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Ist nach der "letzten Runde" Schluss?

29.07.2013

Vergabe im Verhandlungsverfahren:

Das Kammergericht (KG) Berlin hat mit Beschluss vom 17.05.2013 – Verg 2/13 – u.a. folgendes entschieden:

Vergaberechtlich nicht zu beanstanden ist es, wenn die Vergabestelle in einem
Verhandlungsverfahren zunächst eine bestimmte Verhandlungsrunde als „letzte Runde“
bezeichnet, diese Erklärung aber später abändert und eine weitere Verhandlungsrunde
eröffnet, solange dies in transparenter und alle Bieter gleichbehandelnder Weise geschieht.


Die Vergabestelle darf eine erneute Verhandlungsrunde mit dem gleichheitswidrigen Ziel
nicht eröffnen, bestimmten, von ihr favorisierten Bietern, die im Ergebnis der vorherigen
Verhandlungsrunde keinen Zuschlag erhalten hatten, die Möglichkeit zu schaffen, mit der
Abgabe eines weiteren Angebotes denjenigen Bieter, der im Ergebnis der vorherigen
Verhandlungsrunde den Zuschlag erhalten hätte, noch zu überbieten.


Ein öffentlicher Auftraggeber hatte die Lieferung, Installation und Inbetriebnahme von Fahrausweisautomaten europaweit im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb vergeben. Dabei hatte er das Verhandlungsverfahren strukturiert mit mehreren Verhandlungsrunden durchgeführt und dabei die dritte Verhandlungsrunde als sog. „letzte Runde“ angekündigt. Im weiteren Verlauf des Vergabeverfahrens hatte er sich aber entschieden, eine vierte Verhandlungsrunde zu eröffnen, da das Angebot des Bieters A zwar das wirtschaftlichste war, aber auszuschließen gewesen wäre. Die Durchführung der vierten Verhandlungsrunde sowie die Abfrage weiterer Angebote hatte der AG allen Bietern schriftlich angekündigt. Der Bieter A hatte dies gegenüber dem AG erfolglos gerügt und reichte darauf einen Nachprüfungsantrag ein. Nachdem die Vergabekammer diesen zurückgewiesen hatte, verfolgte er die Nachprüfung mit der sofortigen Beschwerde weiter.
Das KG weist diesen Antrag als unbegründet zurück. Durch das vorliegende Vorgehen des AG sei weder das vergaberechtliche Transparenzgebot noch das Gleichbehandlungsgebot verletzt worden. Das Schreiben des AG, eine vierte Runde durchzuführen, sei seinem Inhalt nach eindeutig. Durch dieses Schreiben sei allen beteiligten Bietern gleichermaßen die Chance zur Abgabe eines weiteren Angebotes in vierter Runde eröffnet worden.

Der Bieter A habe zudem verstanden, dass die Möglichkeit zur Abgabe eines weiteren Angebotes in vierter Runde eröffnet worden sei, da er von dieser Möglichkeit durch Überarbeitung seines bisherigen Angebotes Gebrauch gemacht habe. Bedenken an die Eröffnung einer weiteren Runde könnten lediglich im Hinblick auf das Transparenzgebot allenfalls darin bestehen, dass der AG durch sein Schreiben seine zuvor getätigte Erklärung, die dritte Runde sei die letzte, abgeändert habe. Jedoch sei es einem AG nicht untersagt, eine von ihm im Laufe eines Verhandlungsverfahrens getätigte Erklärung abzuändern, solange dies in transparenter und alle Bieter gleich behandelnder Weise geschehe. Vorliegend sei insbesondere nicht zu erkennen, dass der AG die vierte Verhandlungsrunde mit dem – gleichheitswidrigen – Ziel eröffnet habe, bestimmten von ihm favorisierten Bietern, die im Ergebnis der dritten Verhandlungsrunde keinen Zuschlag erhalten hätten, die vergaberechtswidrige Möglichkeit zu schaffen, mit der Abgabe eines weiteren Angebotes den Bieter A, der im Ergebnis der dritten Verhandlungsrunde den etwaigen Zuschlag erhalten hätte, noch zu überbieten. Denn tatsächlich wäre im Ergebnis der dritten Verhandlungsrunde das Angebot des Bieters A auszuschließen gewesen, so dass die Eröffnung der vierten Verhandlungsrunde jedenfalls auch dem Interesse des Bieters A diente, ein berücksichtigungsfähiges Angebot zu unterbreiten.

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Anmerkung:
Die o.g. Entscheidung zeigt wieder eindrücklich, dass im Verhandlungsverfahren der Auftraggeber über eine relativ weitgehende Freiheit verfügt. In diesem Verfahren ist es dem AG nicht grundsätzlich verwehrt, auch nach einer „letzten Runde“ (last call) noch einmal Angebote in einer weiteren Verhandlungsrunde einzuholen. Zwar darf in dieser Ergänzungsrunde die Bieterreihenfolge nicht mehr verändert werden, jedoch ermöglicht sie – im Interesse einer wirtschaftlichen Vergabe – die nachträgliche „Reparatur“ bisher ungültiger, aber wirtschaftlich interessanter, Angebote.


  Quelle: RA Michael Werner


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