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Funktionalausschreibung: Preis als alleiniges Zuschlagskriterium ungeeignet!

05.10.2021

von RA Michael Werner

Die Vergabekammer (VK) Lüneburg hat mit Beschluss vom 05.05.2021 – VK 1-10/21 – folgendes entschieden:

• Eignungskriterien müssen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen und zu diesem in einem angemessenen Verhältnis stehen. Die Forderung, dass die Ausführung und die Errichtung eines Folienkissendachs unter zoologischen Kriterien nachgewiesen werden muss, ist unzulässig.

• Im Rahmen einer funktionalen oder nur teilfunktionalen Ausschreibung von Bauleistungen ist der Preis als alleiniges Zuschlagskriterium ungeeignet.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte im offenen Verfahren die Herstellung eines Folienkissendachs auf dem Tragwerk einer Halle in seinem Zoo gemäß EU VOB/A europaweit ausgeschrieben. Zuschlagskriterien war der Preis (80 Prozent) und die Reaktionszeit bei Havarien (20 Prozent), letztere gestaffelt nach der Zeit, wie schnell ein Auftragnehmer im Allwetterzoo vor Ort sein könnte. In der Bekanntmachung hieß es bei den Eignungsanforderungen u. a.: „Der Bieter muss durch Referenzen nachzuweisende Erfahrungen hinsichtlich der Arbeiten für ein ETFE- Foliendach mit Konstruktion über 1.000 m² unter zoologischen Kriterien und Anforderungen haben. Hierzu hat der Bieter 3 Referenzen aus den letzten 5 Jahren (seit 1/2015) über vergleichbare Leistungen nachzuweisen“. Darauf gingen insgesamt 7 Angebote ein, wobei die Auftragssummen erheblich differierten. Aus den Angeboten ergab sich zudem, dass die Anforderungen des AG in der Bekanntmachung von den Bietern sehr unterschiedlich aufgefasst bzw. interpretiert wurden. So reichten einige Unternehmen mehrere Referenzen mit zoologischem Bezug ein, andere wiederum nur eine einzige. Bieter A rügte darauf die Vergabeunterlagen, insbesondere auch die Eignungsanforderungen in der Bekanntmachung. Nach Nichtabhilfe seiner Rüge beantragte er Nachprüfung mit dem Ziel, dem AG zu untersagen, das Vergabeverfahren auf Grundlage der bisherigen Vergabe- und Vertragsunterlagen durch Zuschlagserteilung abzuschließen.

Die VK gibt Bieter A Recht, da bereits ein Verstoß gegen § 122 Abs. 4 GWB vorliege, wonach Eignungskriterien mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung und zu diesem in einem angemessenen Verhältnis stehen müssen. Die Forderung des AG, dass die Ausführung und die Errichtung eines Folienkissendachs unter zoologischen Kriterien nachgewiesen werden müsse, verstoße daher gegen § 122 Abs. 4 GWB und sei unzulässig.

Die Eignungsanforderungen müssten an die Bedeutung des betreffenden Auftrags angepasst sein. Entscheidend sei, ob aus verständiger Sicht des AG ein berechtigtes Interesse an der im Verfahren aufgestellten Forderung bestehe, so dass diese als sachlich gerechtfertigt und verhältnismäßig erscheine und der Bieterwettbewerb dadurch nicht unnötig eingeschränkt werde. Bereits die vorhandenen Angebote zeigten jedoch, dass lediglich ein Bieter von insgesamt 7 die in der Bekanntmachung verlangte Anforderung „Ausführung von Aufträgen unter zoologischen Kriterien und Anforderungen aus den letzten 5 Jahren“ erfüllen könne. Aber auch nur dann, wenn man den Oberbegriff „zoologische Kriterien und Anforderungen“ auf eine von drei Referenzen begrenze. Aus dieser Tatsache könne schon der Schluss gezogen werden, dass eine Auswahl für den AG überhaupt nicht möglich sei, sondern er nur mit einem Bieter in den Wettbewerb gehen könne, was gleichbedeutend sei, dass der Wettbewerb verengt sei bzw. überhaupt nicht stattfinde. Entgegen der Auffassung des AG komme es hier auch nicht auf die Vergleichbarkeit der Referenzen an.

Zutreffend sei, dass Referenzen nicht identisch sein müssten, sondern lediglich vergleichbar. Die Leistungen müssten sich soweit ähneln, dass sie einen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit des Bieters ermöglichten. Dabei stehe den öffentlichen Auftraggebern auch ein umfassender Beurteilungsspielraum zu. Die Eignungsanforderungen in der Bekanntmachung legten hier jedoch bestimmte „Mindestanforderungen“ fest, so dass diese zunächst erfüllt sein müssten. In Bezug auf diese Mindestanforderungen gebe es keinen Beurteilungsspielraum.

Soweit der AG beispielsweise fordere, dass die Referenzen aus den letzten 5 Jahren (seit 1/2015) stammen oder Wartungsarbeiten einschließen müssten, stehe ihm kein Beurteilungsspielraum zu. Im Nachprüfungsverfahren habe sich auch herausgestellt, dass die Anforderungen an die Referenzen vom AG und A unterschiedlich verstanden worden seien. A habe den Oberbegriff „zoologische Kriterien und Anforderungen“ auf alle drei Referenzen bezogen – was andere Bieter wohl genauso gesehen hätten. Bereits dieser Verstoß gegen vergaberechtliche Bestimmungen führe aber dazu, dass der AG seine Bekanntmachung korrigieren müsse.

Bieter A beanstande weiterhin, die vorhandene Leistungsbeschreibung würde keine hinreichenden Grundlagen für die erforderliche Kostenkalkulation zur Verfügung stellen und sei intransparent. Der AG trage dazu vor, dass er in den Vergabeunterlagen sehr wohl Angaben zur Statik gemacht habe und er zulässigerweise die Statik und die Konstruktion aus einer Hand im Wege einer funktionalen Leistungsbeschreibung fordern könne.

Die VK weist dazu darauf hin, dass bereits die Preise in den 7 Angeboten erheblich auseinanderlägen, was in der Regel der Fall sei, wenn die Leistungen nicht hinreichend genau beschrieben seien. Im Falle von funktionalen Leistungsbeschreibungen sei nach der Rechtsprechung aber folgendes zu beachten: „Im Rahmen einer funktionalen oder nur teilfunktionalen Ausschreibung von Bauleistungen ist der Preis als alleiniges Zuschlagskriterium wegen des qualitativen Elements von Planungsleistungen ungeeignet, weil eine allein am Preis ausgerichtete Wertung der Angebote das qualitative Element von Planungsleistungen nicht berücksichtige. Da Planungsleistungen aber nach den gesetzlichen Vorgaben dem Wettbewerb zu unterstellen seien, komme in einem solchen Fall nur das wirtschaftlich günstigste Angebot als Zuschlagskriterium in Betracht, bei dem neben dem Preis qualitative Wertungskriterien ins Gewicht fallen würden.“ Insofern müsse hier der AG in Bezug auf die Planungsleistungen auch ein qualitatives Zuschlagskriterium aufstellen. Allein auf den Preis abzustellen gehe nicht, das weitere Zuschlagskriterium „Reaktionszeit bei Havarien“ habe keinen Bezug zu den Planungsleistungen.

 

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Anmerkung:
Hier hat der Auftraggeber ganz offensichtlich mehrere Fehler gemacht: So ist eine im Rahmen der Eignungsprüfung geforderte Referenzleistung „nach zoologischen Kriterien und Anforderungen“ derart unbestimmt, dass jeder Bieter im Ergebnis darunter etwas Anderes versteht – mit der Folge, dass bereits hier der Wettbewerb unzulässig auf einen Bieter verengt bzw. beschränkt wird.

Desweiteren ist speziell bei einer funktionalen Ausschreibung, in der naturgemäß die Planung zusammen mit der Bauleistung vergeben wird, zu beachten, dass dort eben nicht auf den Preis als einziges Zuschlagskriterium abgestellt werden kann. Der AG muss hier also die Bekanntmachung erheblich korrigieren und das Verfahren entsprechend zurückversetzen.

  Quelle:


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