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Insolvenz am Bau – Kehrtwende durch aktuelle Rechtsprechung?

19.07.2016

Eine kürzlich ergangene Entscheidung (VII ZR 56/15) des Bundesgerichtshofes (BGH) lässt auf den ersten Blick vermuten, dass die Kündigungsrechte des Auftraggebers eines VOB/B-Werkvertrages bei Insolvenz des Auftragnehmers gestärkt worden seien. Bereits die ersten Leitsätze des Urteils verleiten zu dem Schluss, dass sich der Auftraggeber bei Insolvenzantragstellung oder -eröffnung sorglos des Vertrages mit dem insolventen Auftragnehmer entledigen könne.

„Dass das mitnichten der Fall ist, wird erst bei näherer Betrachtung der Urteilsbegründung offenbar. Daher warnen wir trotz dieser viel beachteten Entscheidung weiter vor einer ‚Kündigungseuphorie‘“, sagt Rechtsanwältin Kathrin Heerdt, Mit-glied im Vorstand der Arbeitsgemeinschaft für Bau- und Immobilienrecht (ARGE Baurecht). Der Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht zufolge stellt der BGH darauf ab, dass es dem Auftraggeber im Falle des Eigeninsolvenzantrages des Auftragnehmers nicht zuzumuten sei, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und die sich anschließende Entscheidung des Insolvenzverwalters zur Fortführung des Bauvertrages abzuwarten. „Erfahrungsgemäß kann sich das über Monate hinziehen. Das ist für die meisten Auftraggeber nicht zumutbar“, betont Heerdt.

Privilegierte Kündigung nur bei Eigeninsolvenzantrag
Das Insolvenzverfahren ist ein so genanntes Antragsverfahren, das lediglich auf Antrag des Schuldners selbst oder eines seiner Gläubiger eröffnet wird. Vor der Insolvenzeröffnung prüft ein gerichtlich bestellter Gutachter oder vorläufiger Insolvenzverwalter, ob ein Insolvenzgrund vorliegt. Dazu gehören die drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit oder, bei juristischen Personen, die Überschuldung. Der Gutachter oder vorläufige Verwalter hat Einblick in die Informationen des Insolvenzgerichtes und weiß daher, ob der Insolvenzantrag durch einen Gläubiger oder den Schuldner selbst gestellt wurde. Für Dritte, etwa den Vertragspartnern des insolvenzbetroffenen Auftragnehmers, sind diese Informationen in amtlich bestätigter Form nicht zugänglich. Auskünfte, die direkt vom betroffenen Auftragnehmer kommen, sind keine verlässliche Quelle. „Es ist aber von entscheidender Bedeutung, ob der Auftragnehmer selbst den Antrag gestellt hat. Nur dann steht dem Auftraggeber das Recht auf eine privilegierte Kündigung zu, die ihn zur Einstellung weiterer Zahlungen berechtigt“, so Heerdt.

Zeitliche Nähe zwischen Eigen- und Fremdantrag
Hat der Auftragnehmer selbst einen Insolvenzantrag gestellt, so kann hieraus keineswegs sicher geschlossen werden, dass nicht von einem Dritten zuvor auch ein Insolvenzantrag gegen ihn ausgebracht wurde. Beispielsweise kann eine Krankenkasse aufgrund rückständiger Beiträge einen Insolvenzantrag stellen und kurz darauf reicht der Auftragnehmer seinerseits einen Antrag auf Insolvenz aufgrund seiner angespannten Liquiditätslage ein. „So oder so ähnlich kommt es in der Praxis nicht selten vor“, sagt Heerdt. In einem solchen Fall kann einige Zeit vergehen, bis der Auftragnehmer selbst überhaupt von dem von dritter Seite gestellten Antrag erfährt. „Lässt sich das Insolvenzantragsverfahren auf Eigenantrag nicht belegen und stellt sich heraus, dass das Verfahren aufgrund zeitlich vorausgehendem Fremdantrag eingeleitet wurde, vermittelt die Entscheidung keine (Kündigungs-) Sicherheit“, unterstreicht Heerdt.

Außerordentliche Kündigungsgründe schaffen
Inwieweit eine Kündigung durch den Auftragnehmer auch im Fall des Fremdantrages privilegiert ist und somit auch für die Einstellung von Zahlungen gilt, lässt sich der Begründung des Urteils nicht entnehmen. Auftraggeber, die im Insolvenzantragsverfahren kündigen wollen, sollten zusätzlich zu seinem insolvenzbedingten Kündigungsrecht auch für die Kündigungsgründe gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B sorgen. „Dazu gehört es, den Auftragnehmer etwa zur Mängelbeseitigung unter Fristsetzung aufzufordern oder in Verzug zu setzen und die Kündigung nach fruchtlosem Ablauf der gesetzten Frist auf einen weiteren außerordentlichen Kündigungsgrund zu stützen“, empfiehlt Heerdt.

  Quelle: www.arge-baurecht.com


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