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Herausforderung: in hybriden Kulturen leben

03.03.2020

von Max Leichner

Das Top-Management vieler Unternehmen steht aktuell vor folgendem Dilemma: Einerseits muss es die Agilität und Eigenverantwortlichkeit in der Organisation erhöhen, andererseits eine Reihe von Top-down-Entscheidungen treffen, um den künftigen Erfolg zu sichern.

Agilität – so lautete das Buzz-Word in der Management-Diskussion in den zurückliegenden Jahren. Zu Recht! Denn in der von raschen Veränderungen und sinkender Planbarkeit geprägten VUKA-Welt müssen die Unternehmen schneller und flexibler auf Marktveränderungen reagieren und nicht selten ganz neue Strategien und Problemlösungen entwerfen.

Das haben die meisten Unternehmen erkannt. Entsprechend viele Initiativen zum Erhöhen der Agilität ihrer Organisation und zum Schaffen eines entsprechenden Mindset bei ihren Mitarbeitern haben sie ergriffen. Dahinter stand oft keine ausgetüftelte Strategie, vielmehr hatten die Veränderungsinitiativen den Charakter von Versuchsballons – auch weil das Top-Management vieler Unternehmen aufgrund der fundamentalen Transformationen in der Wirtschaft und Gesellschaft oft selbst nicht wusste, wohin die Reise in ihrer Branche mittel- und langfristig geht. Als Beispiele seien die Finanz- und Automobilbranche genannt.

Die „DNA“ der Agilität
Agilität basiert auf der Idee, die Mitarbeiter auf der operativen Ebene, also dort wo die Arbeit geschieht, in die Steuerung zu integrieren und in die Verantwortung zu nehmen. Entscheidungen werden somit „bottom-up“ statt „top-down“ getroffen. Begriffe wie Eigenverantwortung und Selbstführung zählen in agilen Organisationen zum fundamentalen Gedankengut. Damit soll erreicht werden, dass die Teams sich schnell auf Veränderungen einstellen und hierauf reagieren. Führung bekommt in diesem Kontext eine andere Bedeutung. Sie entwickelt sich zu einer Begleitung der Teams. Der „Chef“ ist mehr „Coach“ als „Anweiser“.

Agile Strukturen entwickeln ihr volles Potenzial in Umgebungen, in denen Neues geschaffen werden soll. So kommen zum Beispiel agile Teams bei der Produktentwicklung zu ihrer vollen Entfaltung.

Die Grenzen der Agilität
Doch wie gehen agile Teams mit einem Downsizing um? Was geschieht, wenn nicht mehr alle Teams „finanzierbar“ sind? Was, wenn sich ein Team wirtschaftlich nicht mehr trägt und aufgelöst werden müsste? In solchen Situationen zeigt sich: Selbstorganisierte Teams haben eine natürliche Hemmung, auf den „Selbstzerstörungsknopf“ zu drücken. In Phasen des Wachstums oder Umbaus ist das auch nicht nötig.

In einer Phase von Einsparungen zuweilen wohl. Dann ist es eine typische Aufgabe von Führung, Prioritäten zu setzen und auch unangenehme Entscheidungen zu treffen zum „Wohl des Ganzen“, aber eben auch mit Konsequenzen für den Einzelnen.

Das Führungsdilemma
In dieser Situation befinden sich zurzeit nicht wenige Unternehmen: Ihre Umsätze und Erträge sowie Auftragseingänge stagnieren, wenn sie nicht sogar sinken. Also ist eine höhere Finanzdisziplin angesagt. Es muss wieder schärfer gefragt werden: Was ist für den Erfolg des Unternehmens unabdingbar, und worauf können wir verzichten? Und nicht selten ist ein Cost-Cutting bei allen Initiativen, deren Relevanz für den Unternehmenserfolg eher niedrig ist, angesagt. Selbst das Thema Personalabbau steht bei einer wachsenden Zahl von Unternehmen wieder auf der Agenda.

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Foto: www.kraus-und-partner.de

Das heißt, das Top-Management muss wieder stärker steuern, denn
• kein Bereich kürzt eigeninitiativ sein Budget und
• kein agiles (Projekt-)Team beschließt von sich aus „Wir lösen uns auf“ – zum Beispiel, weil andere Dinge aktuell dringlicher sind.

Solche Entscheidungen muss das Top-Management treffen, und sie werden von ihm aktuell oft getroffen. Dies führt insbesondere in den Unternehmen, die in den zurückliegenden Jahren stark die Themen Agilität und Eigenverantwortlichkeit forcierten, nicht selten zu Konflikten und dazu, dass die Betroffenen monieren: „In den letzten Jahren wurde von uns stets gefordert, ihr müsst eigenständiger entscheiden und agieren, und nun erhalten wir wieder strikte Vorgaben.“ Das macht es für das Top-Management schwer, die Betroffenen als Mitstreiter zum Beispiel in Turnaround-Projekten zu gewinnen.

In „Sowohl-als-auch“-Kategorien denken
Das Top-Management nicht weniger (Groß-)Unternehmen steckt aktuell in folgendem Dilemma:
•  Einerseits müssen die Unternehmen in der von rascher Veränderung geprägten VUKA-Welt agiler werden und deshalb mehr Entscheidungsbefugnisse auf die operative Ebene verlagern. Und:
• Andererseits müssen vom Management top-down Entscheidungen getroffen werden – unter anderem um sicherzustellen, dass sich alle Initiativen im Unternehmen an den gemeinsamen übergeordneten Zielen orientieren und die stets begrenzten Ressourcen effektiv genutzt werden.

Die Unternehmen müssen sozusagen eine hybride Kultur entwickeln, in der statt eines dogmatischen „Entweder-oder“ ein pragmatisches „Sowohl-als-auch“ gilt, denn anderes lassen sich zumindest größere Organisationen in der VUKA-Welt nicht erfolgreich führen.

Dieses Bewusstsein den Mitarbeitern zu vermitteln, ist nicht leicht – auch weil in der VUKA-Welt häufiger sogenannte „schwarze Schwäne“, also unvorhersehbare oder nur schwer vorhersehbare Ereignisse, die Planungen des Top-Managements obsolet machen. Also muss es seine Entscheidungen häufiger überdenken und korrigieren. Das vermittelt den Betroffenen oft das Gefühl: „Die da oben wissen selbst nicht, wohin die Reise geht.“ Hieraus kann rasch Demotivation resultieren.

Die Führungskräfte stärken statt verunsichern
Eine solche Entwicklung können Unternehmen nur mit starken Führungskräften vermeiden, die ihren Mitarbeiter im Arbeitsalltag immer wieder vermitteln, warum gewisse Dinge nötig sind. Deshalb sollten die Unternehmen ihre Führungskräfteentwicklung, die sie in den letzten Jahren, nicht selten auf Eis legten, wieder forcieren – auch damit die die Führungskräfte lernen mit dem Führungsparadoxon von Top-down und Bottom-up im Betriebsalltag gut umzugehen.

  Quelle: www.die-profilberater.de


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