtungsdauer von 28 Tagen – noch rechtzeitig sein. Zwar müsse der Besteller unverzüglich prüfen, dafür stehe ihm jedoch diejenige Zeit zur Verfügung, die er für die Untersuchung benötige, also ggf. auch 28 Tage. Im vorliegenden Fall hatte der Bauunternehmer die Rüge allerdings auch nach diesem Maßstab nicht rechtzeitig erhoben. Gleichwohl gibt das OLG dem Unternehmer Recht. Auf § 377 HGB (unverzügliche Rüge mangelhaft gelieferter Sachen unter Kaufleuten) könne sich AN nicht berufen, da er die Zugabe von Wasser und damit den entstandenen Mangel dem AG arglistig verschwiegen habe.

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Fazit: Die Vorschrift des § 377 HGB ist ein Anachronismus, der eigentlich abge-schafft gehört. Rügt der Besteller unter Kaufleuten Mängel nicht unverzüglich, so verliert er sämtliche Mängelrechte! Gleichwohl wird die Vorschrift von Gerichten nur allzu gern und manchmal auch bis an die Grenze ihrer Dehnungsfähigkeit bemüht, ermöglicht sie doch eine „schlanke“ Klagabweisung wegen fehlender Rüge. Die hiesige Entscheidung ist vor allem unter dem Aspekt interessant, dass das Wörtchen „unverzüglich“ unter Umständen auch durchaus einmal 28 Tage umfassen kann, wenn eben die Überprüfung nicht eher möglich ist. Leider hatte aber der Bauunternehmer die Rüge hier gar nicht erhoben. Auch das OLG erkennt wohl, dass ein Ergebnis, das dem AN jeglichen Schadensersatz verwehrt, nicht richtig sein kann, und hilft deshalb, indem sie auf Seiten des AN Arglist annimmt, weil er dem Beton vertragswidrig mehr Wasser als vereinbart beigemischt hat. Für den Bauunternehmer gilt: Jede bestellte Ware auf der Baustelle unverzüglich prüfen und – sollte auch nur der Verdacht eines Mangels bestehen – unverzüglich gegenüber dem Lieferanten rügen!

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