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Gewinner eines Architektenwettbewerbs muss nicht den Auftrag erhalten!

21.04.2015

Die Vergabekammer (VK) Südbayern hat mit Beschluss vom 13.10.2014 – Z3-3-3194-1-37-08/14 – u. a. Folgendes entschieden:

Es ist an keiner Stelle dem Normtext der VOF zu entnehmen noch aus sonstigen Gründen erforderlich, dass das Wettbewerbsergebnis so hoch gewichtet werden muss, dass der Wettbewerbsgewinner des vorhergehenden Architektenwettbewerbs regelmäßig auch den Auftrag im Verhandlungsverfahren erhalten muss.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte für Sanierung und Umbau eines historischen Rathauses einen Architektenwettbewerb in Form eines Realisierungswettbewerbs europaweit ausgeschrieben. Nach der Bekanntmachung sollte der Auftrag an einen der Gewinner des Wettbewerbs vergeben werden. Aus dem Wettbewerb wurden nach Entscheidung des Preisgerichts drei Preise und drei Anerkennungen vergeben. Bieter A erhielt dabei den ers-ten Preis. Im Folgenden forderte der AG die Preisträger zur Abgabe eines Angebots und zu Verhandlungen auf. Gemäß der Aufforderung zur Verhandlung sollte die Bewertung wie folgt erfolgen: Das Ergebnis des Wettbewerbs sollte zu 35 % in die Wertung eingehen; weitere 35 % sollten auf das Honorar entfallen; jeweils 10 % der Punkte sollten auf die projektbezogene Präsentation, die Projektorganisation sowie die Methoden zur Überwachung und Einhaltung der Kosten und Termine entfallen. Bieter A, der Wettbewerbssieger, rügte darauf diese Zuschlagskriterien – mit der Auffassung, dass das Resultat des Architektenwettbewerbs eine deutlich höhere Gewichtung für die Zuschlagsentscheidung haben müsse, z. B. etwa 80 %.

Die VK Südbayern ist hier anderer Ansicht. § 3 Abs. 4 Ziff. b) VOF bestimme, dass Aufträge im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb vergeben werden könnten, wenn der Auftrag an den Gewinner oder einen Preisträger des Wettbewerbs vergeben werde. Im letzteren Falle müssten alle Preisträger des Wettbewerbs zur Teilnahme an den Verhandlungen aufgefordert werden. Der Auftraggeber sei somit nicht verpflichtet, den Auftrag an den Wettbewerbssieger zu erteilen. Außerdem spreche § 17 Abs. 1 VOF davon, dass einer oder mehrere der Preisträger mit den weiteren Planungsleistungen nach Maßgabe der in § 15 Abs. 2 VOF genannten einheitlichen Richtlinien zu beauftragen seien. Damit werde in § 17 Abs. 1 VOF gerade nicht festgelegt, dass zwingend der erste Preis mit der Ausführung zu beauftragen sei, sondern es werde im Gegenteil auf die Gesamtheit der Preisträger abgestellt. Damit seien einem oder mehreren der Preisträger die weiteren Planungsleistungen zu übertragen. Auch dies gelte im Übrigen nur im Regelfall; denkbar sei – und dies sei auch ausdrücklich vorgesehen –, dass keiner der Preisträger in Frage komme, weil keine einwandfreie Ausführung zu erwarten sei oder ein sonstiger wichtiger Grund entgegenstehe. In der Entscheidung des Preisgerichts sei somit regelmäßig ein Zulaufen der Ausführung auf einen Architekten aus dem Kreis der Preisträger angelegt. Es werde jedoch nicht determiniert, welcher Preisträger zu beauftragen sei und auch die Möglichkeit offen gelassen, dass gar kein Preisträger beauftragt werde. Eine definitive und abschließende Festlegung bereits in der Wettbewerbsbekanntmachung auf den ersten Preisträger wäre im Übrigen auch nicht vergaberechtskonform, da die Befähigung, am Wettbewerb teilzunehmen, nicht gleichzusetzen sei mit der Befähigung, den Auftrag auch durchzuführen. Hier müsse der öffentliche Auftraggeber bereits aus zwingenden Rechtsgründen des § 97 Abs. 4 GWB eine zunächst einmal ergebnisoffene Eignungsprüfung durchführen.

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RA Michael Werner

Partner in der Kanzlei
ZIRNGIBL LANGWIESER
Rechtsanwälte Partnerschaft mbB

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Anmerkung:
Die Entscheidung ist deshalb von hohem Interesse, da – entgegen nicht selten anzutreffender Auffassung – die Bewertung eines Entwurfs in einem Architektenwettbewerbs gerade nicht heißt, die Entscheidung über den Zuschlag zur Auftragsausführung vorweg zu nehmen. Die hier vom AG vorgesehenen Wertungskriterien zeigen, dass weitere Kriterien, insbesondere das Honorar, für den Auftraggeber eine große Rolle spielen können.

  Quelle: RA Michael Werner


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