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Heimat auf einem Quadratmeter

07.08.2012

Berliner Architekt baut mobiles Haus aus Sperrholzplatten - In Prototypen können Touristen übernachten

Von Maren Hennemuth

Berlin (dapd-bln). Es erinnert an das Haus vom Nikolaus. Als hätte Erfinder Van Bo Le-Mentzel die Strichzeichnung mit Sperrholzplatten nachgebaut - vierdimensional natürlich. Das Ein-Quadratmeter-Haus ist gerade so hoch, dass ein Kind darin aufrecht stehen kann. Und so leicht, dass Le-Mentzel es mit zwei Handgriffen auf die Seite kippen kann. Drinnen ist eine Matratze aufgetürmt. Liegt das kleine Haus waagerecht auf dem Boden, kann man darin schlafen. Da es auf vier Rollen gebaut ist, fällt der Umzug an einen anderen Ort nicht schwer. Anfang Juli baute der Architekt Le-Mentzel mit einer Gruppe die ersten Prototypen des Ein-Quadratmeter-Hauses. Seit kurzem stehen vier von ihnen vor einem Hostel in Berlin-Prenzlauer Berg. "Es ist das kleinste Haus der Welt. Jeder kann es selbst bauen", sagt der 35-jährige Le-Mentzel über seine Erfindung. Für 250 Euro seien alle notwendigen Materialien in einem Baumarkt zu haben. Sperrholzplatten aus Fichtenholz, vier Rollen und einen Akkuschrauber brauche man. "Das Zusammenbauen dauert nicht länger als einen Tag", berichtet der Berliner, der mit der Erfindung sogenannter Hartz-IV-Möbel bekannt wurde. Mit diesen selbst gebauten Möbelstücken wollte er sozial Benachteiligten einen Zugang zu zeitlosem und gestalterischem Design ermöglichen. Ein ähnliches Konzept verfolgt Le-Mentzel nun auch mit dem Ein-Quadratmeter-Haus. "Die Leute sollen das Haus selbst bauen und dann entscheiden, was sie damit machen. Ich kann ihnen nur die Anregung geben", erläutert er, "man könnte sich Solarzellen auf das Dach setzen, dann hätte man Strom und könnte sich im Winter auch einen Heizstrahler hineinstellen". Aus der Debatte über steigende Mietpreise habe er seine Inspiration für die rollende Hütte geschöpft. "Ganz Berlin diskutiert über den Quadratmeter", sagt er, "überall kostet ein Quadratmeter Geld und fast jeder Quadratmeter gehört jemandem." Er habe sich ganz einfach seinen eigenen Quadratmeter schaffen wollen.

Eher Kunsthappening als Übernachtungsmöglichkeit

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Foto: dapd

In der Schwedter Straße stehen vier der mobilen Bleiben vor einem Hostel. Hauptstadtbesucher können in ihnen kostenlos übernachten und für einen Euro am nächsten Morgen Küche und Badezimmer der Herberge mitbenutzen. Eine amerikanische Touristin legt sich am Montagmorgen kurzerhand in eines der vier Häuschen. "Es ist sehr viel komfortabler, als ich gedacht hätte", meint sie und lacht. Aber ob sie auf dem belebten Bürgersteig tatsächlich schlafen würde? Die junge Frau zuckt mit den Schultern. Ein halbes Dutzend Menschen hätten es bereits ausprobiert, sagt Hostel-Inhaber Jörg Schöpfel. "Es ist eher Teil eines Kunsthappenings als wirklich ein Standardprodukt, das Touristen als Übernachtung buchen", meint er, "aber es ist eine witzige Idee und Besucher setzen sich damit auseinander". Nach der Vorstellung von Le-Mentzel soll das kleine Haus auch vielmehr sein als eine kuriose Übernachtungsmöglichkeit: "Man kann darin sitzen, darin arbeiten, man kann es als Shop benutzen." Eine Obdachlosen-Initiative aus Chicago habe sich vor kurzem nach den Bauplänen erkundigt, erzählt der aus Laos stammende Mann. Viele Menschen hätten ihn gefragt, ob er das denn wirklich ernst meine. "Ich meine es todernst", sagt er und verweist auf seine eigene Biografie: "Ich komme aus einer Flüchtlingsfamilie und habe mich mein Leben lang mit der Frage auseinandergesetzt, was Heimat ist." Eine Antwort habe er bis heute nicht gefunden, nur so viel sei sicher, einen Heimatort müsse man wechseln können. "Deshalb steht das Ein-Quadratmeter-Haus auf Rollen."

  Quelle: dapd


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