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Jedes Projekt läuft anders aus dem Ruder

21.08.2012

Großvorhaben wie der Berliner Flughafen kranken immer wieder an längst bekannten Problemen

Von Stephan Radomsky

Berlin (dapd-bln). Hauptstadtflughafen, Jade-Weser-Port, die Elbphilharmonie, Stuttgart 21, Stromtrassen - Infrastrukturprojekte in Deutschland haben es derzeit schwer. Klagen, technische Probleme, Verzögerungen und Kostensteigerungen bremsen die Bauvorhaben in allen Phasen aus. So unterschiedlich die konkreten Gründe dafür sind, die Ursachen ähneln sich."Jedes Projekt läuft anders, es gibt aber ein paar typische Fehler", sagt der Geschäftsführer des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie (HDB), Michael Knipper. Die seien bekannt und keineswegs neu, erklärt Konrad Spang, Professor für Projektmanagement von der Uni Kassel. So glaube er nicht, dass Großprojekte in jüngster Zeit schlechter liefen als früher: "Die Öffentlichkeit ist heute nur sensibler für Fehler", sagt er.Technische Probleme und Verzögerungen seien etwa ein grundsätzliches Problem von Großprojekten, auch außerhalb Deutschlands. "Man lässt sich dabei immer auf etwas ein, das man zum Zeitpunkt der Planung noch nicht vollständig kennt, weil solche Projekte immer einmalig sind", sagt Spang. Allerdings machten die Randbedingungen in Deutschland die Situation oft besonders schwierig.

Große "Streitbereitschaft" der Deutschen

Ein großes Problem ist die ist die Beteiligung der Bürger und damit die Akzeptanz. "Mein Eindruck ist, dass die Streitbereitschaft in Deutschland einfach besonders stark ausgeprägt ist", sagt Spang. Das sieht der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) ähnlich. Viele nutzten zwar gern die Verkehrsinfrastruktur, hätten sie aber nur ungern in ihrer Nähe und wollten "sich dagegen zur Wehr setzen", erklärt der für Verkehrspolitik zuständige Referent Patrick Thiele. "Die Akzeptanz hat stark gelitten. Das müssen wir ernst nehmen", sagt auch HDB-Geschäftsführer Knipper.Spang fordert deshalb eine Reform der Genehmigungsverfahren. Einerseits müssten die Abläufe abgekürzt, andererseits die Betroffenen möglichst früh eingebunden werden. "Das heißt aber nicht, dass jeder Einzelwunsch erfüllt werden kann", sagt der Wissenschaftler.Laufen die Arbeiten dann, drohen hausgemachte Schwierigkeiten. "Das grundlegende Problem ist meistens die mangelnde Abstimmung zwischen Planung und Bau", klagt Knipper. Oft würden Dinge geplant und kalkuliert, die so gar nicht umgesetzt werden könnten. "Die öffentliche Verwaltung hat oft keine eigene Bauherren-Kompetenz - und ist dann bei der Umsetzung überfordert", bemängelt er.

Mangelnde Aufarbeitung von Fehlern

Das könnte nach Ansicht Spangs und Thieles beim Hauptstadtflughafen in Schönefeld der Fall gewesen sein. "Allerdings gibt es nach solchen Projekten oft keine öffentlich zugängliche Auswertung, sodass es schwierig ist, aus Fehlern zu lernen", bemängelt der Kasseler Professor. "Besser wäre es, gleich gemeinsam an die Projekte heran zu gehen", fordert deshalb HDB-Mann Knipper.Dass die Projekte meist auch noch sehr viel teurer werden als geplant, hat neben technischen und juristischen auch politische Gründe. "Oft gehen Planer und Politiker bei den Kosten vielleicht auch zu optimistisch an solche Großprojekte heran", sagt Spang. "Im internationalen Vergleich haben wir in Deutschland sowieso bereits deutlich weniger Großprojekte - und einen riesigen Investitionsstau", sagt Knipper. Mehr als 70 Großprojekte mit einem Volumen von knapp 50 Milliarden Euro steckten derzeit fest.Den seit Jahren anhaltenden Geldmangel, vor allem für Verkehrsinfrastruktur, beklagt auch der DIHK. "Jetzt kommen der seit Jahren aufgelaufene Verfall und die wachsenden Anforderungen gleichzeitig zusammen", sagt Thiele. Deshalb häuften sich die Probleme, und Deutschland müsse sich anstrengen, nicht den Anschluss zu verlieren. "Die Infrastruktur war immer ein Standortvorteil für Deutschland - der schwindet inzwischen aber zusehends."

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Foto: Klaus-Dietmar Gabbert / dapd

  Quelle: dapd


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