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"Hol doch mal den Geldkoffer hoch"

15.02.2013

Zwangsversteigerung des Künstlerhauses Spiekeroog verläuft ohne Gebotsabgabe - Stolberg preist einstiges Vorzeigeobjekt als "Werbeträger"

Von Normann Berg

Wittmund/Spiekeroog (dapd-nrd). Erhaben steht das Künstlerhaus am östlichen Ortsrand von Spiekeroog. Gäste der Nordseeinsel blicken durch die Fenster ins Innere des Gebäudes. Sie sehen keine Menschen, aber Farbpaletten und halbfertige Holzskulpturen. Alles deutet darauf hin, dass die Kunstschaffenden nur eine Pause machen. Diese dauert allerdings schon eineinhalb Jahre. Das millionenschwere Vorzeigeobjekt des einstigen Shootingstars der deutschen Schifffahrtsbranche, Niels Stolberg, wurde mit der Pleite seiner Reederei Beluga geschlossen.

25 Kilometer weiter südlich, auf dem ostfriesischen Festland, wurde vergangende Woche über die Zukunft des Anwesens verhandelt. Das Künstlerhaus steht am Amtsgericht Wittmund zur Zwangsversteigerung.

Saal 1 des Gerichtsgebäudes ist prall gefüllt. Allein von der Insel ist eine 20-köpfige Delegation angereist. "Es wäre schön, wenn wieder Leben in das Gebäude kommt", sagt eine Gastronomin. Mitbieten kann und will sie nicht. Mit einem Verkehrswert von 3,2 Millionen Euro ist ihr das Gebäude schlichtweg zu teuer.

Um 10.39 Uhr eröffnet der zuständige Rechtspfleger die Zwangsversteigerung. Für mindestens eine halbe Stunde könnten jetzt Gebote abgegeben werden, sagt er. Im Saal wird getuschelt. "Hol doch mal den Geldkoffer hoch", ruft eine Frau ihrem Sitznachbarn scherzhaft zu, als dieser kurz den Saal verlassen will.

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Ein Fahrradfahrer fährt auf der Nordseeinsel Spiekeroog vor dem geschlossenen „Künstlerhaus Spiekeroog“ vorbei.

Nach wenigen Minuten steht eine Vertreterin des Hauptgläubigers Sparkasse Bremen auf und bittet die Besucher, das Gespräch mit ihr zu suchen. Nach Gerichtsangaben steht das Geldinstitut mit etwa 3,4 Millionen Euro im Grundbuch. "Wir haben unsere Preisvorstellungen", sagt sie. Welche das sind, sagt sie zunächst nicht.

So bleibt die Suche nach einem Bieter erfolglos. Um 11.11 Uhr verkündet der Rechtspfleger, dass die Mindestbietzeit abgelaufen sei und keine Gebote abgegeben worden seien. Es werde ein neuer Termin anberaumt, voraussichtlich in vier bis fünf Monaten, sagt er.

Trotz der Ergebnislosigkeit wird die Vertreterin der Sparkasse nun konkreter hinsichtlich des gewünschten Erlöses. "Wir streben weiterhin den Verkehrswert an", sagt sie. Illusorisch sei das nicht. Das Gebäude sei "hochwertig und bedeutend für die Insel".

 "Viele konnten Kreativität ausleben"

Probleme gibt es allerdings mit der sehr eingeschränkten Nutzung. Gastronomie, Hotellerie, Ferien- und Mietwohnungen sind derzeit nicht erlaubt. Dies sei aber Voraussetzung, um das Künstlerhaus zu einem guten Preis abzugeben, appelliert die Sparkassen-Vertreterin an die Inselpolitiker, daran etwas zu ändern.

Inge Redelfs hört sich das genau an. Sie ist parteiloses Ratsmitglied im Gemeinderat auf Spiekeroog. "Die Sparkasse wusste doch, was sie finanziert", sagt die Insulanerin. Dennoch könne sie sich vorstellen, dass der Rat einer Nutzungsänderung zustimmt, wenn ein neuer Besitzer dies wünscht. Dringend würden auf der Insel etwa Mietwohnungen für Saisonkräfte und Verwaltungsangestellte benötigt. Aber auch ohne Künstlerhaus werde Spiekeroog nicht untergehen.

Die Beziehung zwischen Insulanern und Künstlerhaus ist seit jeher getrübt. Das liegt an Stolberg. Der Reeder erklärte Spiekeroog vor zehn Jahren zu seiner Wahlheimat und investierte gegen den Widerstand vieler alteingesessener Gastronomen und Vermieter kräftig. Kritiker warfen ihm vor, ein zweites Sylt zu planen: mondän und teuer. Prunkstück war das im Sommer 2007 eröffnete Künstlerhaus. 2.800 Quadratmeter Fläche, hochwertige Ateliers, Werkstätten und Seminarräume verströmten kulturellen Glanz auf der verträumten Insel.

So schnell, wie Stolberg kam, war er aber auch wieder verschwunden. Mit der Pleite seiner Bremer Reederei Beluga, einst Marktführer in der Schwergutschifffahrt, gingen auch seine Spiekerooger Immobilien unter. Einige, wie das Hotel "Spiekerooger Leidenschaft", sind insolvent. Der Betrieb läuft aber weiter. Das Künstlerhaus ist dagegen seit Sommer 2011 geschlossen.

Gegen Stolberg erhob die Staatsanwaltschaft Bremen Anfang Februar Anklage wegen Kreditbetrugs. Der Reeder ist aber weiterhin überzeugt von seinem einstigen Prestigeobjekt. "Das Galerie- und Künstlerhaus war für die Insel Spiekeroog ein perfekter Werbeträger. Viele Gäste konnten hier ihre Kreativität ausleben", sagt er der Nachrichtenagentur dapd. Freunde und langjährige Besucher hätten gleich nach der Schließung gefordert, dass es für die Attraktivität der Insel weitergeführt werden müsse.

  Quelle: dapd


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