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Ist eine Rüge mit dem Angebot rechtzeitig?

30.04.2012

Ist eine Rüge mit dem Angebot rechtzeitig?


Das OLG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 7. Dezember 2011 – Verg 81/11 – folgendes entschieden:

Um als Rüge zu gelten, muss die fragliche Äußerung des späteren Antragstellers
gegenüber der Vergabestelle nur erkennen lassen, dass sie einen bestimmten Sachverhalt
als Vergaberechtsverstoß ansieht und eine Abhilfe erwartet. Es dürfen keine hohen
Anforderungen an den Wortlaut gestellt werden. Insbesondere muss eine Rüge
nicht ausdrücklich als solche bezeichnet werden.
Die Rüge ist als geschäftsähnliche Handlung anzusehen. Für sie gilt deshalb u. a.
§ 130 BGB entsprechend. Zugang liegt vor, wenn das Rügeschreiben so in den Bereich
des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Umständen die Möglichkeit
hat, von dessen Inhalt Kenntnis zu nehmen.

Foto Hr.Werneronline.jpg

Von RA Michael Werner
Ein Vergabestelle (VSt.) hatte Abschleppmaßnahmen in einem Offenen Verfahren nach der VOL/A ausgeschrieben. Die Leistungsbeschreibung basierte dabei auf Durchschnittsmengen aus vergangenen Jahren. Ein Bieter, der spätere Antragsteller, gab ein Angebot ab, wobei er im Begleitschreiben Hinweise hinsichtlich der von ihm kalkulierten Anzahl der Abschleppvorgänge gab. Hierbei erläuterte er die von ihm in Ansatz gebrachten Mengen als Basis seines Angebots und der Mitteilung, dass es sich hierbei um die tatsächlich in der Vergangenheit angefallenen Mengen handle. Nach Auswertung der Angebote kam die VSt. zu dem Ergebnis, dass ein Drittunternehmen das günstigste Angebot abgegeben hatte und teilte dies u. a. dem Antragsteller mit. Darauf reichte der Antragsteller einen Nachprüfungsantrag mit Hinweis auf das Angebotsbegleitschreiben ein. Die VSt. war der Ansicht, der Antrag sei bereits wegen eingetretener Rügepräklusion unzulässig.

Das OLG ist der Auffassung, dass der Inhalt des Angebotsbegleitschreibens als Rüge zu sehen sei. Im Hinblick darauf, dass der Antragsteller persönlich – ohne Anwalt – sowohl Rüge als auch das Verfahren vor der Vergabekammer betreiben könne, dürften an den Wortlaut keine hohen Anforderungen gestellt werden. Insbesondere müsse eine Rüge nicht ausdrücklich bezeichnet werden. Danach reiche hier der „Hinweis“ inhaltlich als Rüge aus. Der Antragsteller habe einen kalkulationsrelevanten Vergaberechtsverstoß gerügt und letztlich erkennbar auch die Erwartung gehegt, dass einer Bewertung nicht die Zahlen der VSt., sondern die „richtigen“ Zahlen zugrunde gelegt würden. Allerdings fehle es hier an der Unverzüglichkeit der Rüge. Der Antragsteller habe hier den Vergaberechtsverstoß bei der Bearbeitung des Angebots erkannt. Damit war dieser jedenfalls bis zur Frist der Angebotsabgabe zu rügen. Entscheidend sei hier, wann die Rüge der VSt. zur Kenntnis gelangt sei. Bei der Rüge gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB handle es sich zwar nicht um eine Willenserklärung, für die § 130 BGB unmittelbar gelte. Sie stelle keine Äußerung eines auf die Herbeiführung einer Rechtswirkung gerichteten Willens dar, sei jedoch als geschäftsähnliche Handlung anzusehen, da sie dem Erhalt der Geltendmachung eines Vergaberechtsverstoßes in einem Vergabenachprüfungsverfahren diene. Für derartige geschäftsähnliche Handlungen gelte § 130 BGB entsprechend mit der Folge, dass ein Zugang dann vorliege, wenn sie so in den Bereich des Empfängers gelangt sei, dass dieser unter normalen Umständen die Möglichkeit habe, vom Inhalt Kenntnis zu nehmen. Dabei komme es nicht auf den körperlichen Eingang des Rügeschreibens bei der Vergabestelle, sondern die Möglichkeit der Kenntnisnahme an. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 VOL/A-EG seien Angebote jedenfalls bis zum Ablauf der Angebotsfrist ungeöffnet zu lassen. Damit könne die VSt. von der Rüge aus Rechtsgründen gerade nicht „bis Ablauf der Angebotsabgabefrist“ Kenntnis nehmen. Daher sei die Rüge nicht rechtzeitig i.S. des § 107 GWB eingegangen.

Anmerkung:
Es ist immer wieder festzustellen, dass Bieter erst im Angebotsbegleitschreiben vergaberechtliche Rügen aussprechen, um der Präklusionswirkung zu entgehen. Das OLG stellt nun klar, dass dies nicht dem Unverzüglichkeitsbegriff des § 107 GWB entspricht. Bietern ist daher unbedingt zu empfehlen, vor Abgabe des Angebots, d. h. nicht gleichzeitig mit dem Angebot, entsprechende Rügen zu erheben. Dies ist umso wichtiger, als eine Rüge ein Abhilfeverlangen beinhalten muss. Entsprechende Abhilfe kann aber regelmäßig nach Ablauf der Angebotsfrist nicht mehr erteilt werden.

  Quelle: RA Michael Werner


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