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Handwerk fordert vereinfachte und effiziente Vergabeverfahren

21.06.2022

Zu viel Bürokratie hält kleine und mittelständische Unternehmen oft von der Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen ab

Die neue Regierung hat angekündigt, die Position von kleinen und mittleren Betrieben bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen stärken zu wollen. Bislang ist in dieser Hinsicht jedoch nicht viel passiert. Handwerker und Handwerksvertreter fordern schon lange Verbesserungen. Von unnötiger Bürokratie bis zu komplexen Regelungen wird vieles kritisiert.

Schon lange fordern Handwerker und Handwerksvertreter Vereinfachungen bei öffentlichen Ausschreibungen. Die Bürokratie ist nur einer der vielen Punkte, die es für kleine und mittlere Handwerksbetriebe unattraktiv macht, an Vergabeverfahren teilzunehmen. Auch das Konkurrieren mit großen Unternehmerketten ist oft hart. Nun hat die neue Bundesregierung sich vorgenommen, ihre Beteiligungsmöglichkeiten bei den Vergabeverfahren zu stärken. Festgehalten haben das SPD, Grünen und FDP in ihrem Koalitionsvertrag. Darin kündigen sie auch an, "die öffentliche Beschaffung und Vergabe wirtschaftlich, sozial, ökologisch und innovativ" auszurichten.

Die Bürokratie endet nie

Gibt es damit Hoffnung auf baldige Verbesserungen? Knapp ein halbes Jahr Regierungszeit ist mittlerweile vorbei. Viele Handwerker haben die Hoffnung allerdings schon lange aufgegeben. Zwar setzen sich viele schon seit Jahren dafür ein, dass die Vergabeverfahren für Handwerker vereinfacht werden, viel tut sich aber nicht.

Ein Beispiel für die überwältigende Bürokratie ist das folgende: Die öffentliche Hand schreibt einen Auftrag aus, bei dem 20 Meter Brüstungsgeländer und ein paar Handläufe installiert werden sollen. Dafür bekommt ein Handwerksmeister ein umfangreiches Leistungsverzeichnis zugeschickt, das zuvor ein Architekt angefertigt hat. Von 40 Seiten beziehen sich drei Seiten auf die eigentliche Leistung, die restlichen 37 Seiten sind Vorbemerkungen, mit allerlei Vorgaben, an die sich der Handwerker zu halten hat. Der Aufwand, alle Vorgaben zu lesen und zu beachten, ist bei einem kleinen Auftrag wie diesem für viele mittelständische Unternehmen einfach zu groß.

Stimmen aus der Branche

Auch René Rimpler, Referatsleiter Öffentliches Auftragswesen beim Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH), kritisiert den unnötig hohen administrativen Aufwand bei öffentlichen Ausschreibungen. Mittelständler müssten seit einigen Jahren deutlich mehr Nachweise führen, die sie teils sogar davon abhalten würden, an Bieterverfahren teilzunehmen. Dazu gehörten Nachweise darüber, ob bestimmte Sozial- oder Umweltstandards eingehalten werden. Etwa, ob der Vergabemindestlohn gezahlt wird, der in vielen Bundesländern existiert. "Diese Nachweise haben in der Regel nicht viel mit dem Auftrag zu tun und sagen nur wenig darüber aus, ob das Unternehmen gut dafür geeignet ist, diesen auszuführen", so Rimpler. Kleine und mittlere Handwerksbetriebe seien hier überproportional belastet, da sie im Gegensatz zu größeren Unternehmen keine spezialisierten Abteilungen haben, die sich darum kümmern, diese Nachweise zu erbringen und an Ausschreibungen teilzunehmen. Der ZDH fordert, diese sogenannten “vergabefremden Aspekte” bei öffentlichen Ausschreibungen deutlich zu reduzieren.

Ein weiterer Kritikpunkt des ZDH an den Vergabeverfahren betrifft die Teilnahmechancen von kleinen und mittleren Handwerksbetrieben. "Die Losgrößen bei Vergabeverfahren müssen mittelstandsgerecht ausgestaltet werden", fordert Rimpler. Wenn große Projekte wie zum Beispiel der Bau ganzer Autobahnstrecken an Generalunternehmer oder in Form Öffentlich-Privater-Partnerschaften (ÖPP) ausgeschrieben werden, scheiden die meisten Mittelständler beinahe automatisch als Bieter aus. "In der Regel kommen dort die immer gleichen Baukonzerne zum Zug, der Mittelstand höchstens als Subunternehmer".

Verbesserungsvorschläge der betroffenen Akteure

Rimpler zeigt allerdings auch mögliche Lösungen für das Problem auf. Große Aufträge müssten in möglichst kleinen und mittelstandsfreundlichen Paketen ausgeschrieben werden, sodass auch der regionale Mittelstand die Möglichkeit hat, daran zu partizipieren. "Wenn der Auftrag direkt gewonnen wird, sind damit in der Regel auch attraktivere Margen verbunden, als wenn ein Handwerksbetrieb nur als Subunternehmer tätig ist", sagt Rimpler.

HWK-Präsident Jochen Renfordt hat eine zusätzliche Idee, wie der bürokratische Aufwand für Handwerksbetriebe verringert werden könnte. Auftraggeber sollten die zu erbringenden Nachweise zunächst öffentlich bekanntgeben. Potenzielle Bewerber können dann einschätzen, ob sie die Vorgaben erfüllen, und entscheiden, ob sie ein Angebot im Bieterverfahren abgeben möchten. Nur der Betrieb, der vom Auftraggeber favorisiert wird, muss schlussendlich die gesamten Unterlagen einreichen. "Das würde den anderen Handwerksbetrieben 90 Prozent der Zeit ersparen", so der Unternehmer.

Ein großes Problem sei auch, dass Kommunen sich oft für den günstigsten Anbieter entscheiden würden. Dies sei aber nicht immer richtig, so Experten. Der billigste Anbieter ist nicht unbedingt auch der wirtschaftlich günstigste Anbieter Denn das wirtschaftlich günstigste Angebot könnte zum Beispiel auch der Handwerker vor Ort abgegeben haben, der für Nacharbeiten wie die Wartung oder Reparatur keine weiten Strecken fahren und damit hohe Anfahrtskosten berechnen muss. Handwerker fordern daher von der Regierung, klar im Vergaberecht zu definieren, was unter günstigstes Angebot gemeint ist. Insgesamt, so fordert der ZDH, sollten die Vergaberegeln auf Ebene der Bundesländer stärker angeglichen werden.

Zentralisierte und klare Vergabeverfahren
Im Koalitionsvertrag hat die Ampel-Regierung indes versprochen, die Länder und Kommunen bei der Vereinfachung der Vergabeverfahren zu unterstützen, "ohne dabei die Rechtssicherheit von Vergabeentscheidungen zu gefährden oder die Zugangshürden für den Mittelstand zu erhöhen". Dafür will sie auch auf die Digitalisierung setzen. Ein Ansatz, den bereits die vorherige Bundesregierung verfolgt hat. Seit Oktober 2018 ist die E-Vergabe (elektronische Vergabe) bei EU-Ausschreibungen Pflicht, im Unterschwellenbereich ist sie es seit 2020 auch bei nationalen Ausschreibungen. Allerdings stoßen viele Betriebe trotz der Digitalisierung oder auch gerade deswegen auf neue Probleme.

So seien die Unternehmen oft gezwungen, je nach Bundesland unterschiedliche Vergabeplattformen zu nutzen. Besser wäre hingegen eine zentrale Plattform, an die alle anderen Vergabeplattformen angeschlossen sind. In diesem sollten Handwerksbetriebe nicht nur alle wichtigen Informationen einsehen können, sondern auch automatisch informiert werden, wenn es neue Ausschreibungen gibt, die auf ihr Profil passen.

Und tatsächlich beschreibt die Bundesregierung im Koalitionsvertrag eine "anwenderfreundliche zentrale Plattform […], über die alle öffentlichen Vergaben zugänglich sind und die eine Präqualifizierung der Unternehmen ermöglicht." Ob und wann diese umgesetzt wird, ist jedoch noch unklar. In der Zwischenzeit müssen Betriebe aber auf andere Anbieter zurückgreifen, die zentralisierte Vergabeplattformen anbieten und somit eine Unterstützung bei der Suche nach und der Bewerbung für öffentliche Ausschreibungen sind.

  Quelle: www.deutsche-handwerks-zeitung.de


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