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Japanische Sen-Esche reist zweimal um die halbe Welt

04.06.2012

Die deutsche mittelständische Holzindustrie behauptet sich auch international

Von Thomas Rietig

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Foto: Peter Grewer / dapd

Bernd Storks steht vor einer Palette Furnier aus japanischer Sen-Esche. "Möglich, dass die bald in einer australischen Luxusjacht landet", sagt er. Ein Baum aus Japan, der in Form von 0,9 Millimeter dicken Furnierlagen in einer Halle in Havixbeck im Münsterland liegt, ziert vielleicht bald das Interieur eines sündhaft teuren Boots in Sydney oder Melbourne. Die Halle ist der Showroom des Furnierwerks Wehmeyer, und als Storks ein paar Schluck Mineralwasser über die Furniere schüttet, erblühen sie zu voller Schönheit mit intensiver Farbe und kräftiger Maserung.Wehmeyer verarbeitet hauptsächlich Holz aus Deutschland und Frankreich. Der Exportanteil beträgt 50 Prozent. Die Sen-Esche ist ein Exot. Ihr Weg ist ein Beispiel für internationale Konkurrenzfähigkeit der deutschen mittelständischen Holzindustrie. Storks rechnet vor: Die Stämme für etwa 2.000 Euro pro Festmeter werden vor Ort in Japan längs halbiert, weil aus dem Inselreich kein Rundholz im Stück exportiert werden darf. Dann treten diese "Flitsche" im Kühlcontainer eine Seereise um die halbe Welt an und werden in Havixbeck zu Furnieren "gemessert".

Präzision von Tausendstelmillimetern

Containergroße High-Tech-Maschinen schneiden die Stämme in der Präzision von Tausendstelmillimetern in dünnste Lagen. Über Holzmakler wird das so entstandene Furnier manchmal wieder um die halbe Welt verschifft und an einen Objekteinrichter verkauft, der damit Jachten oder Hotelbars verschönert. Aus einem Festmeter werden bis zu 700 Quadratmeter Furnier, deren jeder je nach Qualität, Seltenheit und Marktwert sechs bis acht Euro einbringen kann.2.000 durch 700 gibt rund drei Euro Einkaufspreis pro Quadratmeter. Dazu kommen laut Storks 3,50 Euro Produktionskosten. Bleiben 50 Cent bei sieben Euro Umsatz - vorausgesetzt, der Stamm hielt beim Messern, was er von außen versprach, als er gegen Vorkasse gekauft wurde. Geht die Rechnung auf, so hat Heiner Wehmeyer, der Chef des Familienbetriebs, Glück gehabt. "Die Einkäufer für diese Luxusschiffe gehen keine Kompromisse ein. Die wollen immer nur das Beste", sagt er. Und das kostet.Weil das Risiko so groß ist, ist die Holzauswahl Chefsache. Wehmeyer reist viel. Vorher informiert er sich bei Kunden und Möbelmessen. "Ich weiß, was die Kunden wollen, und dementsprechend reagiere ich auch im Wald."

"Wir haben den Trend zum Lack gemerkt"

Abgesehen vom oberen Preissegment ist Holzlook nicht so sehr in, momentan. "Wir haben den Trend zum Lack deutlich gemerkt", gibt Wehmeyer zu, und auch, dass er seine Firma in der Krise auf jetzt 28 Mitarbeiter verkleinern musste. Die Menge des verarbeiteten Holzes sank von 3.500 auf 2.500 Festmeter jährlich. Trends wechselten. "Wir machen sehr viel in Eiche derzeit." Aber jetzt schätzt Wehmeyer die Konjunktur stabil ein.In dieses Horn stößt auch Volkmar Halbe, Geschäftsführer von Parador. Das Unternehmen der Hüls-Gruppe sieht sich als "Preisführer" bei Laminaten, Vinyl- und Parkettböden und betreibt ein großes Werk in Stadtlohn im Kreis Coesfeld und zwei weitere in Österreich. "Ich sehe da keine Eintrübung." In der Gegend herrsche darüber hinaus Vollbeschäftigung. "Schon seit zwei Jahren." Paradors Exportquote liegt bei 47 Prozent. "Da wir nach ganz Europa liefern, gibt es immer irgendwo einen Boom." Zurzeit sei das Skandinavien.Einen Aufwärtstrend spürt auch Frank Gussek. Er führt in dritter Generation in Nordhorn einen Fertighausbetrieb, den er selbst unter den Top Ten der Branche verortet. "Die Zahl der jährlichen Baugenehmigungen steigt wieder über 100.000. Das ist gut im Vergleich zu den 70.000 bis 80.000 der letzten Jahren, reicht aber nicht an die 90er Jahre mit 220.000 Baugenehmigungen bundesweit heran."Gussek weiß schon, dass er 2012 mindestens 520 Häuser verkaufen wird. Von Auftragserteilung bis Schlüsselfertigkeit vergeht etwa ein Jahr. Das ergibt für 2012 einen Umsatz von 82 bis 83 Millionen Euro mit 418 Mitarbeitern in Nordhorn und Elsnigk bei Dessau. Für 2011 gibt er 522 Häuser und mehr als 80 Millionen Euro Umsatz an.

Expansionsentscheidungen der Väter und Großväter

Die Familienunternehmen profitieren von Expansionsentscheidungen der Väter und Großväter, die im Krieg oder gleich danach als Maurer oder Tischler anfingen. Bei Wehmeyer sind ganz andere Zeiträume im Spiel. Er scannt mit Augen und Fingern den Stamm einer 210 Jahre alten Eiche auf Fehler. Unregelmäßige Maserung etwa mit Ästen wünschen nur wenige Kunden ausdrücklich. "Das geht dann eher zu Ikea", der etwas bessere Teil des Stammes "zu Hülsta", beides mit deutlich weniger Rendite als Superqualität für Jachten, Hotelbars oder Luxusautos."Vor sechs, sieben Generationen wurde hier in Deutschland der Wald schon nachhaltig bewirtschaftet", sagt Wehmeyer. Damals streckten Eichen wie diese ihre ersten Sprösslinge aus der geplatzten Frucht. Durchschnittlich seien die Stämme auf seinem Hof 160 Jahre alt. Er zeigt auf Paletten mit Riegel-Ahorn aus Thüringen: ganz seltenes, helles Holz mit strenger Maserung. "Piano-Qualität. Diese beiden Paletten sind 40.000 Euro wert."Da heute hier mehr Wald nachwächst als eingeschlagen wird, müsse die Branche sich auf der Versorgungsseite keine Sorgen machen. Den Standort zeichne eben aus, dass "wir hier eine 400-jährige Tradition der Waldbewirtschaftung haben".

  Quelle: dapd


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