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Insolvenzkündigung (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B) ist wirksam!

26.05.2016

von RA Michael Seitz

Die in einen Bauvertrag einbezogene Regelung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 Fall 2 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 2 VOB/B ist weder gemäß § 134 BGB i. V. m. § 103, 119 InsO noch gemäß § 307 Abs. 1,2 BGB unwirksam.

Dies hat der BGH in einem Urteil vom 07.04.2016 (VII ZR 56/15) entschieden.

Der Fall: AG beauftragt AN im Jahre 2011 mit der Errichtung eines Geschäftshauses gegen Zahlung einer Pauschalvergütung. Die VOB/B 2009 ist in den Vertrag einbezogen. Die Bank B stellt eine Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von € 166.000,00 (= 10 %). Im April 2012 stellt AN Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Daraufhin kündigt AG den Bauvertrag unter Bezugnahme auf § 8 VOB/B wegen der Insolvenz aus wichtigem Grund. AN stellt die Arbeiten ein, AG beauftragt einen Drittunternehmer mit der Fertigstellung. Später nimmt AG die B wegen der Fertigstellungsmehrkosten, die höher als der verbürgte Betrag sind, auf Zahlung aus der Bürgschaft in Anspruch. B verteidigt sich u. a. damit, AG habe keinen Anspruch aus der Bürgschaft, da es an einer gesicherten Hauptforderung fehle. Die Klausel des § 8 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 2. Fall VOB/B sei wegen § 119 InsO unwirksam, daher habe AG keinen Schadensersatzanspruch aus § 8 Abs. 2 Nr. 2 VOB/B gegen AN und also auch nicht gegen die Bürgin B.

Das Urteil: Anders als noch das OLG Frankfurt (vgl. die Besprechung im Submissions-Anzeiger Nr. 110/15 vom 11.6.2015) urteilt der BGH nunmehr letztinstanzlich, dass die Kündigungsmöglichkeit wegen Insolvenz gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 Fall 2 VOB/B weder gegen § 103, 119 InsO noch gegen das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen verstößt und daher wirksam ist. Zwar sei es Ziel des §§ 103, 119 InsO, – die dem Insolvenzverwalter ein Wahlrecht einräumen, den Vertrag zu erfüllen - die Insolvenzmasse im Interesse einer gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung zu schützen. Jedenfalls für einen Eigeninsolvenzantrag des AN sei die Vereinbarung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 2. Fall der VOB/B mit der Rechtsfolge des § 8 Abs. 2 Nr. 2 VOB/B (Schadensersatzanspruch AN gegen AG wegen Nichterfüllung der restlichen Leistung) wegen der besonderen Interessenlage der am Bau Beteiligten gleichwohl wirksam. Schon gemäß § 649 Satz 1 BGB stehe dem Auftraggeber stets ein Kündigungsrecht zu. Daher gehe die Kündigungsmöglichkeit in § 8 Abs. 2 Nr. 1 2. Fall VOB/B nicht weiter als das gesetzliche Kündigungsrecht und weiche daher nicht vom gesetzlichen Leitbild ab. Auch die von § 649 Satz 2 BGB (volle Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen) abweichende Rechtsfolge führe nicht zu einem anderen Ergebnis. Im Falle eines eigenen Insolvenzantrages des Auftragnehmers sei es nämlich dem Auftraggeber regelmäßig nicht zuzumuten, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und die erst dann erfolgende, abschließende Entscheidung des Insolvenzverwalters zur Fortführung des Bauvertrages abzuwarten. Zudem liege auch kein Verstoß gegen § 307 BGB vor, da die genannte Regelung den Verwendungsgegner nicht unangemessen benachteiligt. Auch insoweit weicht § 8 Abs 2 Nr. 2 Satz 1 VOB/B nicht vom gesetzlichen Leitbild ab, denn diese Vorschrift regelt nicht die Rechtsfolgen einer freien Kündigung, sondern vielmehr einer solchen aus wichtigem Grund (hier: Insolvenz). Zwar setzt Schadensersatz stets ein Verschulden voraus, dieses liege jedoch bei einem Eigeninsolvenzantrag des AN regelmäßig vor, denn dadurch werde das Vertrauensverhältnis zum AG nachhaltig gestört mit der Folge, dass die von § 649 Satz 2 BGB abweichende Rechtsfolge (Schadensersatz wegen Nichterfüllung statt volle Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen) gerechtfertigt sei.

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Fazit: Die hiesige Entscheidung des BGH klärt eine seit langem höchst umstrittene Rechtsfrage und darf daher ohne weiteres als Grundsatzurteil bezeichnet werden. Dies gilt insbesondere, nachdem ein anderer Senat des BGH für Energieversorgungsverträge entschieden hatte, dass Kündigungsklauseln, die wie § 8 Abs. 2 Nr. 1 Fall 2 VOB/B an die Insolvenzantragstellung anknüpfen, gemäß § 103, 119 InsO unwirksam sind, weil sie das Wahlrecht des Insolvenzverwalters zur Vertragserfüllung einschränken. Dies sieht der BGH hier nun für den Bauvertrag unter Hinweis auf dessen Besonderheiten anders. Für Auftraggeber bedeutet dies, dass sie zukünftig bei (Eigen-)Insolvenzantragstellung ihres Auftragnehmers den Vertrag aus wichtigem Grund kündigen können, wenn sie die VOB/B vereinbart haben. Dies mag für Auftraggeber - insbesondere auch solche von Nachunternehmern – erfreulich sein. Die Entscheidung wird aber auch dazu führen, dass weiterhin Bauunternehmen in der Insolvenz praktisch nicht sanierungsfähig sind, da ihnen zumeist sofort – und nun mit der Billigung des BGH – sämtliche Aufträge gekündigt werden.

 

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