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Gesamtvergabe zulässig, wenn Losaufteilung rechtlich angreifbar !

12.04.2016

von RA Michael Werner

Die Vergabekammer (VK) Bund hat mit Beschluss vom 04.01.2016 – VK 2-125/15 – Folgendes entschieden:

• Eine Gesamtvergabe von Leistungen ist gerechtfertigt, sofern wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Bei der Entscheidung für oder gegen eine Gesamtvergabe kommt dem Auftraggeber ein Einschätzungsspielraum zu.

• Rechtliche Schwierigkeiten bei der Gewährleistung stellen das schwächste Argument für eine Gesamtvergabe dar, da dies bei einer Losaufteilung regelmäßig der Fall ist.

• Eine Gesamtvergabe ist zulässig, wenn eine Losaufteilung vergaberechtlich höchst angreifbar wäre.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte im nicht offenen Verfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb die Beschaffung einer Projektmanagementsoftware europaweit ausgeschrieben. Gegenstand des Verfahrens war der Kauf und die Pflege einer Standardsoftware mit einer Vielzahl inhaltlicher Komponenten und deren Implementierung. Bieter A war nach eigenen Angaben eine auf die Implementierung von Projektmanagementsoftware spezialisierte IT-Dienstleistungsfirma. Diese wollte nur die Implementierung der Software durchführen, nicht aber auch die Software verkaufen und liefern. Sie rügte daher die fehlende Losaufteilung und forderte den AG auf, die Implementierungsleistungen in einem eigenen, gesonderten Fachlos auszuschreiben. Da der AG der Rüge nicht abhalf, beantragte A Nachprüfung.

Die VK gibt hier dem AG Recht. A beanstande zu Unrecht, dass der Auftrag in zwei getrennte Lose – Kauf einerseits sowie Implementierung der Software andererseits – gem. § 97 Abs. 3 S. 2 und 3 GWB hätte aufgeteilt werden müssen. Eine Gesamtvergabe von Leistungen sei gerechtfertigt, sofern wirtschaftliche oder technische Gründe dies erforderten. Bei der Entscheidung für oder gegen eine Gesamtvergabe komme dem AG wegen der dabei anzustellenden prognostischen Überlegung eine von dem Vergabenachprüfungsinstanzen nur beschränkt zu kontrollierende Einschätzungsprärogative zu. Aus dem Wortlaut des § 97 Abs. 3 S. 2 GWB („… dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern“) folge nicht, dass die Gesamtvergabe quasi „unausweichlich“ sein müsse. Die Entscheidung des AG sei lediglich darauf zu prüfen, ob sie auf einer vollständigen und zutreffenden Tatsachengrundlage beruhe sowie aus vernünftigen Erwägungen heraus im Ergebnis vertretbar getroffen worden sei. Dies sei hier der Fall, sodass die Abwägung des AG von der VK nicht zu beanstanden sei. Der Beschaffungsbedarf des AG sei hier gerichtet auf den Erhalt einer Software aus einer Hand. Die aktuellen Erfahrungen des AG mit der bei ihm vorhandenen Projektmanagementsoftware würden Unzulänglichkeiten belegen, wenn die Software aus Komponenten mehrerer Auftragnehmer zusammengesetzt sei. Auch sei die Haftungsfrage bei Mängeln für den AG nur schwer erklärbar, weil die Ursache des Problems (Komponente der Standardsoftware oder des angepassten Teils) oftmals nicht zugeordnet werden könne.

Darüber hinaus könne der AG schon aufgrund des drohenden Zeitverlustes keine sequenzielle Beschaffung (d.h. erst Kauf, dann Vergabe der Anpassungsleistung) zugemutet werden. Eine parallele Ausschreibung scheitere jedoch an dem noch nicht feststehenden Leistungsinhalt, da für den Anpassungsbedarf die Software bekannt sein müsse. Letztlich könnten sich auch urheberrechtliche Probleme ergeben, wenn ein hypothetisches Los „Anpassung“ einen Eingriff in den Quellcode der Software des Herstellers erforderlich mache. Während rechtliche Schwierigkeiten bei der Gewährleistung noch das schwächste Argument darstellten, da dies bei einer Losaufteilung regelmäßig der Fall sei, scheitere die vom A begehrte Losaufteilung im Wege einer parallelen Ausschreibung von Kauf der Software und deren Anpassung jedenfalls daran, dass sie vergaberechtlich höchst angreifbar wäre. Denn der AG könne den Bietern aufgrund der zeitlichen Parallelität der Vergaben nicht mitteilen, welche Software sie anpassen sollten. Daher könne er den Bietern auch nicht den individuellen Anpassungsbedarf und somit auch nicht den Leistungsumfang mitteilen, der von den Bietern im Rahmen ihrer Kalkulation zu berücksichtigen wäre. Dies würde jedoch einen Verstoß gegen das Gebot der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung bedeuten, was vergaberechtlich angreifbar wäre.

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RA Michael Werner

Partner in der Kanzlei
ZIRNGIBL LANGWIESER
Rechtsanwälte Partnerschaft mbB

Haus Cumberland
Kurfürstendamm 194
D - 10707 Berlin
E-Mail: M.Werner@zl-legal.de
www.zl-legal.de

Anmerkung:
Die Frage der Entscheidung „losweise Vergabe“ oder „Gesamtvergabe“ ist ein „vergaberechtlicher Dauerbrenner“, der Auftraggeber regelmäßig in Schwierigkeiten bringt. Dies wird wohl auch zukünftig so bleiben, da der – ab 18.04.2016 – geltende neue § 97 Abs. 4 GWB wortgleich mit dem bisherigen § 97 Abs. 3 GWB ist, wonach Leistungen in aller Regel immer in Fach- bzw. Teillosen zu vergeben sind.

  Quelle:


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